Tradition
„Kelten kennen keine Kälte“

Wie die antike Volksgruppe einst den Winter begrüßte, konnten Interessierte am Samstag auf der Pfulb bei Lenningen erleben. Die Gruppe Riusiava schlug dort ihr Lager auf. 

Phelan (links) zeigt den Pferdeschwanz am Bronzehelm des „Elitekriegers“ Dearbhail. Foto: Evelyn Scheer

Das nasskalte Wetter schafft eine mystische Atmosphäre, die zu Samhain passt. Das Keltenfest läutet den Winter ein und öffnet angeblich den Toten das Tor zu den Lebenden. Über der Pfulb breitet sich am Samstag zäher Hochnebel aus, immer wieder fegen eisige Böen übers Festgelände, leichter Nieselregen fällt. Wie gut, dass die keltische Reenactment-Gruppe Riusiava es versteht, den Gästen einzuheizen.

Flammen lodern in den Feuerschalen, an denen sich die Besucher wärmen können. Rauchwolken ziehen wie in alten Zeiten durch das Lager. Das gemeinnützige Inklusionsunternehmen Arbeg, das zu der Veranstaltung eingeladen hatte, kredenzt Kelteneintopf, Kürbissuppe und Stockbrot. „Keltenkrieger“ Phelan schenkt Met aus, den er aus eigenem Honig nach altem Rezept selbst herstellt. Im realen Leben heißt der „Heerführer“ Helmut Fischer und ist der Organisator des keltischen Treibens auf der Pfulb. Ihm zur Seite steht Joachim Erbe alias „Krieger“ Dearbhail. Dass nicht nur Männer kämpfen können, beweisen die Schwestern Kaja (16) und Lola (21) vom Ammersee. Ausgerüstet mit Lanze, Schwert und Schild liefern sie sich einen spannenden Schaukampf, den ihr Großvater Klaus Reim aus Denkendorf mal lachend, mal etwas besorgt kommentiert.

Handwerk heizt ein

Warm wird den Gästen zudem bei den handwerklichen Tätigkeiten. Mit großem Eifer schnitzen die Kinder aus Kürbissen gruselige Gestalten. So wie die achtjährige Nika aus München, die mit ihren Großeltern aus Kirchheim gekommen ist. Unter der Anleitung von Dieter Hallerbach alias „Müller“ Danuvius dürfen Groß und Klein mit eigener Muskelkraft am Drehmühlstein Getreide zu Mehl mahlen. Sie staunen, wie schwer das ist. Viel Geduld ist beispielsweise bei der Herstellung eines Kettenhemds gefragt. Marc Meier arbeitet schon seit drei Jahren an seinem Exemplar. Normalerweise gilt die Faustregel: „Ein Mann, ein Jahr, ein Kettenhemd“, lacht er. Je nach Leibesfülle und Größe sind bis zu 30.000 Ringe notwendig. Kein Wunder also, dass ein Kettenhemd 15 Kilo auf die Waage bringen kann. Doch der Aufwand ist es wert, denn das ungewöhnliche Kleidungsstück schützt vor feindlichen Waffenhieben.

Seit diesem Jahr ist Riusiava mit einer sogenannten Carnyx ausgestattet, einer keltischen Kriegstrompete, die geblasen wurde, um den Feind einzuschüchtern, erklärt Phelan. „Die Römer haben richtig Angst gehabt, wenn der Ton aus dem Wald kam.“ Heute ertönt sie, um die Gäste an den Ort des Geschehens zu lotsen, wie etwa zur Modenschau. Die Keltengruppe präsentiert eigens von Hand gefertigte Mode aus der Zeit um 100 vor Christus. Den Anfang macht Marc, ein einfacher Kelte. Er trägt eine rote Tunika, die etwas kurz geraten ist. „Kelten kennen keine Kälte“, scherzt er. Als Gürtel dient ein normales Seil, für die kälteren Tage hat er dennoch einen braunen Wollumhang, ein Sagum, wie es auf Keltisch heißt. „Bogenbauer“ Sedos trägt das grüne Gewand des Jägers. „Pfeil und Bogen wurden bei den Kelten hauptsächlich bei der Jagd benutzt“, sagt Phelan. Es folgt ein Händler, der im richtigen Leben auf den Namen Rafael Schuster hört und als Kelte „ein bisschen mehr Geld hatte“. Erkennbar ist der Reichtum am großen Geldbeutel, an den Farben, an der Glasperlenkette und der aufwendig gearbeiteten Spange, die das Sagum zusammenhält. Mit einem Kampfschrei stimmt der „Elitekrieger“ Dearbhail auf sein Gewand ein. Er trägt ein Kettenhemd und einen Bronzehelm mit einem Pferdeschwanz. „Das sind die Haare von den abgeschlagenen Köpfen der Feinde“, erklärt Dearbhail, was von den Kindern mit lautem Gelächter quittiert wird. Phelan selbst ist gewandet mit einem Lederpanzer und einem Porthelm.

Brennende Pfeile fliegen

Schließlich kommen die Pfeile und Bogen zum Einsatz, die Sedos alias Friedrich Zeiler angefertigt hat. Fünf Schützen schießen mit brennenden Pfeilen auf gestapelte Heuballen, die schon bald lichterloh brennen. „Es war schön hier, alles lief rund“, resümiert der Veranstalter Alexander Riefler. Auch wenn ihnen das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte und statt der erwarteten 500 Besucher nur etwa 200 bis 300 kamen.