Nadine Münzenmaier hebt die Axt weit über ihren Kopf. „Und atmen“, ruft einer der umstehenden Männer in die Halle hinein. Mit einer flüssigen Bewegung schlägt Münzenmaier das Eisen in das Holz unter ihren Füßen. Nach und nach wird die Mulde größer, Splitter verteilen sich auf dem Boden. Plötzlich hält Münzenmaier inne. „Jetzt hast du’s“, sagt einer ihrer Zuschauer. Ein leichtes Krachen, dann bricht der Stumpf in der Mitte durch.
Münzenmaier ringt um Atem. „Ich glaube, du solltest uns trainieren. Ich weiß gar nicht, was für Tipps ich dir noch geben soll“, sagt Stirling Hart. Das Lob bringt die Neuffenerin zum Strahlen. Kein Wunder, Hart ist einer der vier Sportholzfäller des kanadischen Nationalteams. Mit Marcel Dupuis, Ben Cumberland und Bill Bischoff bereitet er sich seit Anfang der Woche auf die Weltmeisterschaft im Stihl Timbersports vor, die ab Freitag in Stuttgart ausgetragen wird.
Perfekte Trainingsumstände
Als Ort für ihr kleines Trainingslager haben sich die vier die Viehweide in Neuffen ausgesucht. Dort lebt, arbeitet und trainiert Nadine Münzenmaier. Sie ist selbst Sportholzfällerin, in Deutschland gehört sie zur absoluten Elite. „Die Jungs sind auf mich zugekommen und haben gefragt ob es möglich wäre, bei mir zu trainieren. Da habe ich natürlich zugesagt“, erzählt Münzenmaier. So nah am Veranstaltungsort zu trainieren und außerdem mit Bedingungen wie auf der Viehweide, ist Luxus für die Athleten. Viele ihrer Kontrahenten müssen deutlich weiter fahren oder sind an das Wetter gebunden. Denn nicht überall gibt es eine überdachte Trainingsgelegenheit wie bei Münzenmaier.
In den vergangenen Tagen feilten Hart, Dupuis, Cumberland und Bischoff besonders an ihrem Teamwork. Tatsächlich sind die vier in dieser Konstellation noch bei keinem Wettbewerb angetreten. Die Nationalteams werden oft neu besetzt. Je nachdem, wer derzeit in einer Disziplin hervorsticht. Vier davon gilt es zu meistern: Stock Saw, Underhand Chop, Single Buck und den Standing Block Chop.
Verschiedene Disziplinen
Beim Stock Saw müssen von einem Holzblock mit einem Abwärts- und einem Aufwärtsschnitt zwei Holzscheiben innerhalb eines zehn Zentimeter breiten Bereichs abgesägt werden. Beim Underhand Chop gilt es, auf einem horizontal verankerten Block stehend, den Stamm mit der Axt zu zerschlagen. Beim Single Buck arbeiten die Athleten mit einer zwei Meter langen Spezialsäge. Damit müssen sie eine Holzscheibe von einem horizontal befestigten Block abschneiden. Und beim Standing Block Chop wird das Fällen eines Baumes mit der Axt simuliert: Ein senkrecht verankerter Holzblock muss so schnell wie möglich von beiden Seiten durchschlagen werden.
„Wichtig ist dabei besonders die Abstimmung zwischen den Disziplinen“, erläutert Münzenmaier. Wie beim Staffellauf darf der Mannschaftskollege mit seiner Aufgabe erst beginnen, wenn die vor ihm absolviert wurde. Dabei zählt jede Sekunde.
Das weiß auch Ben Cumberland, der gerade die zwei Meter lange Säge für den Single Buck ansetzt. Eigentlich soll es nur ein lockerer Trainingslauf werden. Seine Teamkollegen schärfen derweil ihre Äxte oder spannen neue Baumstämme in die Befestigungen. Als bei der ersten Bewegung die Späne losstieben, scheint Cumberland aber Blut geleckt zu haben und ein breites Grinsen zieht sich über sein Gesicht.
Bald auch eine Frauen-WM?
Mit einigen Rucken treibt er die Säge durch den Stamm, bis mit einem Knall eine Scheibe auf den Boden klatscht. Sein Teamkollege Hart, der ihm den Rücken zugewandt hatte, dreht sich verwundert um. „Das war’s schon?“, fragt er mit einem verwunderten Gesichtsausdruck. Offenbar sind auch die Athleten untereinander von ihren Fähigkeiten überrascht.
Auch wenn Münzenmaier die Kanadier mit ihrem Können beeindruckt zu haben scheint: Wenn die WM am Wochenende steigt, kann sie nur zuschauen. Noch gibt es zu wenige Frauen beim Stihl Timbersports, als dass ein extra Damen-Teamwettbewerb abgehalten werden kann. „Aber es sieht gut aus“, sagt Münzenmaier. „Die Zahl steigt stetig. Ich bin zuversichtlich, dass wir das in ein paar Jahren auch hinbekommen.“