Anlässe für ein Streitgespräch hätte es bei der Kandidatenpräsentation für die Bürgermeisterwahl in Weilheim reichlich gegeben. Doch das Format sah es nicht vor, dass sich Amtsinhaber Johannes Züfle und sein Herausforderer Ralf Kwiatkowski gegenüberstehen. Was der eine sagt, bekommt der andere nicht mit, denn während der maximal halben Stunde Redezeit und halbstündigen Fragerunde sitzt der Gegenpart jeweils in der Bertoldstube, akustisch vom Hauptsaal abgeschirmt. „Was es dort gibt, ist geheim“, sagt Moderator und Gemeinderatsmitglied Rainer Bauer schmunzelnd. Er hat auch eine gelbe und rote Karte dabei, falls einer seine Redezeit überschreitet: Doch die Karten wird der „Schiedsrichter“ nicht brauchen.
„Ich bin gerne Ihr Bürgermeister.
Johannes Züfle über seine Motivation
Den Anfang macht Amtsinhaber Johannes Züfle, dessen Bewerbung als Erstes eingegangen ist. Strategisch hat der 44-Jährige den Vorteil, mit einigen im Publikum auf gemeinsam Erreichtes in 16 Jahren zurückblicken zu können. Dabei spart er nicht mit Emotionen: „Mit ganzem Herzen Weilheim“ betitelt er das erste Kapitel seiner Rede: „Weil ich in Weilheim gerne arbeite, gerne wohne und gern lebe.“ Auch die Zusammenarbeit mit seinem Rathausteam und dem Gemeinderat lobt er, ebenso wie das Engagement der Ehrenamtlichen. Dass sich auch andere für die „Herzenssache Weilheim“ engagieren, sei ein „unbeschreiblich schönes Gefühl“ und beschere ihn bei Ehrungen gar regelmäßig „Gänsehaut“.

Weiter geht es mit Erinnerungen wie seinem persönlichen „Highlight“ Stadtjubiläum 2019. Auch kann er mit 22 Millionen Euro aufwarten, welche in den Neubau oder die Erneuerung der Kitas in Weilheim und Hepsisau geflossen sind. Wer wollte am Sinn dieser Investitionen zweifeln? Auch die Sanierung des Freibads, das Wohnbaugebiet Gänsweide II und die bald fertiggestellte Turnhalle der Limburgschule kann der Amtsinhaber auf der Habenseite bei den Themen Wohnen, Bildung und Sport verbuchen.
Nicht fehlen darf das Gewerbegebeit Rosenloh: Der wenige Tage zuvor vermeldete Optionsvertrag auf das größte Einzelgrundstück im künftigen Gewerbegebiet, dass die Stadt nach langen Verhandlungen mit dem Brennstoffzellenhersteller Cellcentric abgeschlossen hat, bringt 15 Millionen Euro in die Gemeindekasse.
Als Ausblick will der amtierende Bürgermeister nicht nur das Gewerbegebiet komplett umsetzen, sondern auch den S-Bahn-Anschluss nach Kirchheim vorantreiben. Der alte Friedhof soll besser genutzt werden und mehr Begegnungsmöglichkeiten bieten, ein neues Feuerwehrmagazin gebaut und das Areal Brückengasse zwischen der neuen Turnhalle und Bissinger Straße sinnvoll gestaltet werden.
Herausforderer geht in die Offensive
Weniger emotional, dafür umso hemdsärmeliger gibt sich der 57-jährige Herausforderer und geht gleich in die Offensive. „Ich komme zwar nicht aus der Kommunalpolitik, sondern aus der Wirtschaft. Warum muss ein Bürgermeister Kommunalpolitik studiert haben?“, meint der Thüringer, der nach der Wende nach Kirchheim gezogen war und seit zwölf Jahren in Weilheim lebt. Der Unternehmer legt den Finger dahin, wo er die Wunden vermutet. Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Kita-Plätze, die in diesem Jahr wieder teurer geworden sind, sozialverträglicher gestaltet werden. „Wenn es nach mir persönlich ginge, wären diese kostenlos“, sagt Kwiatkowski. „Wer hat denn Kinder? Menschen, die eine Familie gründen, die sich etwas aufbauen wollen, die sich ein Häuschen gebaut haben oder eine Eigentumswohnung bezogen haben.“ Diesen Menschen greife man noch in die Tasche.

Der Geschäftsführer eines Reparaturbetriebs für Pressen setzt auf betriebswirtschaftliche Argumente. Kritik übt er etwa an Weilheims kommunaler Wärmeplanung mit ihrem Ziel, drei Viertel der Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen zu leisten. „Klasse Idee, aber wer weiter denkt, merkt dann, dass die mit elektrischer Energie betrieben werden müssen. Wer zahlt die?“ Durch Wärmepumpen würde der Strombedarf der Stadt um 18 Prozent steigen, rechnet er vor. Weiter geht’s mit Kritikpunkten: Gefahr für Kleinkinder durch Fließgewässer in der Nähe der neuen Naturkita Kirchheimer Straße, die bisherigen anderthalb Jahre Bauzeit für die Durchfahrtstraße in Hepsisau („Wird das eine Autobahn?“) und die gestiegenen Energiekosten der Stadt von 2022 auf 2023 von 500.000 auf 1,1 Millionen Euro. „Was ist da schiefgelaufen?“, fragt er das Publikum. Vermutlich würde der Bürgermeister darauf antworten, aber das sieht das Format nicht vor, so stehen die Zahlen unkommentiert im Raum. Der Vorschlag des Unternehmers: Weilheim soll Wärme und Strom selbst erzeugen und damit die Strompreise in der Hand haben und sie zu fairen Preisen an alle Bürger weitergeben. „Es ist eine Vision. Aber Unternehmen leben von Visionen.“
Kritik übt er an den 8,5 Millionen Euro Kosten für die Turnhalle der Limburgschule. „Wurde doch eine Stadthalle gebaut und als Turnhalle bezeichnet? Wurde hier der Bürger mit Bürgerentscheid hintergangen?“ Denn die hätten sich gegen eine Stadthalle ausgesprochen. Als Vergleich zieht er die Turnhalle in Ötlingen heran, die vier Millionen Euro gekostet habe.
Persönliches erfährt man vom zweifachen Familienvater weniger, dafür umso mehr Kritik an großen Projekten. Dass die Firma Cellcentric einen Optionsvertrag unterschreibt und 15 Millionen Euro zahlt ohne Verpflichtungen seitens der Stadt: „Ich kann es nicht so richtig glauben.“ Seine Vermutung: „Die Wahl ist dann vorbei, es wird alles rückabgewickelt, eben mal Pech. Welche Provision bekommt die LBBW Immobilien- und Kommunalentwicklung?“
„Er soll in erster Linie Erfüllungsgehilfe der Bürger sein.
Ralf Kwiatkowski über sein Verständnis von einem Bürgermeister
Auf die Frage aus dem Publikum nach Plänen für altersgerechte Wohnprojekte und die Schaffung eines Seniorenrats, die beiden Kandidaten gestellt wurde, sagt Kwiatkowski: „Klasse, warum gibt’s das Ding (Seniorenrat) noch nicht?“ Dann wird er abrupt schärfer in Ton und Inhalt: „Wir müssen uns fragen: Wie kann man Senioren unterstützen? Man kann Flüchtlinge unterstützen, Arbeitslose, aber unsere Senioren nagen am Hungertuch? Das kann nicht sein.“ Weitere Fragen kommen danach nicht mehr.
Einen Tag später gab es bei der zweiten Veranstaltung in Hepsisau dazu noch eine Gelegenheit.