Weilheim · Lenningen · Umland
Knallrote Weihnachtssterne auf 300 Quadratmetern

Pflanzen Michael Thiel ist einer der letzten Gärtnermeister in der Umgebung, die Weihnachtssterne kultivieren. Doch die Nachfrage geht zurück. Von Marion Brucker

Montag und Freitag ist Auslieferungstag. Dann fährt Michael Thiel zu Blumengeschäften in Esslingen, Wernau und Wendlingen, um ihnen Weihnachtssterne zu bringen. „Start ist immer rund sechs Wochen vor Weihnachten“, sagt er. Hauptsaison sei bis eine Woche vor dem Christfest. Er öffnet die Türen eines der Gewächshäuser, in dem seit Juli die Pflanzen in seiner Gärtnerei in Esslingen-Hegensberg kultiviert wurden. Ein Meer roter Blütensterne leuchtet dem Besucher entgegen. „Rot ist die Hauptfarbe“, erklärt der 58-jährige Gärtnermeister. Er führt in vierter Generation den 1918 gegründeten Betrieb. Seine Frau ist für das Blumenfachgeschäft Thiel mit zwei Floristinnen verantwortlich, Thiel kümmert sich mit Gärtner Erich Rominger und Friedhofsgärtnerin Linda Bischof um die zehn Gewächshäuser mit rund 2000 Quadratmetern Fläche. In zweien davon kultivieren sie Weihnachtssterne.

 

Start ist immer rund sechs Wochen vor Weihnachten.
Michael Thiel über die Hauptsaison der Weihnachtssterne

 

Vor rund 30 Jahren hat sein mittlerweile verstorbener Vater Willi Thiel damit angefangen. Doch das Geschäft mit der Zimmerpflanze sei rückläufig. Nicht in seinem Blumenfachgeschäft selbst, sondern wegen weniger Veranstaltungen. Thiel erzählt, dass früher Städte und Gemeinden bei Weihnachtsfeiern Mitarbeitenden einen Weihnachtsstern schenkten und dieser auch als Tischschmuck bestellt wurde. Dies sei immer weniger der Fall. „Corona hat noch eines obendrauf gesetzt“, sagt Thiel. Um rund ein Drittel sei der Umsatz mit der Pflanze in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangenen, meint er. Deshalb hat er die Fläche für die Weihnachtssterne von 550 Quadratmetern im Jahr 2000 auf 300 Quadratmeter reduziert. Neben roten Pflanzen gedeihen dort reinweiße, creme-, rosa- und pinkfarbene. Außer ihm kultivieren in der Gegend Blumen Schmauk in Köngen und das Gartencenter Knauss in Weinstadt-Strümpfelbach. Hansjörg Schmauk liefert ebenfalls regional und hat wegen gestiegener Heizkosten das Kultivieren reduziert, Knauss liefert mehrere 10 000 Pflanzen bundesweit. Montag habe er wegen großer Nachfrage den Großhandel geschlossen, sagt Inhaber Dieter Knauss und fügt hinzu: „Die kleine Freude würden sich die Leute gönnen und eher beim Thermomix oder Reisen sparen.“

Bei Thiel ist Rominger für das Kultivieren zuständig. Das bedeutet, er züchtet nicht die Pflanzen aus Samen oder Stecklingen, sondern erhält sie als bewurzelte Jungpflanzen von einem Züchter aus Deutschland. Diese kämen mit Linienflügen aus Kenia oder Äthiopien in Kästen mit rund 20 000 Pflanzen. In Afrika könnten sie ohne Heizung und Beleuchtung wachsen. Rominger säubert und desinfiziert zuerst die Kulturflächen, verarbeitet die Jungpflanzen nach Erhalt sofort, topft sie ein und stellt sie ins Gewächshaus. Am Anfang würden sie mehrmals täglich mit Klarwasser besprüht, um die Luftfeuchtigkeit im Gewächshaus zu erhöhen. Sind sie vier Wochen eingetopft, würden sie durch ein sogenanntes Ebbe-und-Flut-System von unten bewässert. Ab September stellt Thiel die Gewächshaustemperatur auf 17 bis 19 Grad zurück. Gerade darin sieht er einen der Unterschiede zur Massenkultivierung der Pflanzen. Diese würden schneller und wärmer auf geringerer Fläche kultiviert. Thiel weist auf seine Pflanzen, die locker nebeneinander stehen. Er nimmt einen seiner größten Weihnachtssterne und zeigt auf die Stängel. „Die ganze Pflanze wächst langsamer und kompakter und wird damit stabiler und gesünder“, meint er. Außerdem liefere er seine Pflanzen direkt vom Gewächshaus in rund acht Blumenfachgeschäfte in der Gegend. Sie würden daher nicht in Großmarkthallen zwischengelagert und in Plastik zum Schutz der farbigen Hochblätter verpackt. Würde eines abgeknickt und die weiße Flüssigkeit der Pflanze trete aus den Stängeln aus, hinterlasse diese Flecken auf der Blüte. Deshalb ist bei ihm das Ausliefern Chefsache.

 

So gedeiht der Weihnachtsstern

Die hübsche Pflanze gehört zu den Wolfsmilchgewächsen. Die bunten Sterne sind farbige Hochblätter, dazwischen sitzen die Blüten. Sie sollten beim Einkauf frisch aussehen. Die weihnachtliche Pflanze ist gegen Zugluft und Kälte empfindlich. Thiel rät, ihn nicht direkt über Heizkörpern oder auf die Fußbodenheizung zu stellen, sondern rund 20 Zentimeter Platz zwischen Pflanze und Boden zu lassen und nicht ganz austrocknen zu lassen. Die Pflanze wird eine weitere Saison farbig, wenn sie Anfang März leicht zurückgeschnitten und während des Sommers bei rund 20 Grad hell gestellt wird. Ab Oktober darf sie nach 16.30 Uhr kein Licht mehr bekommen. Die Blätter verfärben sich erst, wenn die Tage unter zwölf Stunden lang sind. mb