Abschiebung
Kaum noch Hoffnung auf Rückkehr des Unterensinger Hausmeisters

Das Regierungspräsidium Stuttgart erteilt keine Zustimmung zu einem Visum für Sieka Sielca. Wie konnten alle Beteiligten die Gesetzeslage übersehen?

Hausmeister Sieka Sielca im vergangenen Jahr in Unterensingen. Seine Arbeitsstelle wird nun wieder ausgeschrieben, die Wohnung ist aufgelöst. Foto: pr

Frustration und Enttäuschung in Unterensingen: Nachdem alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, den am 6. Dezember nach Togo abgeschobenen Hausmeister Sieka Sielca wieder zurückzuholen, schwindet die Hoffnung. Das Regierungspräsidium Stuttgart erteilt keine Zustimmung, da laut Pressestelle der Behörde die Voraussetzungen nach dem Aufenthaltsgesetz in diesem Fall nicht vorliegen.

Nach einer Petition war die Einreisesperre von 36 auf sechs Monate verkürzt worden, die am 6. Juni abgelaufen sind. Doch das nötige Arbeitsvisum wird ohne die Zustimmung des Regierungspräsidiums nicht erteilt. Der Fall hatte weite Kreise gezogen. Alle Wahlkreisabgeordneten, das Landesjustizministerium und das Bundesaußenministerium waren damit befasst. Doch diese Entwicklung hatte niemand unter den juristisch bewanderten Beteiligten kommen sehen.

Die Pressestelle des Stuttgarter Regierungspräsidiums schreibt: „Das Einreise- und Aufenthaltsverbot des Antragstellers wurde auf Empfehlung des Petitionsausschusses zwar auf sechs Monate verkürzt. Der Petitionsbeschluss enthält hierzu aber keine Begründung. Es ist nicht erkennbar, dass die Verkürzung der Einreisesperre aufgrund der Beschäftigung vorgeschlagen wurde. Die Prüfung der Voraussetzungen für eine Einreise wurde demnach unabhängig davon vorgenommen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor.“

Wer hat etwas versäumt?

Diese Antwort wirft viele Fragen auf: Wurde vom Petitionsausschuss etwas versäumt und kann man das nachholen? Gibt es andere Möglichkeiten, die ohne Zustimmung des RP auskommen? Aus der Pressestelle des Regierungspräsidiums kommt die Antwort, dass der Petitionsausschuss sich nur mit der Verkürzung der Einreisesperre befasst habe, nicht jedoch mit der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Visumserteilung vorliegen.

In der Beschlussempfehlung zur Petition werde darauf hingewiesen, dass für die Wiedereinreise ein Visum nötig sei, für dessen Erteilung die Botschaft in Togo zuständig ist. Die Botschaft entscheide unter Beteiligung der zuständigen Ausländerbehörde. Ein Visum werde jedoch nur dann erteilt, wenn die Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels erfüllt seien, was aktuell nicht der Fall sei. Einen Interpretationsspielraum sieht das Regierungspräsidium nicht.

Regierungspräsidium sieht keinen Interpretationsspielraum

Weshalb sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, wenn Sielca die Zusage eines Arbeitsplatzes und eine Wohnung hat? Laut Regierungspräsidium wäre die Erteilung eines Aufenthaltstitels möglich, wenn Sielca eine Aus- oder Weiterbildung machen würde oder bereits eine entsprechende Qualifizierung hätte. Nichts davon treffe zu. Das Landesjustizministerium teile die rechtliche Einschätzung des RP.

Birgit Seefeldt vom Unterensinger AK Asyl führt dazu in einem Brief an alle Unterstützer aus: „Er ist weder eine Fachkraft (Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf) noch besteht bundesdeutsches öffentliches Interesse (er ist kein Fußballer in der Bundesliga oder Forscher, der bahnbrechende Forschungen machen möchte). Er hat keine Familie hier in Deutschland. Wenn er eine Ausbildung beginnen würde, würde er vielleicht zeitnah eine Genehmigung erhalten. Leider habe ich keine Kraft mehr, um einen Platz zu suchen, wieder viele Anträge und Formulare auszufüllen und alles von vorne zu beginnen, um eventuell am Schluss wieder einen negativen Bescheid zu erhalten.“

