Mit der Strähne über der Stirn, gepflegtem Vollbart, hypnotischem Latin-Lover-Blick, offenem Hemdkragen und schwarzer Weste hätte er in Dieter Thomas Hecks Hitparade gepasst. Ahmet Safak ist jedoch ein Schlagerbarde, der auch beim baden-württembergischen Verfassungsschutz mit großem Interesse und wenig Begeisterung gehört wird. Der 1962 in Istanbul geborene Künstler trete „seit vielen Jahren regelmäßig auf Konzerten der ADÜTDF in Baden-Württemberg auf“, so die Verfassungsschützer. Die ADÜTDF ist ein Dachverband türkischer Vereine in Deutschland, die eines eint: ihre rechtsextrem-nationalistische Gesinnung. Bekannt sind ihre Mitglieder als „Graue Wölfe“.
Dass Safak gern mit diesen Wölfen heult, hat seinen Grund: Mit Liedtexten „verbreitet und verherrlicht er deren Ideologie“, so der Verfassungsschutz. Ähnlich die deutlich jüngere Sängerin Ümran Gülcan. Auch ihrem Promo-Bild sieht man nichts Rechtsextremes an, mit ihren sanft fliegenden schwarzen Haaren und dezent geschminkt könnte sie einer Castingshow entsprungen sein. Safak und Gülcan sind das Interpretenduo bei einem Konzert, das der Esslinger Verein türkischer Arbeitnehmer am Sonntag im Diamant Eventcenter in Ebersbach veranstaltet, einem privaten, auch für Abibälle oder Familienfeiern beworbenen Veranstaltungsort.
Verein türkischer Arbeitnehmer Esslingen, Deutsch-Türkischer Freundschaftsverein Filderstadt: Die Namen klingen so harmlos wie jener des Dachverbands ADÜTDF, dem die beiden Vereine angehören, der Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine.
Freunde, Idealisten, Arbeitnehmer, Demokraten: Das sind die Schafspelze, in denen die Grauen Wölfe stecken. Manchmal fallen sieben oder mehr Geißlein darauf herein, zum Beispiel der SPD-Politiker Nils Schmid, der sich vom Filderstädter Ortsverein seiner Partei zum Fastenbrechen beim Deutsch-Türkischen Freundschaftsverein mitnehmen ließ: in die Gesellschaft von Leuten, die laut Verfassungsschutz „als inoffizielle Auslandsorganisation der türkisch-rechtsextremistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP)“ deren Interessen in Deutschland vertreten. „Sie verfolgen eine Ideologie, die unter anderem gegen den Gedanken der Völkerverständigung und insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet ist.“
Nicht mehr beim Schwörfest dabei
In Esslingen hat man spät, aber immerhin gemerkt, mit welchem Wolf man da tanzt: Auf Anfrage teilt die Stadt mit, dass der Verein türkischer Arbeitnehmer „nach einer Änderung der Vereinsförderrichtlinien seit dem Jahr 2023 keine Zuschüsse mehr erhält“. Vorher hat er also welche bekommen. Ebenso wie er am Schwörfest und zuvor am Bürgerfest teilnehmen durfte. Auch dem wird nun ein Riegel vorgeschoben: Folglich werden drei bisher teilnehmende Vereine vom diesjährigen Schwörfest ausgeschlossen: die von Milli Görüs betriebene Fatih Moschee, die Kurdisch-Demokratische Gesellschaft und der Verein türkischer Arbeitnehmer, teilt die Stadtsprecherin Nicole Amolsch auf Nachfrage mit.
Eigene Veranstaltungen wie das Konzert sind dem Verein unbenommen. Wählt man die auf der Ankündigung notierte Mobilnummer, meldet sich ein wortkarger Herr. Ob bei dem Konzert rechtsextreme Texte gesungen würden? „Nein.“ Ob es überhaupt politische Inhalte gebe? „Nein.“ Wie viele Besucher erwartet werden? Keine Antwort. Auf die Frage nach seinem Namen legt er auf. Dem Verfassungsschutz zufolge besuchen teils mehrere Hundert Menschen solche regelmäßig veranstalteten Konzerte, die auf Vermittlung „ultranationalistischen Gedankenguts“ an Menschen türkischer Abstammung, möglichst auch Jugendliche, zielten.
Türkischer Rechtsextremismus
In Baden-Württemberg ist laut Verfassungsschutz die Region Stuttgart ein Schwerpunkt des türkischen Rechtsextremismus. Über die Hälfte der landesweit 40 ADÜTDF-Mitgliedsvereine mit insgesamt 2200 Mitgliedern befänden sich in der Region, und diese Vereine seien die aktivsten.
Unter der halben Million Menschen in Baden-Württemberg mit türkischem Migrationshintergrund sind die organisierten Grauen Wölfe eine kleine Minderheit. Ihre Reichweite geht allerdings weiter. Gezielt werden vor allem Jugendliche angesprochen.
Führerkult, Rassismus und Antisemitismus zählen laut Bundeszentrale für politische Bildung zu den ideologischen Grundlagen der Grauen Wölfe. In der Türkei hetzen sie gegen ethnische oder religiöse Minderheiten wie Kurden, Armenier oder Aleviten.