Zwischen Kuhstall und großer Politik
Kanzleramtschef auf Stippvisite im Lenninger Tal

Großer Andrang bei der Gesprächsrunde mit Thorsten Frei: Auf dem Sulzburghof in Unterlenningen stellte sich der Kanzleramtschef den Fragen von Bürgern und sprach über Wirtschaft, Sicherheit, Migration und die Rolle der Kommunen.

Kanzleramtschef Thorsten Frei (3.v.l.) hat sich auf Einladung von der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordneten Natalie Pfau-Weller (3.v.r.) auf dem Sulz­burghof den Fragen von Bürgern gestellt. Mit dabei: Landwirt Michael Kuch (rechts), der Esslinger CDU-Bundestagsabgeordnete David Preisendanz (2.v.r.) Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht (2.v.l.) und der Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hiller. Foto: Nicole Mohn

Was ist denn hier heute los?“, will eine Frau wissen, die eigentlich zum Sulzburghof möchte. Die Zufahrt zum Hofcafé ist am Samstagmittag gesperrt. Hoch geht es nur per Pedes oder Rad. Nur für die dunkle Limousine mit Berliner Kennzeichen öffnet sich die Schranke. Thorsten Frei ist auf Besuch im Lenninger Tal, um auf Einladung der CDU-Landtagsabgeordneten Natalie Pfau-Weller mit Bürgern über den neuen Kurs für Deutschland zu reden.

120 Interessierte sind dabei

Der Andrang zu der Gesprächsrunde ist groß. 120 Anmeldungen hat Natalie Pfau-Weller für den Talk mit dem Kanzleramtschef erhalten, erzählt sie. „Logistisch eine Herausforderung“, weiß sie und richtet ihren Dank an die Helfer sowie die Familien Kuch und Hornung vom Sulzburghof.

Dass der Termin mit Thorsten Frei stattfinden kann, obwohl er als neuer Kanzleramtschef eigentlich alle Hände voll zu tun hat, freut die Landespolitikerin besonders. „Der Termin war ausgemacht lange bevor ich wusste, was da auf mich zukommt“, meint ihr Parteikollege. Als „Minister für besondere Angelegenheiten“ komme er nur selten aus dem Kanzleramt raus. „Einer meiner Vorgänger, der Herr Altmaier, hat deshalb mal von Käfighaltung gesprochen“, schiebt er augenzwinkernd nach. „Das hier ist Urlaub“, sagt er und lacht.

Weiter geht‘s mit deutlich ernsteren Themen. Sieben Wochen ist die neue Regierung im Amt. Einiges habe man seitdem auf den Weg gebracht, zieht Frei Bilanz. Zuletzt den Investitionsbooster und die Senkung der Stromsteuer für bestimmte Branchen. Aber nicht – wie im Wahlkampf versprochen – für alle. Frei wiegelt ab: „Wenn wir die nötigen fünf Milliarden noch zusammenkratzen, dann auch für alle“, verspricht er. Im ersten Schritt gehe es erstmal darum, die Wirtschaft zu stärken.

Das kostet rund 48,4 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre. 13,5 Milliarden gehen allein den Kommunen flöten. Der Bund werde den Verlust ausgleichen, um die Städte und Gemeinden handlungsfähig zu halten. Nicht zuletzt hänge davon das Vertrauen der Bürger ab: „Ob die Kommune ihre Aufgaben erledigt, entscheidet, wie der Staat wahrgenommen wird“, so der Kanzleramtschef.

Unzufriedenheit und AfD-Wähler

Warum so viele Menschen unzufrieden sind und AfD wählen? Freis Antwort ist deutlich: „Es hat viel damit zu tun, dass der Staat nicht so funktioniert, wie es die Menschen wünschen. An manchen Stellen ist er auch dysfunktional.“ Es gelte Lösungen zu finden, nicht die eigene Unzuständigkeit zu erklären.

Beim Punkt Sicherheit spricht der Kanzleramtschef eine unbequeme Wahrheit aus. Bislang habe Europa das Sicherheitsthema an die USA ausgelagert. „Das funktioniert nicht mehr.“ Als reichster Kontinent der Welt müsse Europa in der Lage sein, selbst für Sicherheit und Frieden sorgen zu können.

Auch in puncto Migration findet er klare Worte. Mit vielen einzelnen Maßnahmen versuche Berlin derzeit Migration und Integration wieder in Deckung zu bringen. Dazu brauche es mehr Ordnung, mehr Steuerung und mehr Begrenzung. Für jene die hier leben und arbeiten wollen, gebe es Wege und Regeln. „In einem Rechtsstaat muss das Recht durchgesetzt werden“, erklärt er unter dem Applaus der 120 Zuhörer. Kritisch sieht Frei, dass das deutsche Asylrecht wirklich Schutzbedürftige nicht erreicht: „Wer es schafft herzukommen, bleibt“, stellt er lakonisch fest. Alle anderen fielen faktisch durchs Raster.

Frei spricht über andere große Baustellen im Staat. Das reformbedürftige Gesundheitssystem zum Beispiel oder eine generationengerechte Rente. Seine Meinung: „Wenn die Lebenserwartung steigt, kann das Renteneintrittsalter nicht gleichbleiben.“

Selfies und Autogramme

Im Anschluss an die Fragerunde nimmt sich Thorsten Frei Zeit für Selfie-Wünsche, Autogramme und persönliche Anliegen. Beim kurzen Rundgang über den Sulzburghof unterhält er sich mit den Vertretern aus vier Generationen, die Landwirtschaft und das dazugehörige Hofcafé nebst Laden gemeinsam wuppen. Weniger Gesetze und Bürokratie wünscht sich Landwirt Michael Kuch, der für die Freien Wähler im Kreistag sitzt, sich aber als CDU-Mitglied outet. Und Wertschätzung: „Wir versorgen Euch täglich“, macht er klar. Verliere man dies, mache sich Deutschland von anderen Ländern abhängig, warnt der Lenninger.

Auch Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht schickt eine Bitte mit nach Berlin: „Verlieren Sie nicht aus den Augen, was die Kommunen vor Ort leisten können und was nicht, und statten sie die Kommunen finanziell dafür aus.“ Wenn die Straßen nicht mehr repariert werden können, Kindertagesplätze fehlen, bereite das den Boden für Unzufriedenheit – und damit für Populismus, warnt er.