Weilheim und Umgebung
Kleine Krippenfiguren kommen groß raus

Buch In Vera-Maria Schäfers Weihnachtsgeschichte „Bethlehem, Provence“ sind die Zeugen der Geburt Jesu einfache Dorfbewohner aus Südfrankreich. Das macht den besonderen Reiz aus. Von Sabine Ackermann 

Bethlehem liegt in der Provence und Jesus ist in Südfrankreich geboren?! So lautet die Pastorale des Santons de Provence, die südfranzösische Weihnachtsgeschichte. Warum auch nicht? „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“, heißt es in Dierk Schäfers Passage im Buch „Bethlehem, Provence“, geschrieben von seiner Frau Vera-Maria. Ermutigt von dieser Zusage, haben die Menschen immer wieder die Geschichten der Bibel in ihre Sprache übersetzt, in ihre Landschaft, ihren Kulturraum und in ihre Zeit herübergeholt. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Wie so vieles, wurden Ende des 18. Jahrhunderts auch die Santons – übersetzt kleiner Heiliger – aus der Not heraus geboren. In den Wirren der Französischen Revolution durften zu Weihnachten die üblichen großen Krippen nicht mehr in den Gotteshäusern aufgebaut werden. Also bastelten sich die Provencalen eigene Krippenfiguren aus Brotteig, ließen sie trocknen, bemalten sie und bauten in ihren Wohnungen kleine Krippen auf. Daraus entwickelte sich ein eigenes Kunstgewerbe.

Es war Ende der 60er-Jahre, als Vera-Maria Schäfer als Au-Pair ihre Liebe zu Frankreich entdeckte und deshalb den Entschluss fasste, Romanistik und Evangelische Theologie zu studieren. In der Zeit mit ihrer damals 17-jährigen Gasttochter Sophie lernte sie die Santons kennen und lieben. Kleine, naive, bunt bemalte Tonfiguren von schlichter Anmut, „eine Mischung aus Kunstgewerbe und Folklore“, deren Charme sich die 75-Jährige bis heute nicht entziehen kann. „Die Idee, die Santons lebendig auf die Bühne zu bringen, kam von meinem Mann Dierk“, verrät die Bad Bollerin. Jedoch, bevor dies umgesetzt werden konnte, bedurfte es gewissenhafter Recherchen. Text und Noten aufzutreiben war schwierig. Zwar gab es viele Franzosen, die von der Pastorale gehört hatten, doch ihre Hilfsbemühungen scheiterten. „Weder der Bischof von Montpellier noch der Abt von Arles wurden für uns fündig“, berichtet der 77-jährige ehemalige Polizeipfarrer.

Schließlich besorgte eine Bibliothekarin aus Nîmes einzelne Versatzstücke dieser traditionellen Musik. „Die noch fehlenden Chorsätze, Melodien und Soli wurden von Heinz Spaeth ergänzt“, verrät Vera-Maria Schäfer. Es war ihr ehemaliger Schulleiter des Tübinger Wildermuth-Gymnasiums, von dem die Musik zum Oratorium unter der Verwendung der ursprünglichen Melodien stammt. Die pensionierte Lehrerin übersetzte ins Deutsche und inszenierte nach dem französischen Text „La Pastorale des Santons de Provence“ des Pariser Literaten Yvan Audouard eine Geschichte nah am Original, freilich mit eigenen Figuren und gewissen „Lokalschmankerln“ gewürzt. 1989, vier Tage vor Heiligabend, war in der Tübinger Stiftskirche die Uraufführung, in der auch Sophie aus Frankreich mitwirkte.

Nahezu jedes Jahr kamen weitere Aufführungen oder szenische Lesungen im In- und Ausland sowie bis zu 25 neue Charaktere dazu, mit alltäglichen und amüsanten Geschichten. Die Botschaft: „Andere Menschen zu respektieren und sie freundlicher zu behandeln.“