Portrait
„Kunstrestauration ist eine Zeitreise“

Neben seiner Arbeit als Altenpfleger ist Wolfgang Diez Inhaber einer Galerie, Maler und Kunstrestaurator zugleich. Er verrät, was das Handwerk der Kunstrestauration für ihn so faszinierend macht.

Wolfgang Diez mit einem beschädigten Gemälde. Foto: Tobias Tropper

Künstler mit Herzblut: Anders lässt sich Wolfgang Diez nicht beschreiben. Um seiner großen Leidenschaft hauptberuflich nachzugehen, studiert der Dettinger ursprünglich Kunst, doch das Leben hat erst einmal andere Pläne für ihn. 

Es verschlägt Wolfgang Diez nach Indien. „Das war ein unfassbarer Kulturschock für mich“, erinnert er sich. Das Leid, dass er dort gesehen habe, sei ihm nie wieder aus dem Kopf gegangen. „Ich habe Leute auf der Straße, wirklich jämmerlich und von Fliegen übersät, sterben sehen“, erzählt der heute 61-Jährige. Später kommt er im Rahmen seines Zivildienstes in Schwabmüchen erstmals mit der Altenpflege in Berührung – eine prägende Zeit, die ihn dazu inspiriert, nach dem Dienst hauptberuflich in die Pflege zu gehen, in der er bis heute tätig ist. Er sei dankbar und froh, dass ihn das Leben auf diesen Weg geschickt habe, so Diez.

Die alten Meister von früher zeigen mir ihre Technik.

Wolfgang Diez, Kunstrestaurator 

Die Kunst hat er über die Jahre jedoch nie aus den Augen verloren. „Malen ist für mich das Höchste. Wenn ich malen kann, bin ich glücklich“, verkündet Wolfgang Diez. Seine Faszination für die Kunst beschränkt sich jedoch nicht nur auf seine eigenen Werke. Seit 2018 ermöglicht er es anderen talentierten Künstlern, ihre Schöpfungen in der Galerie im Erdgeschoss seines Elternhauses auszustellen. Finanzieller Gewinn habe dabei unterste Priorität: „Es ist reiner Idealismus, was ich hier mache.“

Das Schädelreplikat war ein Highlight für Diez.  Foto: Wolfgang Diez

Die Galerie und Malerei seien sein Hauptaugenmerk, stellt Wolfgang Diez klar. Die Kunstrestauration sei „eher so ein Nebending“. Eine entsprechende Ausbildung habe er nicht absolviert. Am Ende des Tages seien die Kunstwerke und Problemfälle so verschieden, dass man gar nicht nach Schema F arbeiten könne. „Das Material gibt an, wie man vorgeht“, erklärt der Künstler. „Man schaut sich das Problem an und findet eine Lösung. Das ist spannend; das ist der eigentliche Reiz.“ Die Kunstrestauration sei eine Wissenschaft für sich. Kunst, so Diez, komme von Wissen, nicht von Können. „Das verwechseln viele.“

Neues Leben für alte Kunst

Einen großen Teil seines Wissens hat Wolfgang Diez von seinem Vater, einem versierten Handwerker, mit dem er regelmäßig antike Möbel restauriert. „Bis er sein Augenlicht verloren hat, war mein Vater immer begeisterter Bastler“, erzählt der Maler. „Von ihm habe ich viel gelernt.“

Seine Erfahrung nutzt Wolfgang Diez einige Jahre lang, um beschädigte Schaufensterfiguren zu reparieren; später werden die Puppen durch Rahmen, Gemälde und Skulpturen ersetzt. Einmal, erzählt Diez, habe er sogar ein Replikat eines Dinosaurierschädels restauriert. „Ich bin ein großer Fan von Urgeschichte. Das hat mir total Spaß gemacht“, schwärmt er.

Meist sind es beschädigte Skulpturen oder Bilder mit abgeblätterter Farbe, die ihren Weg in sein Atelier finden. Vor allem aber sind es die Rahmen, die häufig einer Reparatur bedürfen. „Richtige Rahmen sind wahnsinnig empfindlich, daher nutzt man sie heute oft gar nicht mehr“, verrät Wolfgang Diez.

Seine Aufträge nimmt der Gelegenheitsrestaurator im Regelfall von Privatpersonen entgegen. Die Kunstwerke hätten in erster Linie einen ideellen Wert für die Auftraggeber, ergänzt er. Über die ­Jahre habe er gelegentlich aber auch die Möglichkeit gehabt, ältere und wertvollere Gemälde wieder auf Vordermann zu bringen. Das älteste Bild ist laut Diez etwa 300 Jahre alt gewesen. „Das Wertvollste war ein riesiger Schinken“, erinnert er sich. „Das hat eine Familie in Auftrag gegeben, deren Großvater ein ziemlich bekannter Maler war.“

Man lernt von den Besten

Projekte, die monatelanger Feinarbeit bedürfen, kommen für den Künstler nicht infrage. „Das kommt in Museen natürlich gut und gerne mal vor; ich habe dafür aber keine Zeit“, stellt er klar. Dennoch gebe es auch in seiner Arbeit langwierige Prozesse, die Zeit und Nerven kosten. „Mit glatten Rahmen arbeite ich zum Beispiel gar nicht gerne“, meint Wolfgang Diez. „Das hat keinen Reiz für mich. Das ist eine völlig spaßfreie Zone.“

Unter Spaß versteht Wolfang Diez Verschnörkelungen – verspielte, arkadische Formen und nicht zuletzt natürlich: die Malerei. „Barock und Rokoko, das ist meine Zeit“, verrät er. Der Braunton, der bei Rokoko-Gemälden oft sichtbar ist, kommt von einer Ölschicht, die sich über die Zeit verfärbt, erklärt Wolfgang Diez. Restauratoren können das Öl entfernen und das Bild mit einem neuen Firnis versiegeln. So kann man die ursprünglichen Farben wieder zum Glänzen bringen. „Dann gehen aber manchmal auch das Alter und die Ehrfurcht davor verloren“, bedauert der Maler. „Das ist ähnlich, wie wenn sich ein alter Mensch die Haare färbt. Das passt irgendwie nicht mehr so ganz.“

Die Kunstrestauration ist jedoch nicht ausschließlich Können; für Wolfgang Diez bedeutet sie vielmehr, zu lernen. Bei der Restauration eines alten Werks muss er sich voll und ganz auf die Arbeitsweise des Malers einlassen, diese verstehen und imitieren. „So eine intime Nähe zu einem anderen Maler kriege ich nie wieder“, erzählt er begeistert. „Die alten Meister von früher zeigen mir ihre Technik.“ In dieser Hinsicht sei Kunstrestauration eine Art Zeitreise. Es sei ähnlich wie mit der Altenpflege, setzt Wolfang Diez noch hinzu. „Ich lerne von den alten Leuten und ihren Erfahrungen etwas über das Leben, und so ist es auch mit der Kunst.“