Und die Geschichte wiederholt sich doch. Der erste Kreistag des 1973 neu gebildeten Landkreises Esslingen kam in der Wernauer Stadthalle zusammen. Weder in Esslingen noch in Nürtingen, sagte Landrat Heinz Eininger, habe es damals Sitzungsräume für über 100 Kreisverordnete und die vielen geladenen Gäste gegeben. Die Pläne für das neue Landratsamt in den Esslinger Pulverwiesen lagen noch in der Schublade. Auch was die zentrale Lage angeht sei die 1966 gebaute Wernauer Stadthalle damals eine salomonische Lösung gewesen.
50 Jahre später hat der Kreistag erneut keinen eigenen Sitzungssaal, das 1978 bezogene Verwaltungsgebäude ist einem Neubau gewichen, dessen Grundstein nächste Woche gelegt wird. So bot sich für den Festakt erneut das Wernauer Quadrium an, wo laut Eininger „die eigentliche demokratische Geburtsstunde des Landkreises Esslingen“ liegt. Eininger erinnerte an die „schwere Hypothek“, die auf der politisch verordneten Vereinigung der Altkreise Nürtingen und Esslingen lastete. „Es galt, Vertrauen zu schaffen, die Probleme des kommunalen Alltags konstruktiv anzugehen.“ Der Erfolg sei dem Landkreis nicht in die Wiege gelegt, sondern erarbeitet worden.
Zurück zu den Wurzeln
Die damalige Reduzierung von 63 auf 35 Landkreise, sagte der Stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl, sei ein „heute unvorstellbarer Vorgang“. Eininger hatte dem Doppeljubiläum „50 Jahre Landkreis Esslingen und 175 Jahre Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen“ bereits einen dritten Geburtstag hinzugefügt, seit 40 Jahren bestehe die Partnerschaft des Landkreises mit der Stadt Givatayim in Israel. Strobl fügte als viertes Jubiläum noch „50 Jahre Kreisreform“ hinzu. Eigentlich seien es fünf: „Heute feiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Sie herzlich grüßen lässt, seinen 75. Geburtstag.“
Die Kreisreform, so Strobl, habe die „die Beendigung der Kleinstaaterei in Baden-Württemberg“ bedeutet. Sie sei möglich geworden, nachdem 1970 in einer Volksabstimmung die Baden-Frage endgültig geklärt wurde. Die Debatte im Landtag sei heftig gewesen. immer wieder sei in der Landtagsgastronomie der böse Spruch zu hören gewesen: „Iss und trink, solang’s dir schmeckt, schon wieder ist ein Kreis verreckt.“ Wie gut die Reform war, zeige sich daran, dass sie bis heute Bestand habe.
Der Landkreis Esslingen sei ein „großer, außerordentlich wirtschaftsstarker, außerordentlich innovativer Landkreis“, der etwa beim Wasserstoff Pionierarbeit leiste. Strobl warnte aber auch, die Landkreise nicht zu überfordern, etwa bei der Migration. Er würdigte den Einsatz von Ehrenamtlichen in vielen Bereichen, ob als Gemeinderat, im Sportverein oder bei der Feuerwehr. Was aus der Vereinsarbeit erwachsen kann, zeigte beim Festakt das Kreisjugendblasorchester Esslingen (KJO) unter Leitung von Julien Meisenzahl. Es bekam sehr viel verdienten Applaus und ließ die Kreishymne erklingen.
Burkhard Wittmacher, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, sagte, bei der Fusion seien beide bisherigen Kreissparkassen für sich existenzfähig gewesen. „Es war weder Liebesheirat noch Vernunftehe, eher eine Zwangsheirat.“ Doch die Fusion habe sich als Glücksfall erwiesen. „Danach wurde erstmals in Milliarden gerechnet, die Bilanzsumme lag bei 1,7 Milliarden Mark.“ Heute sind es 11,7 Milliarden Euro. Wie der Landkreis mit nur zwei Landräten in 50 Jahren setzt auch die Kreissparkasse beim Vorstand auf Konstanz. Wittmacher erinnerte an die gesellschaftliche Verantwortung: „Wir haben in zwölf Monaten 4500 Girokonten für Geflüchtete eröffnet.“
Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes, erläuterte das Verhältnis zwischen Kreis und Sparkasse: Der Kreis als Träger habe keine Verfügungsgewalt. „Die Sparkasse kann nie verkauft werden.“ Weil für die Sparkassen das Regionalprinzip gelte, sie also quasi nur auf der eigenen Wiese grasen dürften, täten sie alles, damit es der Wirtschaft und den Menschen in ihrem Geschäftsgebiet gut gehe. Dabei müssten sich die Sparkassen auch mal wehren – wenn es einem Kreis finanziell schlecht gehe und die ersten nach Ausschüttungen riefen, womit sie jedoch ihre Sparkasse erheblich schwächen würden. Oder wenn die Europäische Kommission wieder einmal nach der deutschen Einlegerabsicherung greife und die Vergemeinschaftung wolle. Schneider verglich auch das Gründungsjahr des Kreises, 1973, mit heute – und fand mit Energiepreisexplosion, Inflation und Kaltem Krieg erstaunliche Parallelen. Und die Geschichte wiederholt sich doch.