Für Burcu Aydin war das Berufliche Ausbildungszentrum (BAZ) Esslingen ein Glücksfall. Von 2015 bis 2017 hat sie dort ihre Ausbildung zur Friseurin erfolgreich absolviert, nachdem sie sie zuvor nach der Mittleren Reife zwar ebenfalls begonnen, aber dann fast abgebrochen hatte. „Ich war alleinerziehend und die Arbeitszeiten der Ausbildung daher schwer vereinbar“, erzählt die heute 32-Jährige. Über eine Freundin sei sie damals auf das BAZ aufmerksam geworden und habe sich über die Agentur für Arbeit über die Möglichkeiten informiert. Im BAZ konnte sie die Ausbildung zur Friseurin in Teilzeit absolvieren und mit sehr guten Noten abschließen.
Von der Azubine zur Beraterin
„Das BAZ ist ein Ort, der mir wirklich sehr viel gegeben hat, das war eine sehr schöne und prägende Zeit.“ An die die 32-Jährige nun seit Mitte September anknüpft: Nachdem Burcu Aydin rund fünf Jahre als Friseurin gearbeitet hat, wurde der Wunsch nach der Rückkehr ins BAZ in einer anderen Rolle immer größer. Mit ihrer dortigen Ausbilderin habe sie immer Kontakt gehalten. „Sie war vor ihrer Tätigkeit am BAZ auch Friseurin, das hat mich inspiriert. Sie hat mich dabei unterstützt, über den zweiten Bildungsweg noch ein Studium der Sozialen Arbeit dranzuhängen. Das habe ich in Stuttgart ebenfalls sehr erfolgreich abgeschlossen und mich dann initiativ beworben.“ Seit fünf Wochen ist Burcu Aydin als Sozialpädagogin beim BAZ angestellt und unterstützt und berät nun selbst Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf. Beide Seiten selbst zu kennen, sei dabei sehr hilfreich, sagt die 32-Jährige.
In den vergangenen 30 Jahren seines Bestehens hat sich das BAZ Esslingen kreisweit zu einem wichtigen Akteur in der Jugendberufshilfe entwickelt. 1995 hatte die Diakonie Stetten als Träger das Gelände der ehemaligen Antennenfabrik Hirschmann in der Urbanstraße 28-30 in Esslingen gekauft. „Im selben Jahr gab es eine Anfrage der Agentur für Arbeit Göppingen, in Esslingen eine wohnortnahe Einrichtung für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu eröffnen“, erläutert Roman Hanle, Leiter des Geschäftsbereichs Berufliche Bildung der Diakonie Stetten die Anfänge. „Solche wohnortnahen beruflichen Reha-Einrichtungen gab es zur damaligen Zeit bundesweit noch wenige, da gehörten wir mit dem BAZ zu den Vorreitern.“
Zuvor hatten die jungen Menschen, die eine entsprechende Unterstützung auf ihrem Weg ins Berufsleben brauchten, oft weite Wege teils bis in andere Bundesländer auf sich zu nehmen, um eine Ausbildung mit einer für sie notwendigen individuellen Förderung absolvieren zu können. „Unser Anliegen ist es, keinen auszugrenzen. Zur Teilhabe am Leben gehört auch der Beruf“, betont Pfarrer Friedemann Kuttler, Theologischer Vorstand der Diakonie Stetten.
Angebot ist stetig gewachsen
Anette Lang ist seit 2007 die Einrichtungsleiterin des BAZ Esslingen. Auf die Frage, wie sich die Arbeit des BAZ über die Jahrzehnte verändert haben, erklärt sie, das Förder- und Ausbildungsangebot sei vielfältiger geworden. „1995 lag der Fokus auf jungen Leuten mit Lernschwierigkeiten. Und man ist mit 30 Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf in der Berufsvorbereitung gestartet, sechs begannen ihre Ausbildung zu Holzbearbeitern. Begleitet wurden sie in den Anfängen von neun Ausbildern und Sozialpädagogen sowie Lehrkräften der zugehörigen Johannes-Landenberger-Schule (JLS) am BAZ“, berichte Lang. Das ist eine private gewerbliche, kaufmännische, haus- und landwirtschaftliche Sonderberufs- und gewerbliche, haus- und landwirtschaftliche Sonderberufsfachschule in Trägerschaft der Diakonie Stetten. Nach und nach kamen weitere Ausbildungsberufe dazu, 2002 auf einen Schlag 30 in Kooperation mit dem Berufsbildungswerk Waiblingen.

