Zwischen Neckar und Alb
Kuriositäten im Heimatmuseum

Sammlung Eine Badewanne unter der Spüle, manuelle Windelwaschmaschinen oder eine ganze Friseureinrichtung: Reinhold Miller sammelt in seinem Heimatmuseum in Mettingen allerhand Kuriositäten. Von Simone Weiß

Überraschung! Eine ganz normale Spüle mit zwei Becken. Der Stolz jeder schwäbischen Hausfrau, die gerne ihr blitzsauberes Geschirr präsentiert. Ein Handgriff! Und unter der Spüle erscheint eine Badewanne. Platzsparendes Mobiliar, aus Not geborener Pragmatismus, Überlebensstrategien in den Elendsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg. „Das wäre heute undenkbar“, meint Reinhold Miller und klappt die Spüle wieder herunter. Sie ist eine von vielen Kuriositäten, die er in seinem Heimatmuseum in Mettingen präsentiert.

Anfassen erlaubt

Ein hölzerner Backtrog von 1836. Aus einem einzigen Baum angefertigt und tipptopp in tadellosem Zustand. Eine Waschmaschine, extra für dreckige Windeln, mit einer Kurbel, die per Hand gedreht werden musste. Ein rustikales Dampfbügeleisen, dessen Wasser in einem separaten Druckkessel erhitzt wurde. Das Museum in der Schenkenbergstraße 50 ist ein liebevoll zusammengetragenes Sammelsurium aus Exponaten und Einzelstücken, entstanden aus dem resoluten Willen zu erhalten, zu bewahren und Raritäten vor dem Müll und dem Vergessen zu retten. Eine Sammlung ohne wissenschaftlichen Anspruch, genaue Detailkenntnis und ausgeklügelte Präsentationsformen, aber mit dem frischen Charme des Idealismus, der Leidenschaft für ein museales Projekt und dem Spaß am Sammeln, Sichten und Sichern. Ein Museum, geschaffen mit der schwungvollen Unbekümmertheit eines Laien, der in herzerfrischender Nonchalance alte Musikinstrumente mit Panflöten, Reisemitbringseln aus Peru, kombiniert. Der Besucher erhält so die Möglichkeit, auf eine schier unendliche Entdeckungsreise zu gehen und bei jedem Blick über die Schulter Neues zu entdecken. Reinhold Miller hat diese besondere Sammlung in über 30 Jahren zusammengetragen.

Der Aschenbecher in der Armlehne ist kaum zu erkennen: Reinhold Miller hat einen ganzen Friseursalon aus einer Geschäftsaufgabe
Der Aschenbecher in der Armlehne ist kaum zu erkennen: Reinhold Miller hat einen ganzen Friseursalon aus einer Geschäftsaufgabe erworben. Fotos: Roberto Bulgrin

Als Installateur und Heizungsbauer, so erklärt der 80-Jährige, ist er viel herumgekommen, hat in den Häusern einiges entdeckt und konnte auf manchem Speicher sichern, was sonst weggeworfen worden wäre. Doch er ist auch bekannt. Die Menschen kommen zu ihm, wenn sie etwas Altes, Nostalgisches, Historisches haben, und er schaut zudem in der Zeitung gezielt nach Erhaltenswertem.

Anfassen ist erlaubt! Staunen auch! Und das genaue Hinsehen ist sogar Pflicht. Einen ganzen Friseursalon hat sich Reinhold Miller für sein Museum angeschafft. Er stammt aus der Geschäftsaufgabe eines ehemaligen Betriebs in Echterdingen, und nur wer den Friseurstuhl genau betrachtet, entdeckt in der Lehne einen Aschenbecher. „Rauchen war damals in den Räumlichkeiten noch erlaubt“, kommentiert Reinhold Miller diese Eigenheit. Gleich daneben hat er zwei lebensgroße Puppen in Hochzeitskleidung aufgestellt: Sie im blütenweißen, taillierten Kleid; Er fesch mit Zylinder und schwarzem Anzug. Der festliche Zwirn stammt von einem ihm bekannten Ehepaar, das in den 50er-Jahren vor den Traualtar getreten ist: „Beide haben ihre goldene Hochzeit gefeiert.“

Platzsparendes aus der Nachkriegszeit: Unter der Geschirrspüle befindet sich eine Badewanne (Bild oben). Das Bandoneon und das H
Platzsparendes aus der Nachkriegszeit: Unter der Geschirrspüle befindet sich eine Badewanne.

Viele neue Exponate

Schräg gegenüber ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Eine mobile Werkstatt aus Rädern, eine fahrende Holzkiste mit allerlei Zubehör, ein Wagen mit vielen Accessoires. Damit ist nach dem Zweiten Weltkrieg ein findiger Unternehmer auf Wanderschaft gegangen, der von Dorf zu Dorf zog und Schuhe reparierte. Mit allem, was zur Verfügung stand. Auch mit Resten von alten Autoreifen. Eine Nähmaschine zum Aufklappen komplettiert das Equipment des Ein-Mann-Betriebs. Und aus einer Vitrine dahinter zaubert Reinhold Miller einen seiner besonderen Schätze hervor: einen alten, löchrigen, völlig verwahrlosten Kinderschuh. Kaum noch als solcher zu erkennen. Früher mussten die Kleidungsstücke eben vollständig aufgetragen werden, erklärt der Sammler. Und fügt hinzu, dass er das Fundstück in einem Hohlraum zwischen Bodendielen in einem Haus entdeckt hat.

Keine Frage. Das Heimatmuseum ist gut bestückt, die Räume sind prall gefüllt. Doch Reinhold Miller möchte irgendwo Platz schaffen: Denn er hat viele neue Exponate, die er unterbringen muss. So hat er 500 Modellautos erworben. In der Badewanne unter der Spüle aus der Nachkriegszeit wäre Platz - doch den möchte er sicher nicht dafür missbrauchen.