Bei einem mehrstündigen Besuch vor Ort hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für die Ansiedlung der Brennstoffzellenfabrik von Cellcentric in Weilheim stark gemacht. „Das ist nicht nur eine Riesenchance für Weilheim“, sagte er in seiner Rede in der Limburghalle. „Das ist wichtig für das ganze Land Baden-Württemberg.“
Die Brennstoffzelle sei „eine absolute Schlüsseltechnologie für eine klimaneutrale Welt von morgen“, betonte Winfried Kretschmann. „Ich sage das mit aller Dramatik“, so der Ministerpräsident: „Wenn wir in Baden-Württemberg auch zu den Gewinnern gehören wollen – und das wollen wir – dann müssen wir uns richtig anstrengen, die Ärmel hochkrempeln und uns ein Stück weit neu erfinden. Dann müssen wir auch mal springen und mutig sein.“
Die Weilheimer rief er dazu auf, beim Bürgerentscheid zum Gewerbegebiet Rosenloh am 24. April ihre Stimme abzugeben: „Gehen Sie wählen, denn das ist essentiell in einer Demokratie“, sagte er.
Ganz besonders hob er die Bedeutung der Hochtechnologie für das Land hervor. Bisher seien die Verbrenner zentrale Grundlage für den Wohlstand in Baden-Württemberg gewesen. Im Zuge der Transformation der Wirtschaft sei eine Umstellung auf andere Technologien jedoch ein Muss. „Viele Investoren haben in den letzten Jahren damit begonnen, anders zu investieren“, gab der Ministerpräsident zu bedenken und nannte Tesla in Brandenburg, Intel in Sachsen und Northvolt in Schleswig-Holstein. Baden-Württemberg dagegen sei bisher leer ausgegangen.
Mit dem Krieg in der Ukraine und dem Klimawandel gebe es zwei gewichtige Gründe, die Energieversorgung auf ein neues Fundament zu stellen. „Der Krieg zeigt: Wir müssen weg von Putins Öl, Gas und Kohle“, so Kretschmann. „Und der Klimawandel zeigt: Wir müssen überhaupt weg von Öl, Kohle und Gas.“
Der Naturschutz sei ihm – als Grünem und ehemaligem Biologielehrer – seit jeher eine Herzensangelegenheit: „Natürlich müssen wir bedrohte Arten schützen, und natürlich müssen wir den Flächenverbrauch begrenzen.“ Klar sei aber auch: „Klimaschutz braucht Raum.“ Nicht jedes Windrad dürfe mit Blick auf den Arten- und Naturschutz bekämpft werden. Denn: „Wenn der Klimawandel richtig zuschlägt, dann geht auch für die Arten, die wir schützen wollen, das Licht aus.“
Auch die Weilheimer Limburg mit ihren 1400 Streuobstbäumen werde es dann in ihrer heutigen Erscheinung nicht mehr geben. Wenn man nicht schnell genug beginne mit dem Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft, „dann werden diese Flächen weggespült vom Starkregen oder verdorren durch die Hitze.“ Es gelte Ökonomie und Ökologie, Wohlstand und Artenreichtum, Hochtechnologie und Streuobstwiesen zusammenzubringen. „Den Industriestandort und den Naturstandort zu bewahren.“
Ein Paradies zur Obstbaumblütenzeit
Wie reich Weilheim an Natur ist, das weiß der Ministerpräsident nur zu gut. So konnte er von vier Ausflügen berichten, die er zur Limburg unternommen hat. „Zur Obstbaumblüte wohnt ihr im Paradies“, wandte er sich schwärmend an die Bürger des Städtles. Kämen dann noch ein Besuch in der Peterskirche und Tafelspitz in der Ratsstube dazu – „dann ist der Tag gerettet“.
Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle machte klar, dass das geplante Gewerbegebiet Rosenloh und die Ansiedlung einer Brennstoffzellenfabrik Weilheim schon seit Monaten intensiv beschäftigen. „Dass jetzt der Ministerpräsident kommt, ehrt uns nicht nur, sondern zeugt auch davon, welche Bedeutung das Thema hat“, sagte der Bürgermeister und resümierte: „Besondere Anlässe sorgen für besondere Gäste.“
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Spaziergang mit Polizeischutz und Stehtisch-Talk mit Bürgern
Einen Spaziergang unter Polizeischutz – das gibt es nicht alle Tage. In den Genuss kamen all diejenigen, die sich dem Ministerpräsidenten bei seinem Gang ins Gebiet Rosenloh anschlossen. Von Bürgermeister Johannes Züfle und Cellcentric-CEO Dr. Matthias Jurytko ließ sich Winfried Kretschmann dort im Grünen die Pläne des Brennstoffzellenherstellers für den Bau seines „Klimawerks“ erklären. Wirklich aufschlussreich war der Ausflug aber nur für die wenigsten: Die Gespräche waren kurz – und mithören konnte nur ein ganz kleiner Kreis. Angeschlossen hatten sich neben interessierten Bürgern auch Vertreter der beiden Bürgerinitiativen, Kommunal- und Landespolitiker sowie eine Reihe von Journalisten.
Viel Zeit nahm sich der Ministerpräsident für seinen Besuch im Städtle – und auch für Gespräche mit Bürgern. Mehr als drei Stunden verbrachte er in Weilheim. Nach seiner Rede in der Limburghalle mischte sich Winfried Kretschmann unters Volk: Er wanderte von Themen-Stehtisch zu Themen-Stehtisch und tauschte sich mit Interessierten über Kernaspekte des geplanten Industriegebiets wie Mobilität, Arbeitsplätze und Umwelt aus. Besonderer Andrang herrschte am Thementisch zur Bürgerbeteiligung. Insgesamt blieb die Zahl der Besucher in der Limburghalle – insbesondere aus der Weilheimer Bevölkerung abseits von Kommunalpolitik und Interessengruppen – aber überschaubar.
Vertreter der Bürgerinitiative Rosenloh, die das Gewerbegebiet und die Brennstoffzellenfabrik ablehnen, fanden sich nicht nur an den Stationen ein. Mit ihnen führte der Ministerpräsident auch ein separates Gespräch. Das war Dirk Unkelbach, einem Sprecher der Initiative, nicht genug. Er hätte sich eine Bürgerfragerund gewünscht und tat sein Missfallen auch lautstark kund.