Kirchheim. Ab dem Jahr 2017 wird Kirchheim hundert Prozent öko, zumindest was den Strom betrifft. Ende Januar beschloss der Technik- und Umweltausschuss des Kirchheimer Gemeinderats die Neuerung fürs kommende Jahr – und zwar einstimmig mit zwei Enthaltungen. Diese Zustimmung erstaunte den Energiebeauftragten Marcus Miller, gab es doch in den vergangenen Jahren immer wieder heftige Debatten um das Thema.
Entscheidungen immer nur nach dem Kriterium „möglichst billig“ zu treffen, das sei nicht vereinbar mit den selbst gesteckten Zielen, meint der Fachmann. Das gilt speziell für das Kirchheimer Klimaschutzkonzept, das eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 37 Prozent bis 2030 vorsieht. Die Umstellung auf die hundertprozentige Ökostromversorgung wird die Stadt jährlich 12 700 Euro mehr kosten.
Die Lieferanten des neuen Stroms stehen laut Marcus Miller noch nicht fest. Möglicherweise beauftragt die Stadt auch mehrere Ökostrom-Anbieter, im Moment seien vier Lieferanten im Gespräch. Klar ist bereits, dass die neuen Verträge eine sogenannte „Neuanlagenquote“ beinhalten. Das heißt, dass mindestens ein Drittel des Stroms aus Kraftwerken kommen muss, die höchsten sechs Jahre alt sind, ein weiteres Drittel aus Anlagen, die höchstens zwölf Jahre alt sind, beim Rest spielt das Alter der Anlage keine Rolle. Die „Neuanlagenquote“ soll sicherstellen, dass der Bau von Windkraft-, Wasser- oder Solaranlagen stetig vorangetrieben wird und somit mehr Ökostrom-Quellen entstehen.
Wer Strom aus Wind, Sonne oder Wasser produziert und ins Stromnetz einspeist – sei es ein Privathaushalt mit Solarzellen auf dem Dach oder ein Betreiber einer Windkraftanlage – wird in den meisten Fällen staatlich gefördert. Betreibern von Ökostrom-Anlagen wird in Deutschland eine Einspeisevergütung für derzeit 20 Jahre garantiert. Strom, der in EEG-geförderten Anlagen produziert wird, darf dabei in Deutschland nicht als zertifizierter Ökostrom vermarktet werden. Eine Zertifizierung des Ökostroms ist jedoch notwendig, um unter anderem die Herkunft des Stroms sicherstellen zu können. Kirchheim wird daher sehr wahrscheinlich Strom aus dem Ausland beziehen. Eines der größten europäischen Erzeuger- und Exportländer von Strom aus Wasserkraft ist Norwegen.
Das heißt aber nicht, dass der Strom ab dem Jahr 2017 zwangsläufig aus Norwegen kommt. Vermutlich handelt es sich dabei auch nicht direkt um Ökostrom, sondern um Strom aus den nahegelegenen Quellen – also dem Steinkohlekraftwerk in Altbach oder dem Kernkraftwerk Neckarwestheim. Mit dem Kauf von Ökostrom garantiert ein Anbieter lediglich den „fiktiven“ Stromfluss, also die Einspeisung derselben Menge Ökostrom ins Stromnetz, die ein Kunde, also die Stadt Kirchheim, verbraucht. Dieses Verfahren wird auch „Händlermodell“ genannt.
STROMVERBRAUCH
7,3 Millionen Kilowattstunden sind im Jahr 2014 insgesamt aus den öffentlichen Steckdosen in Kirchheim geflossen, wie zum Beispiel in Schulen, Kindergärten oder Verwaltungsgebäuden. Fast ein Drittel des gesamten städtischen Stromverbrauchs entfällt auf die Straßenlaternen.