„Amazon hier???“, lautete die Aufschrift eines Banners, welches ein Feld in Hengen zierte. Mehrere Bürger hatten es gemeinsam aufgehängt, um auf den Diskussionsbedarf aufmerksam zu machen. Doch stattdessen schien das Transparent einigen wohl eher ein Dorn im Auge, nach wenigen Stunden war es nämlich wieder verschwunden. Laut Hermann Kiefer, Hengener Bürger und Mitinitiator der Banneraktion, wurde es von Ortsvorsteher Gerhard Strooß und Bad Urachs Bürgermeister Elmar Rebmann abgehängt.
Die Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets in Richtung B 28 ist längst beschlossene Sache. Bisher war die Fläche, die sich im Besitz der Stadt Bad Urach befindet, an Hengener Landwirte verpachtet. Die Pachtverträge wurden inzwischen gekündigt. Schon vor einiger Zeit seien dann verschiedene Äußerungen gefallen, sagt Kiefer, etwa von Elmar Rebmann, dass es finanziell für Bad Urach zukünftig nicht schlecht aussehen würde. Andere hätten von einer größeren Firma gesprochen, die hier eventuell ansässig werden würde, erinnert sich Kiefer. Als schließlich der Name Amazon fiel, habe Kiefer an verschiedenen Stellen nachgefragt, auch bei mehreren Stadträten. Auf die Anfragen erhielt er zwar keine Bestätigung, es gab aber auch kein Dementi.
Hermann Kiefer kam an weitere Informationen, welche die Vermutungen über die Pläne seitens der Stadt und Amazon bestätigen würde. „Nach einigen Telefonaten war es klar“, so Kiefer. Zudem habe er in Erfahrung gebracht, dass schon konkrete Pläne vorliegen.
Schweigen auf viele Fragen
Seit etwa zwei Jahren würden im Gemeinde- und im Ortschaftsrat bereits Verhandlungen über ein mögliches Amazon-Lager stattfinden, allesamt in nicht öffentlichen Sitzungen. Hier liege ganz klar das größte Unverständnis in der Hengener Bevölkerung, erklärt Kiefer. Sie fänden es „unmöglich“, dass ein solches Vorhaben nicht öffentlich diskutiert werde. Mit einer Grundstücksfläche von etwa 4,6 Hektar – mehr als die Hälfte der Gewerbegebietserweiterung – handelt es sich keineswegs um ein kleines Unterfangen. Wird das Amazon-Gebäude hauptsächlich KI-betrieben sein? Entstehen hier Arbeitsplätze? Wenn ja, wie viele? Wie groß wird das vermehrte Verkehrsaufkommen sein? – Fragen, die auch die Bürger interessieren. Nicht zuletzt würde eine Ansiedlung durch Amazon auch „die Art und Zusammensetzung des hier gewünschten Gewerbes stark beeinflussen“. Eine Tatsache, die Kiefer Ende Juli in einem Schreiben an Elmar Rebmann erwähnte. Eine Antwort blieb, wie auch von den Stadträten, bisher aus.
Grund für die fehlenden Aussagen seitens der Räte und der Verwaltung ist wohl eine von Amazon gewünschte Verschwiegenheitsverpflichtung in den bestehenden Vorverträgen. Das würde bedeuten, die Bürger erfahren erst, wenn alles unter Dach und Fach, was genau auf der Hengener Gemarkung geschehen wird. Hermann Kiefer und weitere Bürger möchten das verhindern. Dabei gehe es nicht darum, ob man für oder gegen ein Amazon-Logistikzentrum ist, sondern um die Beteiligung und die Information der Bürger.
Nach der Sommerpause stehen wieder Sitzungen von Gemeinde- und Ortschaftsrat an – öffentliche und nicht öffentliche –, zudem findet am 20. Oktober die Bürgermeisterwahl statt. Im Vorfeld möchte man in Hengen deshalb „erzwingen, dass die weitere Diskussion öffentlich läuft“, wie es Kiefer ausdrückt. Ortsvorsteher Gerhard Stooß wollte sich zum Thema Hengen als neuer Amazon-Standort nicht äußern.
„Wir haben keine Ankündigung zu einem solchen Standort gemacht“, lautet Amazons Antwort auf die Anfrage zu einem möglichen Standort in Hengen. „Amazon investiert weiter in Deutschland, und wir suchen nach neuen Standorten, um unseren Kund:innen weitere Vorteile bieten zu können, wie zum Beispiel eine größere Auswahl und eine schnelle Lieferung“, so der Onlineversandriese.