Viel Ärger und Verunsicherung haben die ersten Details aus dem Lärmgutachten zur neuen Flugroute in Richtung Süden hinterlassen, die durchgesickert sind. Dass die Debatte die „kommunale Familie“ im Kreis Esslingen spalte, ist für Nürtingens Oberbürgermeister Johannes Fridrich die bitterste Konsequenz. Bei einer Informationsveranstaltung im Nürtinger K3N lotete er mit den Verwaltungschefs der künftig betroffenen Kommunen Möglichkeiten aus, das Vorhaben doch noch zu stoppen. Die Neckartal-Kommunen dagegen begrüßen die Pläne. Sie hoffen auf eine gewisse Entlastung, da sie unter dem Lärm leiden.
Gemeinsam mit Fridrich hatten die Bürgermeister der künftig stark betroffenen Gemeinden Wolfschlugen, Matthias Ruckh, und Sebastian Kurz aus Aichtal eingeladen. Mit auf dem Podium saßen die Bürgermeister Ralf Barth (Denkendorf), Ingo Hacker (Neuhausen), Otto Ruppaner (Köngen) und Gerhard Gertitschke aus Neckartailfingen. Derzeit hoffen die Verwaltungschefs noch auf einen Kompromiss, denn die Gräben, die sich derzeit zwischen den Kreisgemeinden auftun, bereiten allen Sorge. Die verhärteten Fronten sieht OB Fridrich allerdings: „Wenn es nicht anders geht, werden wir eben gerichtlich gegen die Pläne vorgehen.“
Zusammen haben die Kommunalpolitiker ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, das die Lärmbetroffenheit zwischen 6 und 7 Uhr ermitteln sollte. Der Lärmgutachter Markus Petz kam in seiner Expertise zu dem Schluss, dass eine „Umverteilung des Fluglärms“ nicht die Lösung sein könne. Seine Erhebungen haben ergeben, dass die Entlastung für die bereits jetzt betroffenen Kommunen minimal sei – dagegen werden aus seiner Sicht die neu betroffenen Kommunen Nürtingen mit seinen Stadtteilen Hardt und Oberensingen, Wolfschlugen, Aichtal und der südliche Teil Neuhausens gerade in den Morgenstunden vergleichsweise mehr betroffen sein.
„Die Fluglärmsituation am Flughafen Stuttgart verändert sich aufgrund der insgesamt geringen Anzahl von Abflügen auf der Startbahn 07 zum Wegpunkt TEDGO nur unwesentlich“, sagt der Lärmgutachter. Relevante Lärmzunahmen zeigen sich nach Petz’ Worten insbesondere in Neuhausen und den überwiegend bewaldeten Flächen zwischen Wolfschlugen und Unterensingen sowie in Nürtingen. Zwischen 6 und 7 Uhr würden die Menschen in Wendlingen und Esslingen am ehesten entlastet, in Wolfschlugen einige Anwohner hoch mit Fluglärm belastet. Insgesamt betätigten die Zahlen die Aussage von Ostfilderns OB Christof Bolay, dass es sich „im Kern um Verschiebungen im Promillebereich“ handele. Auch Wolfschlugens Bürgermeister Matthias Ruckh sieht damit keine Rechtfertigung für die Flugroutenänderung in Richtung Süden.
Für die Verwaltungschefs der betroffenen Kommunen ist klar, dass sie notfalls auch gerichtlich gegen die Pläne vorgehen werden. Rechtsanwalt Stephan Spilok sieht im laufenden Verfahren vor allem Probleme, was die Kommunikation angeht: „ Das ist ein aus der Zeit gefallenes Verfahren mit großen Transparenz- und Beteiligungsdefiziten.“ Der Anwalt lotete die rechtlichen Rahmenbedingungen einer möglichen Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgerichtshof aus. Aus seiner Sicht hätte eine Klage durchaus Aussicht auf Erfolg. Allerdings überschlug der Anwalt auch die Kosten, die auf die Kommunen und auf mögliche Einzelkläger zukommen könnten.
In seinem Statement am Ende der dreistündigen Veranstaltung verwies Nürtingens OB Johannes Fridrich auf den Vertrauensverlust, den das Fluglärmgutachten verursacht hat. Von den 90 000 Menschen, die entlastet werden sollten, seien nun nur noch relativ geringe Verschiebungen geblieben: „Das rechtfertigt eine Änderung nicht.“
Bürgerinitiativen gegen die neue Flugroute
Vereint Heftig kritisierte Rolf Keck von der Bürgerinitiative „Vereint gegen Fluglärm“ die Berufung von Altbach und Deizisau in die Fluglärmkommission. Trotz gesetzlicher Beschränkungen habe das Land nun zwei Kommunen aufgenommen, die bei der Abstimmung im April „das Zünglein an der Waage“ sein könnten.
Gespalten Die Spaltung der Kommunen in der Flugrouten-Debatte kritisierte der Filderstädter Willfried Nobel. Er hob hervor, dass beim Kampf gegen die Expansion des Flughafens alle an einem Strang ziehen müssten: „Nur so haben sie eine Chance, gegen noch mehr Flugverkehr mobil zu machen.“
Gestoppt „Die Billigflieger müssen gestoppt werden, ebenso wie die Flüge auf der Kurzstrecke“, sagte Steffen Siegel. Der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder ist gegen die Routenänderung: „Durch weniger Flugverkehr können die Menschen auf den Fildern und im Neckartal nachhaltig entlastet werden.“ eli