Bissingen. Einzelne, subjektiv ausgewählte Werke des Skulpturenpfads können den Zweck von Kunst allgemein aufzeigen: Sie regt zum Nachdenken an - über Gott und die (Um)-Welt, und damit letztlich über sich selbst.
Hochpolitisch geht es gleich nach Verlassen der Ziegelhütte zu: „Albtraum“ heißt die Installation von Schülern der Boller Heinrich-Schickhardt-Schule unter der Anleitung von Verena Bopp. Von einem Ast hängen mehrere Siebe herab. Sie erinnern an Gehenkte, und was hier gehenkt wird, zeigen Stichworte wie „Klimawandel“, „Windräder“, „Verstädterung“, „Lichtverschmutzung“, „Pestizide“ oder „Monokulturen“.
Gleich daneben findet sich die Installation „Abhängen“: Das Kollegium des Weilheimer „Freiraums“ hat mehrere Geräte in die Bäume gehängt. Von höchster Bedeutung ist jeweils die Balance. Gerade das Balance-Halten sorgt dafür, dass es zwar um gemeinsames Abhängen geht - aber nicht in der passiven Form. Die Botschaft lautet: „Alleine geht gar nichts. Ihr schafft es nur gemeinsam.“
Im Gegensatz zum quietschbunten Sessel, der mitten in der Landschaft zum „Niederlassen“ auffordert, eignet sich der überdimensionale Stuhl, den Christian Siller aufgestellt hat, nicht zum Sitzen. Dafür ist er viel zu groß, und genau das ist die Absicht der Installation. Sie soll zum Perspektivenwechsel anregen. Der Titel fordert explizit dazu auf: „Mit den Augen eines Kindes wahrnehmen“.
Gar mit Fragezeichen versehen ist der Titel der Himmelsleiter, die Manfred Adler geschaffen hat. Theoretisch könnte sie immer noch eine Sprosse mehr bekommen und damit in die Unendlichkeit reichen. „Wohin noch?“ fragt Manfred Adler und stellt damit wohl auch die gigantischen Ausmaße mancher Kunstinstallationen auf dem Skulpturenpfad selbst-ironisch in Frage.
Bunte Fahnen, die Schüler und Lehrer des Michaelshofs im Dreieck angeordnet haben, erinnern von weitem an Waschmittelwerbung oder an tibetanische Gebetsfahnen. Sie sollen zum Ausdruck bringen, wie bunt eine Schulgemeinschaft ist. Nichts wird beschönigt, die Fahnen zeigen das Leben in allen Facetten.
Ebenfalls Leben in allen Facetten zeigen Saskia Mrazeks Holzwürfel, mit Fotografien und Texten von Vincent Tremeau. Unter der Vorgabe „One day I will“ erzählen die porträtierten Jugendlichen, was sie für Zukunftsträume haben. Die Perspektive des angehenden Kindersoldaten aus der Demokratischen Republik Kongo erscheint erschreckend realistisch.
Bunte zweidimensionale Figuren folgen kurz darauf einem ganz anderen Motto, das auf Rainer Maria Rilke zurückgeführt wird: „Leben, Arbeiten, Geduld haben - und keinen Anlass zur Freude versäumen“. Auch die Schüler der Kirchheimer Konrad-Widerholt-Schule und Hildegard Maier hatten wohl viel Freude bei ihrer Arbeit.
Vorsicht vor Geheimtipps! Aber trotzdem sei verraten: Der „Blickwinkel“ - von „Jugendlichen der näheren Umgebung, mit Peter Beck und Felix König“ - zählt zu den Höhepunkten. Er erschließt sich erst, wenn man den Pfad verlässt und durch den geöffneten Vorhang eine andere Welt betritt.
Einer besonderen Art von „Albtraum“ begegnet der Wanderer bei einer Skulptur Richard Umstadts: „Scho wieder koin Empfang“, klagt ein Mann, der auf sein Mobiltelefon starrt. Die Figur ermöglicht nicht nur die Begegnung mit dem eigenen Selbst, sondern auch mit dem Schirmherrn des Kunst- und Aktionspfads: Unverkennbar trägt sie die Züge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Kunst aus verrosteten Alltagsgegenständen schafft Ernst Pangerl - zum Beispiel einen Pilz, der den Titel „Ausgeritten“ trägt. Das bezieht sich auf die Hufeisen, aus denen der Pilzkopf besteht. Am Eröffnungstag ergibt sich ein eigenwilliger Zufall: Eine Ausflugsschar ist mit Pferdegespann „ausgeritten. Und so entsteht - trotz „Albträumen“ - der Eindruck, die Welt wäre intakt. Andreas Volz