Kirchheim. Was hatte es nicht für Spekulationen gegeben: Ein Supermarkt ziehe in die Kreuzkirche ein oder auch eine Moschee. Vielleicht werde die Kirche sogar ganz „plattgemacht“. Dekanin Renate Kath zählt solche Gerüchte genüsslich auf und präsentiert beim Pressegespräch die Lösung, die sich nun tatsächlich abzeichnet. Die griechisch-orthodoxe Gemeinde – zu deren Einzugsgebiet außer Kirchheim auch Göppingen, Nürtingen und die Filder zählen – kauft das Gebäude. Das Grundstück bleibt im Eigentum der evangelischen Gesamtkirchengemeinde. Näheres regelt ein Erbbaurechtsvertrag, der für die nächsten 75 Jahre abgeschlossen wird.
Die Verhandlungen haben in den vergangenen zwei Jahren stattgefunden. Mittlerweile sind sich beide Vertragspartner weitgehend einig, sodass die Gesamtkirchengemeinde nun den entscheidenden Schritt an die Öffentlichkeit tut. In vielen Gremien sei alles so intensiv beraten worden, dass die Verantwortlichen dem wichtigsten Termin ohne allzu große Sorge entgegensehen: Am 18. Juni steht die Abstimmung im Gesamtkirchengemeinderat an. Die Ratsmitglieder haben also noch ein Wörtchen mitzureden.
Was beim gestrigen Pressegespräch noch ungesagt blieb, waren die Kostenaspekte. Eberhard Schweizer, der Erste Vorsitzende des Gesamtkirchengemeinderats, verwies darauf, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien. Es gebe ein gewisses Entgegenkommen, weil die Kirchengemeinde hier nicht den Marktpreis ansetzen könne. Andererseits betont Dekanin Kath: „Der Oberkirchenrat schaut uns da schon ganz genau auf die Finger. Wir geben die Kreuzkirche sicher nicht für ein Tempotaschentuch her.“
Dennoch könnten Taschentücher schon bald gebraucht werden: Der Verkauf einer Kirche sei auch eine emotionale Angelegenheit, hieß es gestern. Die Kreuzkirche hat in den vergangenen 59 Jahren vielen Gemeindemitgliedern eine Heimat geboten, die es bald nicht mehr gibt. Jetzt am Sonntag beispielsweise finde zum letzten Mal eine Konfirmation in der Kreuzkirche statt, sagt Pfarrer Arnd Kaiser. 2016 werde die Gemeinde ihre Konfirmation voraussichtlich in der Thomaskirche feiern.
Die Kreuzkirchengemeinde bleibt erhalten, als Seelsorgebezirk in Kirchheim. Nur wird sie kein eigenes Kirchengebäude mehr haben – abgesehen vom Gemeindehaus auf dem Schafhof. Arnd Kaiser bleibt auch weiterhin der Pfarrer der Gemeinde.
Vier Kirchheimer Innenstadtgemeinden werden schon bald nahe zusammenrücken: Auf Neujahr 2016 erfolgt die Fusion der Auferstehungs-, der Kreuz-, der Thomas- und der Martinskirchengemeinden zur neuen Evangelischen Stadtkirchengemeinde. Bis dahin ist bereits der letzte evangelische Gottesdienst in der Kreuzkirche abgehalten worden: Das Datum dafür ist Sonntag, 25. Oktober. Eine Woche später, am 1. November, hält Pfarrer Arnd Kaiser den Gottesdienst in der Martinskirche – als sichtbares Zeichen dafür, dass er und seine Kirchengemeinde auch weiterhin in Kirchheim präsent sind.
Pfarrer Kaiser und Rosemarie Reichelt, die Erste Vorsitzende der Kreuzkirchengemeinde, zeigen sich erleichtert vom Stand der Verhandlungen über den Verkauf der Kirche und die Verpachtung des Grundstücks. „Es war für uns vor fünf Jahren eine bittere Entscheidung, sich von der Kreuzkirche zu trennen“, sagt Rosemarie Reichelt. „Aber jetzt sind wir sehr zufrieden, dass wir unsere Kirche an eine andere christliche Gemeinde weitergeben können.“ Sie sieht sogar gute Chancen, die bisherige ökumenische Zusammenarbeit in der Südstadt nun durch die griechisch-orthodoxe Gemeinde zu bereichern. Arnd Kaiser ergänzt: „Wir sind froh, dass wir jetzt an einem entscheidenden Punkt angelangt sind. Die Ungewissheit der letzten fünf Jahre war doch sehr zermürbend.“
Nötig geworden war der Beschluss zum Verkauf der Kreuzkirche dadurch, dass die Kosten für den Unterhalt der Immobilien immer weiter steigen, während die Zahl der Kirchenmitglieder über die Jahre hinweg kontinuierlich gesunken ist. So hat die Gesamtkirchengemeinde, bei derzeit rund 13 000 Mitgliedern, seit 1990 zahlenmäßig fast eine ganze Kirchengemeinde verloren – was unter anderem auf den demografischen Wandel zurückzuführen ist.
Die griechisch-orthodoxe Gemeinde dagegen hat ein recht großes Einzugsgebiet und eine stabile Mitgliederzahl. Erstmals hat sie nun auch Räumlichkeiten wie in einem Gemeindehaus zur Verfügung. Das gab es bisher nicht: Die Gottesdienste in der Friedhofskapelle konnten eben nur schlecht in ein Gemeindefest auf dem Alten Friedhof übergehen.
Info
Für Dienstag, 28. April, lädt die Kreuzkirchengemeinde zu einer Versammlung in die Kirche ein, um weitere Details zu erläutern. Beginn ist um 19.30 Uhr.