Auf Katastrophen sollte man vorbereitet sein. Das hat unter anderem die Corona-Krise gezeigt. Eine andere denkbare Katastrophe könnte nuklearer Art sein. Warum auch immer die Umwelt radioaktiv verseucht sein könnte – was sich an Gegenmaßnahmen ergreifen lässt, sollte rasch verfügbar sein. Aus diesem Grund sind jetzt alle Kommunen mit Jodtabletten in genügender Anzahl versorgt worden: um zu verhindern, dass erhöhte Strahlungswerte zu einem Anstieg von Kehlkopfkrebserkrankungen führen.
Das Prinzip ist recht einfach: Eine Nuklearkatastrophe würde radioaktives Jod freisetzen. Dieses strahlenbelastete Jod wiederum könnte sich in Schilddrüsen
festsetzen. Die Folge davon kann Kehlkopfkrebs sein. Nun gibt es aber eine Art Sättigung mit Jod. Wer also „den Kropf voll hat“, dem kann vorerst nichts mehr passieren. Ist der Körper also mit genügend Jod versorgt, kann er kein weiteres mehr aufnehmen, also auch kein radioaktives. Der Fachbegriff dafür heißt „Jodblockade“ oder „Schilddrüsenblockade“ – wie unter anderem auf der Homepage des zuständigen Bundesministeriums zu lesen, des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Weiter heißt es dort: „Bis zu einer Entfernung von ungefähr 100 Kilometern im Umkreis eines Kernkraftwerkes ist die Verteilung von Jodtabletten an Personen bis 45 Jahren, darüber hinaus für das gesamte Bundesgebiet an Schwangere sowie Kinder und Jugendliche vorbereitet.“ Der Landkreis Esslingen liegt in einer solchen Zone rund um das Kernkraftwerk Neckarwestheim. Unabhängig von dessen Laufzeit – die spätestens im Dezember enden soll – sind also auch in genügend Jodtabletten vorrätig zu halten.
„Das at nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun“
Verschärft hat sich die Furcht vor einer Nuklearkatastrophe nun durch den Krieg in der Ukraine. 36 Jahre nach dem Reaktor-Unglück von Tschernobyl ist es noch immer im öffentlichen Bewusstsein verankert, welche gefährlichen Auswirkungen ein entsprechender „Zwischenfall“ noch in weit über tausend oder zweitausend Kilometern Entfernung haben kann.
Tatsächlich aber hat der Vorrat an Jodtabletten, den die Kommunen im Kreis Esslingen über den Bund und das Landratsamt erhalten haben, nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun. „Wir haben die Tabletten schon im vergangenen Jahr erhalten“, sagt Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader. „Das ist eine Standard-Sicherheitsmaßnahme wegen unserer vergleichsweise geringen Entfernung zu Neckarwestheim.“ Wichtig ist ihm folgende Botschaft: „Deswegen muss niemand in Panik ausbrechen.“ Mit dem Krieg könne das rein gar nichts zu tun haben: „Dafür hätte man letztes Jahr, als die Tabletten angeliefert worden sind, schon beachtliche hellseherische Fähigkeiten gebraucht.“
In Kirchheim sind 120 000 Tabletten vorhanden, für den Notfall und für alle, die nicht älter als 45 Jahre sind. Derzeit werde mit der Feuerwehr und dem Katastrophenschutz abgestimmt, wo diese Tabletten im Ernstfall verteilt werden sollen: „Wir wollen 14 Ausgabeorte in Kirchheim einrichten, die sich ganz grob an den Wahlbezirken orientieren sollen.“ Gedacht ist an öffentliche Einrichtungen wie Rathäuser oder Schulen. Bis zu einem Ernstfall bleiben die Jodtabletten aber zentral gelagert. Sie werden erst dann an die Ausgabestellen gebracht, wenn man sie auch wirklich braucht.
Dringend warnt Pascal Bader davor, sich jetzt selbst mit Jodtabletten einzudecken. Noch stärker rät er davon ab, diese Tabletten auch gleich noch zu schlucken. Erstens würde das zum jetzigen Zeitpunkt nichts nützen, und zweitens könnte es dem Körper sogar schaden. Mögliche Nebenwirkungen sind schließlich auch der Grund, warum die Einnahme im Notfall nur für Menschen unter 45 empfohlen wird. Außerdem gilt: Jodtabletten können zwar gegen Kehlkopfkrebs schützen, aber nicht gegen alle Arten von Gesundheitsgefahren durch radioaktive Strahlung.