Nürtingen. „Es ist Abzocke. Da werden Leistungen erschlichen.“ – Jürgen Lange ist hörbar aufgebracht. Sein Besuch in der Nürtinger Medius-Klinik war für den Neuhäuser überraschend teuer. „Dabei habe ich dort nur 16 Minuten geparkt.“ Er habe seine Frau zur Klinik gebracht und sein Auto kurz auf den Parkplätzen vor dem Haupteingang abgestellt. „Laut Schild darf man dort mit Parkscheibe 30 Minuten stehen.“
Als Lange einen Monat später einen Brief vom Parkplatzbetreiber Ambipark bekommt, staunt er nicht schlecht. „Für die 16 Minuten musste ich 1,50 Euro Parkgebühren zahlen und zusätzlich eine Vertragsstrafe von 25 Euro.“
Die Beschilderung stammt noch aus der Zeit, in der es auf dem Parkplatz eine Schrankenregelung gab. Im November wurden die Schranken durch Kameras ersetzt. Diese erfassen das Nummernschild der Autos beim Aus- und Einfahren und ermitteln so die Aufenthaltsdauer. Umsonst sind nur die ersten 15 Minuten Aufenthalt. Jürgen Lange beschwerte sich bei der Stadt Nürtingen. „Dort wusste man von dem Problem, konnte mir aber nicht helfen, weil die Stadt nicht zuständig ist.“ Nachdem er sich bei der Firma Ambipark meldet, wird ihm die Hälfte der Vertragsstrafe erlassen. Dennoch fühlt sich Jürgen Lange betrogen. Kein Einzelfall.
Sandra Kern aus Altdorf hat Ähnliches erlebt. „In den letzten Wochen waren Besuche im Krankenhaus notwendig. „Das Parken auf dem Säer schien praktisch.“ Bezahlt wird entweder vor Ort am Automaten, innerhalb von 48 Stunden online auf www.autopay.io oder per Rechnung – so die Optionen auf der Internetseite des Anbieters „Autopay“. Wer sich für die Zahlung auf Rechnung entscheidet, muss zusätzlich eine „Rechnungsgebühr“ zahlen, heißt es auf der Seite. „Für mich war die Angelegenheit klar“, sagt Sandra Kern. „Ich ging aus Zeitmangel den bequemen Weg und dachte, ich warte auf die Rechnung und nehme die Bearbeitungsgebühr in Kauf.“ Die Bearbeitungsgebühr entpuppt sich als Vertragsstrafe. „Auf drei Euro Parkgebühr pro Vorgang kommen 25 Euro Vertragsstrafe“, sagt sie. „Weder die Medius-Klinik noch die Stadt Nürtingen und auch das Landratsamt fühlen sich zuständig“, so Kern. „Ich fühle mich als Bürgerin ziemlich ungerecht behandelt.“
Es gibt kein Rückgeld
Die Vertragsstrafen und eine falsche Beschilderung seien aber nicht die einzigen Probleme auf dem Parkplatz. Wer seine Gebühren bar am Kassenautomaten bezahlen möchte, muss den Betrag passend dabeihaben, denn Rückgeld gibt es keines. Dass es Probleme mit dem Klinikparkplatz gibt, ist auch der Stadt Nürtingen nicht entgangen. „Bei uns sind zahlreiche Beschwerden eingegangen“, sagt Pressesprecher Clint Metzger: „Kollegen vom Ordnungsamt stehen bereits intensiv in Kontakt mit der Betreiberfirma, um eine Lösung zu finden.“ Für die irreführende Beschilderung auf dem Parkplatz sei die Firma Ambipark verantwortlich. „Wir hatten aber bereits im November 2022 Vorschläge zur Beschilderung unterbreitet“, so Metzger.
Laut Thomas Veith, Geschäftsführer von Ambipark, erhält das Unternehmen aktuell wöchentlich rund zehn Einsprüche gegen verhängte Vertragsstrafen. Der Einfachheit halber sei auf der Seite von „Autopay“ von einer „Rechnungsgebühr“ und nicht von einer „Vertragsstrafe“ die Rede. „Bei ‚Autopay‘ handelt es sich um eine globale Plattform, die in vielen Ländern von verschiedenen Betreibern genutzt wird. Entsprechend sind die Formulierungen neutral und allgemeingültig gefasst“, so Veith.
Und was hat es mit den falschen Parkschildern auf sich? „Die Schilder stammen noch aus der Zeit, in der wir mit Schranken gearbeitet haben“, so Veith. Grundsätzlich gelten die an den Einfahrten ausgewiesenen Bedingungen und Gebühren, so Veith. Hier ist ausgewiesen, dass die ersten 15 Minuten kostenfrei sind. Man werde die älteren Schilder aber entfernen.
Dass die Bezahlautomaten kein Wechselgeld geben, sei beabsichtigt. Banken verlangten hohe Summen für die „Entsorgung“ der Münzen. Außerdem sei die Bargeldverarbeitung sehr störanfällig. Dennoch reagiert man nun auf die Beschwerden. In der kommenden Woche soll ein Münzwechsler im Eingangsbereich der Klinik aufgestellt werden. Für Jürgen Lange ein schwacher Trost. „In keinem anderen Krankenhaus im Raum Esslingen ist uns so etwas passiert.“ Matthäus Klemke