Alufolie ab, Agraffe aufdrehen, Korken knallen lassen und der Sekt sprudelt. Drei Handgriffe, die seit Generationen die besonderen Anlässe des Lebens begleiten: Silvester, Abschlüsse, Jubiläen. Ein Ritus, der den Wert eines Moments widerspiegelt – auch in monetärer Hinsicht. Die sogenannte Kapsel, die Aluminiumfolie um den Korken, ist nämlich ein Qualitätsmerkmal für Schaumwein, Qualitätsschaumwein und aromatischen Qualitätsschaumwein, also den guten und meist etwas teureren Stoff. Bisher war dies ein durch EU-Verordnung verpflichtendes und geschütztes Merkmal. Seit dem 8. August ist diese Verordnung zum Teil Geschichte: Zwar dürfen weiterhin nur Schaumweinhersteller eine Kapsel verwenden, aber sie müssen die pilzförmigen Korken nicht mehr umwickeln.
Christopher Baur, Geschäftsführer der Sektkellerei Kessler, steht dieser Neuerung offen gegenüber. „Die Kapsel hat zwar die Funktion, die Gattung Schaumwein zu schützen, aber sie ist eben nicht nachhaltig.“ Eine Diskussion um die Folie gibt es bereits seit Jahren. Einige deutsche, französische und italienische Winzer, die gerne aus Umweltschutzgründen auf die Alufolie verzichten wollten, klagten erfolglos. Nachdem jedoch ein Ministerium aus Italien bei der EU einen Änderungsantrag gestellt hat, stimmte die EU-Kommission zu und leitete eine Änderung ein. Alexander Tacer, Geschäftsführer des Deutschen Sektverbandes, sieht das kritisch: „Die Vorschrift wurde vor etwa 30 Jahren europarechtlich verankert, um eine Abwertung der Produktkategorie durch den Vertrieb minderwertiger Nachahmer-Produkte in der bekannten Schaumweinausstattung zu verhindern.“ Als Verband sei es ihnen wichtig, „dass die traditionelle und als Qualitätsmerkmal von Verbraucherinnen und Verbrauchern gelernte Schaumweinausstattung weiterhin als Orientierungshilfe dient“.
Ein Vorteil sehe Tacer jedoch in der potenziell steigenden optischen Vielfalt am Markt. Die Designmöglichkeiten würden wachsen. „Konsumentinnen und Konsumenten müssen unter Umständen also genauer hinschauen, ob sie bei einer kapsellosen Sektflasche auch wirklich einen Sekt in den Einkaufskorb legen“, sagt der Sektexperte.
Noch kein konkreter Plan
Kessler-Chef Baur hat volles Verständnis für die Argumentation der klagenden Winzer. Einen konkreten Plan, wie Kessler mit diesem Thema umgehen werde, gebe es allerdings noch nicht. „Wir haben uns bisher eben ans gültige Recht gehalten und die Kapsel draufgemacht.“ Bis vor ein paar Jahren habe er die Kapsel schlicht als gegeben angesehen und sich keine Gedanken darüber gemacht, da es schon immer so gewesen sei. Trotzdem sei es kein Thema, dass das Unternehmen auf die leichte Schulter nehmen würde. „Wir werden uns hinsetzen und schauen, wie wir mit damit umgehen.“
In puncto Umweltschutz gebe es derzeit viele Themen, die die Branche beschäftigen würden. Der größte Energiefresser in der Sektindustrie seien schon immer die Glasflaschen gewesen. Es gehe um die Frage, wie weit man mit dem Gewicht der Flaschen runtergehen könne, sodass diese dem Druck des Sektes noch standhalten würden. „Im Rohsektbereich müssen die Flaschen sechs bis sieben Bar aushalten.“ Dies sei die größte Stellschraube, mit der man energie- und ressourcenschonender arbeiten könne.
Daneben beschäftige man sich beispielsweise mit den Etiketten, da diese bei Sektflaschen teilweise aus Plastik seien oder alternativ aus Papier, das überlackiert werde. „Bei Sekt müssen die Etiketten besonders gut halten, da die Flaschen oft in Eiswasser gelegt werden. Im Detail findet man immer Ansatzpunkte, wie umweltverträglicher gearbeitet werden kann.“
In Relation zu anderen Ansatzpunkten ist laut Sektverbandschef Tacer der umweltschonende Effekt durch das Weglassen der Folie gering. Zudem gebe es Alternativen: Da die Verordnung keine Längenvorgabe vorsehe, könnten kürzere Folien verwendet werden. Und wer aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes gänzlich auf Aluminium verzichten wolle, könne alternative Materialien verwenden, da der Gesetzgeber keine Vorgaben zu der Art des Folienmaterials machen würde.
Für den Sektverband ist die Kapsel auch sicherheitsrelevant: „Wie bei einem unversehrten Siegel erkennt der Verbraucher an einer eng anliegenden Folie über Agraffe und Stopfen, dass an der Agraffe nicht manipuliert wurde“, erklärt Tacer. Da eine Schaumweinflasche unter großem Druck stehe, bestehe zudem latent die Gefahr, dass sich der Stopfen unkontrolliert löse und der Schaumwein explosionsartig aus der Flasche austreten könne.