Zwischen Neckar und Alb
Kult(ur)kneipe Vier Peh: „Ich möchte dieses kleine Glück erhalten“

Kultur Das Esslinger Vier Peh hatte zum vorerst letzten Mal geöffnet. Nun ruhen die Hoffnungen auf OB Klopfer. Von Alexander Maier

Das neue Jahr hat für Betreiber, Förderer und Gäste des Vier Peh nicht gut begonnen: Punkt Mitternacht ist am 31. Dezember der Pachtvertrag für die Kult(ur)kneipe an der Esslinger Flandernstraße ausgelaufen, und die Stadt ließ bislang wegen einer Verlängerung nicht mit sich reden. Im Rathaus verweist man auf technische Mängel, die einem Weiterbetrieb entgegenstünden. Was genau moniert wird, wissen die Macher des Vier Peh bis heute nicht.

Klarheit soll ein Lokaltermin mit Oberbürgermeister Matthias Klopfer und Vertretern der Bauverwaltung bringen. Am letzten Abend vor der zumindest vorläufigen Schließung nutzten viele Stammgäste noch einmal die Gelegenheit zu einem Besuch. Viele schauten sich mit Wehmut um, doch die Welle der Unterstützung für das Vier Peh macht ihnen Hoffnung, dass es noch ein Happy End geben könnte.

Die Situation ist für Micha Schauer vom Förderverein des Vier Peh nicht einfach: „Wir hatten schon frühzeitig wegen einer Verlängerung des Pachtvertrags im Rathaus angefragt. Dass die Stadt erst Ende November zur Besichtigung bei uns im Haus war, sorgt jetzt für einen Zeitdruck, der nicht sein müsste.“ Was die Sache für Schauer und Pächterin Uli Kopp noch schwieriger macht: Die Mängelliste der Bauverwaltung hat bislang nur der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats zu Gesicht bekommen. Pächter und Förderer wissen noch immer nicht, was genau beanstandet wird – geschweige denn, dass sie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hätten. „Wir sind bereit, auf eigene Kosten nachbessern zu lassen, was nötig ist, soweit das wirtschaftlich machbar ist“, sagt Schauer. „Um das beurteilen zu können, müssen wir aber erst mal die Mängelliste kennen.“ Dass viele Gäste tatkräftige und finanzielle Unterstützung angeboten haben, wenn etwas zu tun ist, lässt Micha Schauer hoffen – zumal darunter auch zahlreiche qualifizierte Handwerker sind.

Zwischen Hoffen und Bangen

Viele Freunde der Kultkneipe erlebten am vorerst letzten Öffnungstag ein paar Stunden zwischen Hoffen und Bangen – und sie schwelgten in Erinnerungen. „Der Abend hat uns gezeigt, dass das Vier Peh in Esslingen fehlen würde“, sagt Karin Dreher. „Auch wenn viele keinen Platz mehr bekommen haben, waren wir wie immer eine bunte Mischung jungen Leuten, Altbekannten, Stammgästen und Neugierigen. Auch wenn es der eventuell letzte Abend war, haben sich die Pächter alle Mühe gegeben, uns einen tollen Abend zu bereiten. Und auch wenn nicht alles modern und schick ist, ist der schrullige Look das, was das Vier Peh ausmacht. Es wäre schade, wenn es das jetzt schon gewesen sein sollte. Wir haben noch Hoffnung auf eine Wiedereröffnung im Januar.“

Unter den Gästen waren auch Musikerinnen und Musiker, für die das Vier Peh stets eine gute Adresse gewesen ist. Sänger des „K.L.A.S.S.E.“-A-cappella-Chors, der sich nach den Proben gern im Vier Peh trifft, brachten spontan ein Ständchen, das ausdrücklich nicht als Abgesang zu verstehen war. Andere wie Peter Knapp, der als Schlagzeuger etwa von Werner Dannemann und Upfunkcoolo viel herumkommt, warben für eine Rettung des Vier Peh: „Wir durften hier schon als Anfänger unsere ersten Auftrittserfahrungen machen. Für den professionellen Kleinkunstbereich hat jede Stadt im Großraum Stuttgart Auftrittsmöglichkeiten – Esslingen die Dieselstraße, Reichenbach die Halle, Schorndorf die Manufaktur. Für Amateur-Bands ist es jedoch immens schwierig, in der Region unter guten Live-Bedingungen auftreten zu können. Diese Lücke schließt das Vier Peh: Eine tolle Location, in der auch mal Profis spielen, die aber auch jungen Bands, die nicht Profis sind, eine Auftrittsmöglichkeit bietet. Wenn es einen Denkmalschutz für Kultur geben würde – das Vier Peh müsste man unter Schutz stellen.“

Doch es sind nicht nur Bands, die auf eine Zukunft für das Vier Peh hoffen. Besucherin Iris Eisele drückt fest die Daumen: „Ich möchte dieses kleine Glück erhalten. Ich möchte weiterhin Geschichten über alle Generationen hinaus aus dieser Kneipe erzählen und erzählt bekommen. Ich möchte über diesen schönen alten Tresen streichen und spüren, was hier alles gelebt, gefühlt, gehört, getrunken und geredet wurde. Ich möchte, dass dies weiterhin so sein kann.“

 

Eine gute Adresse für die Kultur

Prominent Im Gästebuch des Vier Peh finden sich bekannte Namen wie Albert Mangelsdorff, Frédéric Rabold, Stephan Sulke, Hanns Dieter Hüsch, Matthias Richling oder Titi Winterstein. Für manche wurde das Vier Peh zum Karrieresprungbrett – etwa für die Band Opus, die später unter dem Namen Pur durchstartete.

Galgenstricke Die Esslinger Vorzeige-Kabarettisten haben im Vier Peh begonnen: 1977 feierte Esslingen sein 1200-jähriges Bestehen. Zur Einweihung der renovierten Burg zeigte ein Studententheaterensemble der Pädagogischen Hochschule das Theater­stück „Der Ritter von Zwieblingen“. Daraus entstand das professionelle Kabarett-Ensemble Die Galgenstricke, dessen erste Spielstätte das Vier Peh war. Bei den ersten Auftritten der Galgenstricke standen sieben Akteure auf der Bühne. Daraus wurde 1981 auf der Galgenstricke-Sonntags-Bühne die Dreier-Besetzung Erich Koslowski, Herbert Häfele und Dieter Trieß. Das Vier Peh blieb bis 1985 die Heimat der Galgenstricke, ehe sie ihr Theater in der Webergasse eröffneten.

Unvergessen An ein Gastspiel des Jazzgeigers Schnuckenack Reinhardt erinnert sich Galgenstrick Erich Koslowski: „Das ging bis tief in die Nacht. Da saßen wir um 4 Uhr noch in kleiner Runde, und ich habe den Schnuckenack mit Fragen gelöchert, weil ich so ein Fan war. Pavlo Eckert, der Wirt vom Vier Peh, hat auch Geige gespielt und irgendwann nachts auf dem Tisch stehend mit den Geigern mitgefiedelt.“ adi