Aktuell begleite das BAZ gemeinsam mit der JLS und 65 Mitarbeitenden insgesamt über alle zugehörigen Bereiche verteilt rund 320 junge Menschen (im Schnitt unter 25 Jahre) auf ihrem individuellen Weg ins Ausbildungs- und Berufsleben. Eine praxisnahe Ausbildung in den eigenen Werkstätten oder in Firmen der Region wird über die Kooperation mit über 1550 Betrieben in den letzten 30 Jahren gewährleistet. Im vergangenen Jahr waren es 355 betriebliche Kooperationen. Auch zahlreiche Schulen im Landkreis gehören unter anderem zu den vielfältigen Kooperationspartnern, ebenso wie beispielsweise andere Träger der Jugendberufshilfe oder kommunale Hilfeeinrichtungen.
Hilfe beim Wiedereinstieg
„Der Fokus liegt nicht mehr allein auf den Lernschwierigkeiten, es sind junge Menschen, in deren Lebenslauf ganz unterschiedliche Faktoren dazu führen, dass sie es nicht allein schaffen, in ein Ausbildungsverhältnis oder in Arbeit zu kommen. Das können psychische Probleme sein oder sonstige Erlebnisse, die eine Unterstützung notwendig machen“, weiß Anette Lang. Am zweiten Standort in der Esslinger Haldenstraße geht es mit vielfältigen Projekten um den gezielten (Wieder-)einstieg ins Arbeitsleben. „Dort haben wir beispielsweise junge Menschen mit einer Fluchterfahrung.“
„Keiner darf verloren gehen, das ist das Motto“, betont auch Rainer Lippmann, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit Göppingen, die die Arbeit des BAZ zu etwa 80 Prozent finanziell fördert. Weitere zehn Prozent kommen vom Jobcenter, der Rest von der Stadt Esslingen, Bund, Land und Stiftungen. Der Fachmann weiß, „dass eine Integration in den Arbeitsmarkt fast immer nur durch eine fundierte Ausbildung gelingt“. Das BAZ sei hier ein verlässlicher Partner, so Lippmann. Anette Lang treibt in dem Zusammenhang die Sorge um, dass im Rahmen der derzeitigen Diskussion um Sozialausgaben Fördergelder gestrichen werden: „Ich hoffe sehr, dass Politik und Gesellschaft weiter bereit sind, in die Förderung von Menschen zu investieren.“
Das BAZ Esslingen – eine Erfolgsgeschichte
Zu den Maßnahmen des Beruflichen Ausbildungszentrums Esslingen zählen die Berufsorientierung und -findung an Schulen, die Berufsvorbereitung (ein Jahr), die Berufsausbildung, die hauseigene Johannes-Landenberger-Schule (Sonderberufs-/Sonderberufsfachschule) sowie Projekte zur (Wieder-)eingliederung.
Über die Jahre gab es 1830 Teilnehmende in der Berufsvorbereitung, 1268 junge Menschen haben eine Ausbildung abgeschlossen. Die Vermittlungsquote in Arbeit liegt die letzten 30 Jahre im Schnitt bei 78 Prozent. 2750 arbeitssuchende Menschen wurden begleitet. Insgesamt wurden 12.111 Schüler und Schülerinnen im Landkreis begleitet, davon 1184 in Einzelbegleitung.
Heute engagieren sich rund 65 Mitarbeitende in einem breiten Spektrum an Angeboten: 127 Ausbildungsplätze, 71 Plätze in der Berufsvorbereitung, 101 Aktivierungsplätze sowie Unterstützung für jährlich rund 400 Schülerinnen im Übergang von der Schule in den Beruf.
Beim BAZ-Berufetag am Mittwoch, 3. Dezember, ab 9 Uhr im BAZ Esslingen können Interessierte in die Berufsfelder Holz, Lager, Verkauf, Hauswirtschaft, Küche sowie Metall- und Fahrzeugtechnik hineinschnuppern. Neben Mitmach-Angeboten gibt es Infos, auch für Lehrkräfte. Wissenswertes unter: www.baz-esslingen.com. eis

