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Kommt die zweite Entlassungswelle bei Kesseböhmer?

Konkurs Kommt die zweite Entlassungswelle beim Hersteller von Hubtischen in Weilheim? Diese Frage stellen sich derzeit mehr als 100 Mitarbeitende. Ehemalige kritisieren das Vorgehen und sehen Parallelen zu einer anderen Firma. Von Thomas Zapp

Der Sitz der Firma Kesseböhmer in Weilheim. Foto: Carsten Riedl

Der heutige Freitag ist für die etwas mehr als 100 verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Kesseböhmer in Weilheim eine Art Schicksalstag: Es geht um nicht weniger als ihre Arbeitsplätze. Der Betriebsrat der Kesseböhmer Produktions GmbH, die im September 2023 in ETP Energietechnik Produktions GmbH umfirmiert wurde, verhandelt mit der Sanierungsgeschäftsführung und Vertretern der Unternehmensgruppe.

Unterdessen hat die Leitung der Firmengruppe in Bad Essen (Landkreis Osnabrück) bekräftigt, dass eine Schließung des Betriebs in Weilheim nicht geplant ist. Vielmehr habe sich die Unternehmensgruppe Kesseböhmer selbst bereit erklärt, als möglicher Investor bereitzustehen, „obgleich das zunächst nicht geplant war“, heißt es in der Meldung.

 

Unruhe in der Belegschaft

Gerüchte über eine Auflösung des Standorts, an dem der Spezialist für Beschläge und Küchenzubehör höhenverstellbare Tische herstellen lässt, machen bereits seit Monaten die Runde. Seit Dezember 2023 befindet sich die EPT in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Ein Interessant aus der Schweiz hat zurückgezogen. „Trotz intensiver Bemühungen aller Beteiligten hat der zunächst vielversprechende Interessent aufgrund der momentan Gesamtwirtschaftslage sowie der hohen Produktionskosten bei zurückhaltender Nachfrage sein Angebot zurückgezogen“, wird Sanierungsgeschäftsführerin Tamara Kaes in der Pressemitteilung zitiert.

Aber: Weitere Stellenkürzungen schließt sie trotz des Engagements von Firmenchef Oliver Kesseböhmer nicht aus. Die ersten Entlassungen hat es schon gegeben. In einer ersten Kündigungswelle vor rund drei Wochen wurden mehr als 90 Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft überführt. Ein Betroffener erzählt, dass er dadurch auch keine Abfindung erhält, nach mehreren Jahrzehnten Betriebszugehörigkeit. Dabei wurde von der Belegschaft seit dem Jahr 2005 zehn Prozent Lohnverzicht eingefordert, „zur Standortsicherung“, wie es hieß. Das lief dann acht Jahre bis zur Entlassung. „Das ist kein soziales Unternehmen“, sagt er und ihn ärgert, das „so etwas möglich ist“. 

Dass nun mit Oliver Kesseböhmer der Geschäftsführer der Muttergesellschaft direkt übernehmen will, erinnert den Mitarbeiter an die ostwestfälische Schwarz Werkzeugbau, die seit 2012 einer Investorengruppe um Oliver Kesseböhmer gehörte, im August 2022 in die Insolvenz in Eigenverwaltung ging und dann zahlreiche Mitarbeiter entließ. Im Dezember desselben Jahres wurde Schwarz dann von der Kesseböhmer-Gruppe übernommen. An dem Prozess beteiligt war damals die Kanzlei Pluta um Rechtsanwalt Stefan Meyer, der nun auch wieder in die Sanierung in Weilheim involviert ist.

Die Schieflage der Produktion in Weilheim will den Mitarbeitern schon länger aufgefallen sein. Unter dem damaligen Gesamtgeschäftsführer Oliver Spahn, der zuvor Geschäftsführer der Vertriebs GmbH und in der Produktion völlig unerfahren war, seien Produkte zu billig verkauft worden. Gleichzeitig seien Ideen und Entwicklungen nicht zu Ende geführt worden, dadurch wiederum seien Außenstände entstanden. Ein anderer Mitarbeiter sprach gegenüber dem Teckboten vom Abstoßen der Elektrosparte, woraufhin Elektromotoren teuer eingekauft wurden, die für elektrisch bedienbare Schreibtische gebraucht wurden. Das Kernprodukt, ein Hubtisch, sei aber nach wie vor patentgeschützt und interessant für die Gruppe. Für den Standort sieht er keine Zukunft. „Diese Betriebsgröße kannst du nicht retten“, glaubt er.

 

Geschäftsführer musste gehen

Im April 2023 wurde Oliver Spahn dann entlassen. „Seitdem hängen wir in der Luft“, sagt eine andere Mitarbeiterin, die ebenfalls nicht genannt werden will. Seit Juni 2023 ist Tamara Kaes die Geschäftsführerin der EPT in Weilheim, dabei handelt es sich um eine externe „Expertin für Restrukturierungen“, wie es auf ihrer Homepage heißt. Falls nun unter ihr wie kolportiert weitere 50 Mitarbeiter entlassen werden sollen, sei die Produktion nicht mehr zu stemmen, da das Gebäude zu groß ist. Eine „bodenlose Frechheit“, nennt es der Mitarbeiter. 

Fast ein Jahr nach der Entlassung des Geschäftsführers geht es nun noch um etwas mehr als 100 Arbeitsplätze, und die will der Betriebsrat möglichst alle erhalten. „Wir wollen keinen aufgeben“, sagt ein Mitglied des Betriebsrats. Nach dem heutigen Freitag wird er zumindest wieder etwas mehr wissen.