So sieht absolute Begeisterung aus. „Wir stehen gerade auf dem Hauptbild“, sagt Wolfgang Diez von der gleichnamigen Galerie in Dettingen mit äußerst zufriedenem Gesichtsausdruck. Einige Wochen ruht seine Galeristenarbeit, weil er sich voll in die Kulissenmalerei stürzt und sich dabei austoben kann. „Ich kann ins Bild reinhüpfen – muss aber Strecken laufen, wenn ich was vergessen habe“, zeigt er die Dimensionen auf.
Zu verdanken hat er seinen besonderen Auftrag Frank Bauer, Leiter des Kirchheimer Stadtarchivs, – und dem Jubiläum zum Bauernkrieg. Bereits vor rund eineinhalb Jahren wurde mit der Planung der Kirchheimer Veranstaltungen zum 500. Jahrestag des „Uffruhrs“ begonnen. Unter anderem wird ein Theaterstück aufgeführt. Jörg Ehni wurde beauftragt, ein Stück für Kirchheim zu schreiben. „Der Mann ist jetzt 90 und sprüht nur so vor Ideen“, sagt Frank Bauer. Der Kontakt kam über die Württembergische Landesbühne in Esslingen zustande, vor einigen Jahren hat Jörg Ehni für das Theater dort ebenfalls ein Stück geschrieben.
Ich kann richtig rumklecksen und krieche auf allen Vieren.
Wolfgang Diez
„Das Bühnenbild ist ein zentrales Thema“, sagt er und Wolfgang Diez antwortet prompt: „Ich habe mich irre gefreut, dass ich richtig rumklecksen kann – ich krieche auf allen Vieren.“ Der gesamte Boden der Galerie ist mit dem bereits grob bemalten großen Leintuch bedeckt. Stolze zehn mal fünf Meter misst es. „Ich habe die Freiheit des Gestaltens. Es ist toll, wie ich mich entfalten kann“, kommt er aus dem Schwärmen nicht heraus. Der untere Teil ist schon fertig, mit Klammern ist er an der Wand befestigt. „Ich habe falsch angefangen – ich hätte von hell nach dunkel arbeiten sollen“, resümiert Wolfgang Diez.

Er hat sich nahe an die Originalschauplätze des Bauernkriegs gehalten. Der Albtrauf mit Breitenstein, Teck, Baßgeige und Neuffen bilden den Horizont, davor sind Häuser und Landschaft zu erkennen. Bevor er sich an die große Leinwand gewagt hat, erstellte er eine ebenfalls nicht so kleine Skizze, die als Vorlage dient. Sie ist in Raster aufgeteilt. „Die neun Felder sind meine Anhaltspunkte – der Rest ist frei Schnauze“, grinst er. Bei der Aufführung wird ein Handgriff genügen – und die Teck steht in hellen Flammen. Ein einfacher Trick: Die brennende Burg wird von hinten übergestülpt, überlappt auf einer kleinen Fläche die intakte Teck. Flankiert wird das Hauptbild von zwei Schwarz-Weiß-Skizzen, auf denen ein Sensenmann zu erkennen ist.

Es ist nicht die einzige vorgefertigte Skizze, es gibt noch weitere, fein säuberlich auf Stecken aufgehängt, wie in einem Miniatur-Theater: die noble Fensterfront des Kirchheimer Schlosses, ein Kirchheimer Rathauszimmer mit Hirschgeweih – Wappensymbol der Württemberger Herzöge –, der alte maßstabgetreue Kirchheimer Marktbrunnen, die Säulen des alten Schlosses in Stuttgart, ein dunkler Tann. Mit fünf mal fünf Metern sind sie kleiner.

Überzeichnet ist dagegen die Teck. „Sonst sieht man sie nicht“, sagt Wolfgang Diez. Es gibt jedoch einen weiteren, sinnbildlichen Grund: Die Teck als Herzogssitz symbolisierte die Macht der Adligen, weithin sichtbar. Von der Kirchheimer Hahnweide, wo 5000 Aufständische lagerten, war sie gut zu sehen. Zum Vergleich: Kirchheim hatte damals etwa 2000 bis 2500 Bewohner. „Schon als Kind war ich historisch interessiert und von der Teck fasziniert. Aber ich war richtig sauer, dass wir keine richtige Ritterburg hatten. Es hat mich tierisch gestört, dass meine Traumwelt von den Bauern kaputtgemacht wurde. In Dettingen gab es ja noch die Burgen Schlossberg, Mannsberg und Bol“, erzählt der Maler, dem bewusst ist, dass die Revolution bis heute fernab der Burgenromantik nachwirkt.

„Ein halbes Jahr bin ich im Viereck gesprungen und habe überlegt, worauf ich meine Szenen malen kann. Das Budget ist ja begrenzt“, verrät der Künstler. Eine Freundin gab ihm den ultimativen Tipp, über Whatsapp im Status zu schreiben: Brauche sehr viel Stoff. Das brachte den Durchbruch. „Ein Stoffgeschäft ist aufgelöst worden, und ich habe eine 50 Meter lange und 80 Zentimeter breite Stoffbahn bekommen.“ Doch wie daraus eine Leinwand machen? Die Rettung nahte in Gestalt gleich dreier Näherinnen. Sie schnitten die Bahn zu und nähten sie auf die gewünschte Größe zusammen. „Das war eine tolle Aktion, die Frauen kamen richtig ins Schwitzen“, ist Wolfgang Diez dankbar für die Hilfe. Außerdem brauchte es eine 50 Jahre alte Nähmaschine, alle anderen haben es „nicht gepackt“.
Für den Künstler hat sich ein Jugendtraum erfüllt. „Als Erstes wollte ich Matrose werden, dann Kulissenmaler. Deshalb habe ich eine Lehre als Maler und Lackierer begonnen – um dann im zweiten Lehrjahr nach Indien zu gehen. Jetzt, kurz vor der Rente, bekomme ich diesen Auftrag“, freut sich Wolfgang Diez unbändig, der zu 100 Prozent in der Pflege arbeitet.
