Karrieretag – und trotzdem ist kaum jemand auf dem Schulhof zu sehen. Das liegt nicht etwa daran, dass hier keiner ist – sondern an der lückenlosen Organisation von Marcus Walter, Lehrer an der Realschule in Lenningen. „Hier greift ein Zahnrädchen ins andere“, bekräftigt Rektorin Dunja Salzgeber.
Über 40 Firmen stellen sich vor: Dafür werden alle Gebäudekomplexe genutzt und die Fünft- bis Siebtklässler zum Sportturnier geschickt. Ein Blick in die
Klassenräume offenbart, was hier geschieht: Jugendliche treten mit Firmen direkt in Kontakt. „Mit vier Unternehmen kommen die Acht- bis Zehntklässler heute auf jeden Fall in Berührung“, erklärt Dunja Salzgeber. Über den Vormittag verteilt, nehmen die Jugendlichen an unterschiedlichen Inforunden teil. Der große Vorteil: „Wir sind breit aufgestellt und eigentlich ist für jeden was dabei“, verrät Marcus Walter. Das Angebot in Lenningen nahmen auch drei Schulklassen der Kirchheimer Freihofrealschule und eine Wendlinger Klasse an. Beim anschließenden „Speeddating“ mit den Firmen gehen die Schülerinnen und Schüler so richtig aus sich raus: Zwei persönliche Gespräche müssen sie sich bescheinigen lassen. Mit dem Lebenslauf in der Hinterhand kann sich der eine oder andere eine „Goldcard“ sichern. Wie der Name schon vermuten lässt, hat diese großen Wert: Ein Praktikumsplatz oder, noch besser, ein Termin zum Vorstellungsgespräch ist damit verbunden.
Hürden werden genommen
„Unsere Schüler sind noch sehr jung und mit dem riesigen Angebot überfordert und brauchen daher Hilfe. Bei unserem Karrieretag ist uns wichtig, Hürden zu nehmen und Ergebnisse zu erzielen“, erzählt Dunja Salzgeber. „Die Goldcard motiviert die Jugendlichen, am Ball zu bleiben“, erklärt Marcus Walter. „Außerdem wollen wir damit auch die Eltern mit ins Boot holen: Liegt die Karte erst mal auf dem Küchentisch, sind die Eltern auch engagiert, den Kontakt aufrechtzuerhalten“, sagt Alexandra Scheurle, die Vorsitzende des Elternbeirats.
Die Schülerin Sara Kovacic aus der 9 b möchte den Karrieretag nutzen, um sich über ihre Zukunftspläne klar zu werden. „Hier gefällt mir besonders gut, dass die Firmen bunt gemischt sind und nicht nur Handwerksberufe oder IT-Firmen vorgestellt werden“, erzählt sie. „Ich möchte am liebsten aufs Sozialwissenschaftliche Gymnasium der Fritz-Ruoff-Schule in Nürtingen. Ich habe mir aber Sorgen gemacht, ob ich da auch angenommen werde“, erklärt die 15-Jährige. Im persönlichen Gespräch beim „Speeddating“ konnte ihr diese Sorge genommen werden. „Obwohl man sich schon überwinden musste, die Firmen direkt anzusprechen, bin ich jetzt froh, es gemacht zu haben“, sagt sie. Aber auch das wurde im Vorfeld bedacht: Im Klassenverband überlegten sich die Jugendlichen zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern geeignete Fragen und gute Vorgehensweisen.
„Bei unserem Karrieretag ist uns besonders wichtig, dem Trend zu weiterführenden Schulen entgegenzuwirken. Wir möchten, dass die Ausbildungsberufe wieder mehr Wertschätzung erfährt“, erklärt Dunja Salzgeber. „Zurzeit ist es leider so, dass es nur Akzeptanz fürs Studium gibt und Ausbildungsberufe keinen Stellenwert mehr haben.“
Richtig wäre, das Talent in den Vordergrund zu stellen“, ergänzt Alexandra Scheurle. „Unsere Schülerinnen und Schüler sollen sich im Vorfeld überlegen, was sie machen möchten und welchen Abschluss sie dafür brauchen – dann kommt auch oft ein Ausbildungsberuf heraus. Sie sollen mit ihrem späteren Beruf glücklich und zufrieden sein und nicht einfach das gemacht haben, was von der Gesellschaft erwartet wird“, führt Dunja Salzgeber aus. Das sieht auch Marcus Walter so: „Auch vom finanziellen Aspekt her, macht es oft keinen Unterschied, ob man studiert oder etwa den Meister macht.“
Eine Gegenentwicklung zeichnet sich bereits ab: „Lange Zeit wurden nur noch Abiturienten genommen, jetzt schwenken die Firmen wieder um und geben auch den Realschülern eine Chance“, sagt Alexandra Scheurle. „Mit dem großen Fachkräftemangel müssen sich die Firmen natürlich auch um die Realschüler bemühen“, verdeutlicht Marcus Walter.