Bei Ausgrabungen im Zuge der Bebauung des Gebiets „Am Wasen“ wurden knapp 300 Kindergebeine gefunden. Grund ist ein Kinderfriedhof, der auf der dortigen Fläche lag. Mit einer kleinen Trauerfeier wurden die Gebeine am gestrigen Montag auf dem Alten Friedhof beigesetzt und konnten nun in der Nähe ihrer Eltern Ruhe finden.
Die letzte Trauerfeier auf dem Alten Friedhof in Nürtingen liegt viele Jahre zurück. Mittlerweile finden die Verstorbenen ihre Ruhe auf dem Waldfriedhof. Für eine ganz besondere Beisetzung wurde am Montag jedoch eine Ausnahme gemacht.
Die Bebauung des Gebiets „Am Wasen“ greift unter anderem auch in den Bereich der Siechenkapelle und des Siechenhauses ein. Bei dortigen archäologischen Grabungen stießen die Verantwortlichen auf die Gebeine von knapp 300 Kindern. „Überraschend ist das nicht“, so Uwe Beck, der Vorsitzende des Schwäbischen Heimatbundes Nürtingen: „Auf diesem Gebiet lag ab 1833 ein Kinderfriedhof, der über viele Jahrzehnte benutzt wurde.“
Es galt nun, den Kindern die letzte Ehre zu erweisen. Ursprünglich planten die Investoren des Baugebiets, die Gebeine zu kremieren und anonym auf dem Waldfriedhof beizusetzen. Der Schwäbische Heimatbund machte sich jedoch dafür stark, beim Finden einer letzten Ruhestätte auch auf die historischen Umstände Acht zu geben.
„Es war uns wichtig, dass die Kinder dort begraben werden, wo auch ihre Eltern liegen“, sagte Beck. In einem Totenbuch sind die Namen der Kinder sowie Todesdatum und Ursache vermerkt. Darunter auch viele Nachkommen großer Nürtinger Persönlichkeiten. „Es sind Familiendramen und Schicksale, die mit diesen Einträgen verbunden sind“, sagte Sigrid Emmert vom Schwäbischen Heimatbund Nürtingen. Dies sei nur einer der Gründe für die Bemühungen gewesen, die Investoren des Baugebiets von einer würdigen Beisetzung zu überzeugen.
Da es bei Kinderbeerdigungen der damaligen Zeit Brauch war, dass ein Kinderchor die Beisetzung begleitet, sang eine kleine Gruppe unter der Leitung von Bezirkskantor Hanzo Kim. Für die musikalische Untermalung sorgte der Trompeter Hans Peter Bruck.
„Eine Lösung zu finden, war nicht leicht“, sagte Oberbürgermeister Johannes Fridrich: „Es war mir jedoch ein großes Anliegen, ein würdiges Begräbnis für die Kinder zu veranstalten. Ich bin daher sehr glücklich, dass es in diesem schönen Rahmen geklappt hat.“ Da der Alte Friedhof nicht mehr für Bestattungen zugelassen sei, habe es einer grundlegenden rechtlichen Prüfung bedurft. „Wir Menschen tun uns oft schwer, anderen Platz zu machen“, sagte Pfarrer Markus Lautenschlager in seinem Bestattungswort: „Doch das Leben ist in einem ständigen Fluss. In gewisser Weise haben diese Kinder nun ihren Platz geräumt, damit andere Kinder dort in Zukunft spielen, lachen und glücklich sein können.“