Kirchheim gehört in eine Reihe mit den großen Metropolen Europas! Leicht übertrieben ist das schon, in diesem Fall aber trotzdem nicht ganz falsch. Die Stadt Trier feiert ab 5. Mai den 200. Geburtstag ihres größten Sohnes: des Philosophen Karl Marx, der die politische Welt des 20. Jahrhunderts prägen sollte wie kein anderer seiner Fachkollegen.
Und wie heißt es in einer Pressemitteilung dazu? „Namhafte Museen und Institutionen aus aller Welt haben Leihgaben zur großen Landesausstellung ,Karl Marx. 1818 - 1883. Leben. Werk. Zeit.‘ in Trier zugesagt. So stellen etwa das Musée d’Orsay aus Paris, das Victoria & Albert Museum in London und die Eremitage in Sankt Petersburg Ausstellungsstücke für die Jubiläumsschau zur Verfügung.“
Niemand wird sich wundern, wenn diese drei Museen mit Exponaten aushelfen. Umso mehr aber dürfte manch einer darüber staunen, dass auch das Städtische Museum im Kornhaus zu den Leihgebern zählt. Was hat Kirchheim denn bitteschön mit Karl Marx zu tun?
Natürlich nichts. Zu Zeiten des Kalten Kriegs wurde er hier offiziell so wenig verehrt wie irgendwo anders im Westen. Die Stadt hat sich auch nicht darum bemüht, Devotionalien des berühmtesten Rauschebarts der Weltgeschichte zu sammeln. Und weil Karl Marx sich eher an Mosel, Rhein, Spree, Seine oder Themse aufgehalten hat als an Lindach und Lauter, gibt es weder in seinem Leben noch in seinem Werk einen wirklichen Bezug zu Kirchheim.
Aber für seine Zeit - und damit letztlich auch für sein Leben und Werk - waren vor allem die Jahre 1848/49 von Bedeutung. Es waren die Jahre revolutionärer Umwälzungen, die Jahre der ersten deutschen Demokratieversuche, die Jahre, in denen die Deutschen um Freiheitsrechte kämpften - auch um so gegensätzliche wie die Pressefreiheit und das Recht, Waffen zu tragen.
Die Pressefreiheit hat damals auch Karl Marx verfochten - als Herausgeber und Chefredakteur der Neuen Rheinischen Zeitung. Und das Recht, Waffen zu tragen, war unter anderem in Kirchheim ein Thema: Heute vor 170 Jahren, am 12. April 1848, erschien im Amts- und Intelligenzblatt, wie der Teckbote damals noch hieß, ein Aufruf „zu vielseitigem Beitritt zur Sensen=Compagnie“.
Junge Männer sollten sich mit ihren Kampfsensen zum Exerzieren zusammenfinden, um das Vaterland, das „von aussen und innen so vielfältig durch Gefahren bedroht ist“, zu verteidigen. Mit diesen Waffen sind sie ein Jahr später unter Friedrich Tritschler zum Freischarenzug nach Wiesensteig aufgebrochen. Die Kirchheimer Kampfsensen sind also Zeugnisse einer bewegten Zeit - derselben Zeit, in der Karl Marx und Friedrich Engels das Kommunistische Manifest veröffentlichten.