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Kein Rezept gegen den Hausarztmangel

Versorgung Viele Mediziner im Kreis Esslingen werden in den nächsten Jahren ihre Praxis aufgeben – und finden ­keine Nachfolger. Das zeigt eine Befragung des Gesundheitsamtes. Von Elke Hauptmann

Wer im Landkreis Esslingen einen Hausarzt sucht, hat es oft nicht leicht. Wurde endlich ein Mediziner gefunden, der noch Patienten aufnimmt, muss man sich mitunter die ernsthafte Frage stellen, ob die Praxis auch noch in ein paar Jahren existiert. Denn der Altersdurchschnitt der niedergelassenen Allgemeinmediziner ist hoch – und nicht wenige planen, demnächst in den Ruhestand zu gehen. Das geht aus einer aktuellen Befragung des Esslinger Gesundheitsamtes hervor.

Die Ergebnisse, so räumte Chris­tine Stotz, die Sachgebietsleiterin im Landratsamt, bei der Präsentation im Sozialausschuss des Kreistages ein, stellten die Situation im Kreis nicht vollständig dar. Von den 195 Hausarztpraxen, die man im Sommer dieses Jahres angeschrieben hatte, hätten sich nur 79 – also 40,5 Prozent – an der Umfrage beteiligt. Aber sie bestätigten jene Entwicklung, die die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg feststellt: Im häuslichen Sektor zeichnet sich ein Ärztemangel ab.

53 Prozent der befragten Haus­ärzte arbeiten demnach in einer klassischen Einzelpraxis – noch. Bei einer ähnlichen Befragung des Gesundheitsamts im Jahr 2019 waren es 60 Prozent. Voll im Trend liegen Praxiskooperationen. 35 Prozent der befragten Allgemeinmediziner sind in einer Gemeinschaftspraxis tätig (2019: 26 Prozent), weitere sechs Prozent in einer Praxisgemeinschaft und drei Prozent in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ).

Während der Bedarf aufgrund einer alternden Gesellschaft steigen wird, werden in den kommenden Jahren etliche Allgemeinmediziner im Kreis aufhören. 44 Prozent der befragten Hausärzte sind laut Stotz 60 Jahre und älter. „23 der 79 teilnehmenden Praxisinhaber (29 Prozent) planen die Auf- oder Abgabe innerhalb von fünf Jahren.“ 17 von ihnen haben noch keinen Nachfolger gefunden – fast alle empfinden die Suche als schwierig.

Kein Wunder, dass auch in den eigenen Reihen die Sorge überwiegt: 58 Prozent der Befragten halten die ärztliche Versorgung schon jetzt für nicht ausreichend. 38 Prozent der Hausarztpraxen geben an, keine neuen Patienten mehr aufzunehmen. In drei von 44 Kommunen im Landkreis Esslingen gibt es laut Stotz gar keine Hausarztpraxis: in Ohmden, Neidlingen und Altdorf.

Was hält den Hausarzt im Ort?

Gibt es ein Rezept gegen den Hausarztmangel? Diese Frage treibt die Kommunalpolitik längst um. „Wobei der Landkreis nur ein begleitender Akteur sein kann“, betonte Landrat Heinz Eininger in der Ausschusssitzung. Die Zulassung ist nämlich streng reglementiert, sie richtet sich an der sogenannten kassenärztlichen Bedarfsplanung aus. Dennoch: Wie Stotz ankündigte, wird das Esslinger Gesundheitsamt ab Januar nächsten Jahres ein kostenfreies Beratungsangebot für Städte und Gemeinden anbieten. Dabei geht es beispielsweise um gesetzliche Entwicklungen, aber auch um die Bedürfnisse der Zielgruppe. Denn es ist wichtig zu wissen: Was hält den Hausarzt im Ort? Auch darüber gibt die Befragung Aufschluss.

Als häufigster Grund für die Wahl des Praxisstandorts haben die Hausärzte eine familiäre oder regionale Verbundenheit angegeben (63 Prozent). Aber auch die Attraktivität der Kommune (29), gute Arbeitsbedingungen (25), ein kinderfreundliches Umfeld (15) und Freizeitangebote (9) sind ausschlaggebend. Wichtig sind den Medizinern günstige, barrierefreie, gut angebundene Räumlichkeiten – hier wäre eine kommunale Unterstützung bei der Suche hilfreich. Eine stabile Internetversorgung und eine Ganztageskinderbetreuung stehen ebenso auf ihrer Wunschliste. Ihre Forderungen an die Politik lauten Bürokratieabbau, angemessene Bezahlung, Anreizsysteme für die ärztliche Arbeit, die Aufhebung der Budgetierung und Unterstützung bei der Personalgewinnung.

Zahlen zur ambulanten medizinischen Versorgung

Baden-Württemberg Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) legt jährlich einen Bericht zur ambulanten medizinischen Versorgung im Land vor. Die letzte Erhebung bezieht sich auf das Jahr 2022. Demnach gibt es im Südwesten noch 7053 Hausärztinnen und -ärzte. 37 Prozent von ihnen sind über 60 Jahre alt. Laut KVBW sind momentan schon mehr als 900 Hausarztsitze nicht besetzt – knapp 300 Stellen mehr als noch vor vier Jahren.
Kreis Esslingen Der Landkreisstatistik der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge gibt es im Kreis Esslingen insgesamt 329 Hausärzte. Gerade mal 31 davon sind unter 40 Jahre alt. Nach dem 65. Lebensjahr arbeiten 59 Allgemeinmediziner. Der Anteil der über 60-Jährigen liegt bei 36 Prozent. Auf 1623 Kreisbewohner kommt ein Hausarzt oder eine Hausärztin. Das entspricht in etwa dem Landesdurchschnitt von 1577 Einwohnern. eh