Wenn es um den Schutz vor Ansteckung mit dem Corona-Virus in seiner Praxis geht, bleibt der Ötlinger Zahnarzt Thomas Kik gelassen. „Wir haben ohnehin sehr hohe Hygiene-Standards. Schließlich behandeln wir hier auch seit Jahren Aids-Patienten“, betont er. Auf etwa die Hälfte im Vergleich zu normalen Zeiten schätzt Thomas Kik derzeit die Zahl seiner Patientenbesuche. Dennoch hat er noch zu den gewohnten Zeiten geöffnet.
Nachdem das baden-württembergische Sozialministerium an Karfreitag die vierte Corona-Verordnung veröffentlichte und darin die zahnärztlichen Versorgung von Patienten nur bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen gestattete, waren die Zahnärzte nervös geworden. Manche setzten das mit einem Berufsverbot gleich. „Ein Patient dachte, wir hätten dauerhaft geschlossen und nahm seinen Termin gar nicht erst wahr, ohne abzusagen“, berichtet eine Zahnarzthelferin aus Kirchheim.
Das Sozialministerium sah sich an Ostermontag veranlasst, einen „Auslegungshinweis“ zu veröffentlichen. Darin wird betont, dass auch notwendige zahnärztliche Behandlungen möglich sind, wenn damit eine Verschlechterung des Gesundheitszustands vermieden werden kann. Das ist etwa bei chronischen Zahnerkrankungen der Fall. Auch Schmerzbehandlungen sollen unter Beachtung der geltenden Hygienevorgaben grundsätzlich möglich sein.
Für die Kirchheimer Zahnärztin Dr. Daniela Meschede würde eine Zahnreinigung auch dazu gehören, eine „Verschlechterung“ zu vermeiden. Sie hat aber gleichzeitig Verständnis dafür, dass derartige Behandlungen ausgesetzt werden. „Da geht es um die Vermeidung von Aerosole“, sagt sie, also Sprühwasser, das auch bei schnellen Bohrern entsteht. „Deswegen kommen die schnellen Bohrer auch nicht zum Einsatz“, sagt sie. Die Zahnbehandlungen würden dadurch länger dauern.
Daniela Meschede und ihre Schwester Andrea Meschede-Etzel haben ihren Betrieb deutlich reduziert und wechseln sich in ihrer Gemeinschaftspraxis im Schichtbetrieb ab. Auf etwa 20 Prozent schätzt Daniela Meschede das Patientenaufkommen zu normalen Tagen.
Und wer sagt eigentlich, was eine „notwendige Behandlung“ ist oder nicht? „Das wird vom behandelnden Zahnarzt jeweils im Einzelfall allein fachlich entschieden“, sagt Florian Wahl, Pressesprecher der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. „Wir müssen das im Gespräch gemeinsam mit dem Patienten herausfinden“, sagt Daniela Meschede.
Alleine im Wartezimmer
Sie und ihre Mitarbeiterinnen achten darauf, dass die Patienten allein im Wartezimmer sitzen. Und auch an die Mitarbeiter ist gedacht: Sie haben visierähnliche Gesichtsschutzmasken aus Plastik. „Wir laufen herum wie Astronauten“, sagt Daniela Meschede. Vollständig machen würde den Weltraum-Look ein Anzug, aber den bekommen sie nicht automatisch. „Wir müssen uns selbst darum kümmern“, sagt sie. Doch auf dem Markt sind diese Dinge momentan nicht oder nur zu horrenden Preisen zu bekommen.
Die wären aber auch nur notwendig, wenn ein Patient mit Symptomen kommt. „Wir fragen sie stattdessen aus: Wo sie waren, ob sie Fieber haben oder ähnliches“, sagt sie. Einen Verdachtsfall müsste sie dann mit Krankenwagen in ein Krankenhaus überweisen.
Altenheim ist tabu
Das betrifft insbesondere die Risikogruppen. So kann die Kirchheimer Zahnärztin Daniela Meschede derzeit ihre obligatorischen Patientenbesuche im Altenheim nicht wahrnehmen. Dazu bräuchte sie ebenfalls besagte Schutzanzüge. Derzeit gebe es nur die Möglichkeit, Schmerzpatienten direkt ins Krankenhaus zu bringen.
Aber auch bei den „normalen“ Patienten wird derzeit umfangreicher desinfiziert als normal. „Das sind eigentlich Maßnahmen für Hepatitis-Patienten“, sagt Daniela Meschede. Die Mehrkosten für den deutlich erhöhten Verbrauch an Desinfektionsmitteln kann sie bislang nirgendwo geltend machen, ebensowenig die teilweise um ein Vierfaches gestiegene Preise für Gesichtsmasken. Von den Krankenkassen seien noch keine Signale gekommen, sagt sie.
Etwa drei Monate schätzt Daniela Meschede, könne eine etablierte Praxis so eine Situation wirtschaftlich durchhalten. „Wir haben am Tag fünf statt 30 Patienten“, sagt sie. Jüngere Kollegen, die sich gerade mit dem Kauf oder einer Modernisierung verschuldet hätten, kämen früher in Bedrängnis, glaubt die Zahnärztin.