Die Enttäuschung ist riesengroß

Seefeldt hat inzwischen die Wohnung aufgelöst, die Gemeinde wird die Stelle wieder ausschreiben. Die Enttäuschung ist auf allen Seiten groß, dass all die Anstrengungen vergeblich waren: „Sechs Monate lang haben wir alles versucht, um eine Rückkehr zu ermöglichen. Ich dachte, dass die Wiedereinreisesperre das größte Problem ist. Das konnten wir glücklicherweise mit der Petition und der Entscheidung des Landtags lösen. Die Gebühr über 169 Euro für die Bestätigung, dass er seit 6. Juni wieder einreisen darf, haben wir gerne bezahlt.“

Die 7000 Euro Spenden für die Rückkehr von Sieka Sielca sind inzwischen aufgebraucht. Nun müsse er sich in Togo eine neue Existenz aufbauen. Die Monate zwischen Hoffen und Bangen hätten ihm emotional sehr zugesetzt, er wolle diesen Zustand nicht in die Länge ziehen, sagt Seefeldt. Sie will weiterhin den Kontakt zu ihm halten und ihn so gut es geht unterstützen.

Gemeinde kann keinen Ausbildungsplatz bieten

Ernüchterung auch beim Arbeitgeber. Der Unterensinger Bürgermeister Sieghart Friz sagt: „Wir haben viel Zeit in die Petition gesteckt. Hätten wir gewusst, dass es nichts bringt, hätten wir uns das sparen können.“ Die Gemeinde habe gegenüber der Ausländerbehörde am Landratsamt eine Arbeitsplatzgarantie abgegeben, die an das Regierungspräsidium weitergeleitet wurde. Der Bürgermeister hat Öffentliche Verwaltung studiert und trotzdem hat er diese Entwicklung nicht kommen sehen: „Nach der Petition sind wir davon ausgegangen, dass die Entscheidung des RP kommt.“ Von der Arbeitsagentur hatte Friz die Auskunft bekommen, dass die Petition ein öffentliches Interesse an der Rückkehr begründen könne. Einen Ausbildungsplatz könne die Gemeinde nicht bieten.

„Ich bin völlig enttäuscht, das ist eine unverständliche Entscheidung“, so Friz. Die Gemeinde habe alles unternommen und lande wegen des RP in einer Sackgasse. Jetzt werde die Stelle wieder ausgeschrieben, mit fraglichem Erfolg: „Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt.“ Die Kollegen hätten in der Hoffnung auf eine Rückkehr von Sielca auf die Zähne gebissen, nun sei Zeit, sie zu entlasten: „Wenn Sielca wiederkäme, würden wir sicher etwas für ihn finden, wenn nicht als Hausmeister, dann beim Bauhof.“

Die Abgeordneten geben sich mit dem Bescheid nicht zufrieden

Hinter den Kulissen laufen noch einige Gespräche. Die Abgeordneten des Wahlkreises Kirchheim, Andreas Schwarz (Grüne), Natalie Pfau-Weller (CDU) und Andreas Kenner (SPD) hatten die Petition unterstützt und positiv begleitet. Schwarz möchte sich vom Regierungspräsidium den Vorgang geben und rechtlich prüfen lassen.

Pfau-Weller schreibt: „Um in einem Rechtsstaat leben zu können, ist die Einhaltung von Recht und Gesetz geboten. Ich habe großes Verständnis, dass der Gemeinde Unterensingen daran liegt, ihren Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Ich verstehe auch die Enttäuschung des Arbeitskreises Asyl. Allerdings müssen ordentliche Verfahren auch eingehalten werden. Wir sollten nicht das Recht biegen, um in Einzelfällen Beschäftigung zu ermöglichen. Die Verkürzung der Wiedereinreisesperre von 36 auf sechs Monate und die Erteilung eines Visums stehen unter der Maßgabe aller anderen Voraussetzungen.“

Kenner ist stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses im Landtag. Er möchte den Fall in der nächsten Sitzung am Donnerstag nochmals ansprechen. „Der Ausschuss hat die eigentliche Petition, die Einreisesperre ganz aufzuheben, ja abgelehnt. Wenn die Abgeordneten gewusst hätten, was die rechtlichen Konsequenzen sind, hätten sie vielleicht anders abgestimmt.“ Kenner möchte auch nochmals mit Justizministerin Marion Gentges sprechen: „Sie hätte gleich sagen können, wie die Lage ist und keine falschen Hoffnungen wecken“, sagt Kenner. Auch seine Mitarbeiter planen, sich die Akten nochmals anzuschauen. Eine erneute Petition hätte aus seiner Sicht gerade keinen Sinn.