Zwischen Neckar und Alb
Lederhosen für 
Old Shatterhand

Hollywood Die Esslingerin Renate König hat 
mehr als drei Jahrzehnte lang Kostüme für 
preisgekrönte Filme, fürs Fernsehen und fürs 
Theater geschneidert. Von Gaby Weiß

Ob ein blauer Nadelstreifenan­zug für Mario Adorf als Ganove in der „Dreigroschenoper“, ein schlichter Übergangsmantel für Gert Fröbe, eine Uniform­jacke für „Münchhausen“ Hans-Joachim Kulenkampff oder Fransen-Lederhosen für „Old Shatterhand“ Lex Barker - all das hat Renate König genäht. Über 30 Jahre lang war die gelernte Herrenschneiderin bei der Berliner Firma „Theaterkunst“ tätig. Die heute 81-Jährige, die seit fünf Jahren in Esslingen lebt, erinnert sich an Kostümproben mit den Großen der Film- und Fernsehbranche.

„Ich brauch’ das Fernsehen bloß anzumachen, dann treffe ich immer wieder auf meine Arbeit“, erzählt Renate König. Die 1907 gegründete Berliner Firma ist das größte Kostümhaus Deutschlands. Bei diesem Dienstleister für die Film- und Theaterbranche finden sich im Fundus mehr als zehn Millionen Kostümteile, Kleider und Accessoires, vom Hut über den Hosenknopf bis zum Schuh - alle Epochen, Stile und Trends umfassend. Legendäre Filme wie „Ben Hur“, „Metropolis“ und Billy Wilders „Eins, zwei, drei“ wurden ebenso ausgestattet wie aktuelle internationale Produktionen wie etwa „Inglorious Basterds“, „Die Tribute von Panem“ oder der diesjährige deutsche Oscar-Beitrag „Toni Erdmann“.

Als gelernte Herrenschneiderin beherrscht Renate König die Fertigung von Hosen und Jacken aus dem Effeff. Die Arbeit bei der „Theaterkunst“ brachte täglich Neues: Wer weiß schon, wie eine englische Gardeuniform zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgesehen hat, wie sich ein Landjunker zu Effi Briests Zeiten kleidete oder wie die korrekte Adjustierung eines russischen Uniformkragens gestaltet ist? Bei Fachvorträgen, Museumsbesuchen und durch das Studium von Kostümkunde-Büchern in der firmeneigenen Bibliothek erweiterte sie ihr Know-how über Machart, Stoffe, Verzierungen und Applikationen. So war es für Renate König kein Problem, für Klaus Maria Brandauer in „Oberst Redl“ ein aus Goldfäden gewebtes Band zu historisch authentischen Tressen zu legen und Stich für Stich zu befestigen oder für Opernsänger Rudolf Schock für eine Rolle einen „Schau­be“ genannten mittelalterlichen Überrock zu nähen.

Immer wieder war dabei auch Renate Königs Improvisationstalent gefragt: Als bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen der Regisseur einen Pannesamt-Umhang als allzu elegant und edel ablehnte, zog Renate König das schöne Stück kurzerhand einen schlammigen Weg entlang: „Als das angetrocknet war, war’s perfekt für die Beerdigungsszene.“ Von der Zusammenarbeit mit Barbara Baum, der renommierten Kostümbildnerin, die viele Filme von Rainer Werner Fassbinder ausgestattet hat, schwärmt Renate König bis heute: „Sie hat so unglaublich exakt auf jedes Detail geschaut. Einmal hat sie sogar da­rauf bestanden, dass ich Gürtellöcher nicht maschinell, sondern von Hand durchsteche. Und tatsächlich sieht man diese Löcher hinterher im Film in einer Großaufnahme.“

Nicht nur Anzüge, Uniformen und Fräcke waren Renate Königs Metier - auch aufwendige Kostüme wurden in der Schneiderwerkstatt hergestellt: Eine zwei Meter große Donald-Duck-Figur, farbenprächtige Showkleider für die Entertainerin Ute Lemper, eine Astronauten-Uniform mit einem Panzer aus einzelnen Metallplättchen für den Sänger Frank Zander. Eines Tages musste Renate König ein Manegen-Outfit für Tiger-Dompteur Siegfried Fischbacher, der später als Teil des Duos „Siegfried und Roy“ weltberühmt wurde, von Hand mit glitzernden Pailletten benähen: „Wir durften keinerlei Parfum verwenden und nichts essen, damit die Tiere nicht durch die Gerüche irritiert würden. Bei der ersten Probe im Kostüm hob der Tiger die Pranke und ratschte alle Pailletten vom Oberteil. Da musste ich von vorne anfangen.“

Renate König, die erst im West-Berliner Stammhaus, später dann in der Münchner Filiale der „Theaterkunst“ arbeitete, hat bei den Anproben viele Schauspieler kennengelernt: „Da gibt es den einen oder anderen Lackaffen und Kotzbrocken darunter“, erzählt sie verschmitzt, „aber es gibt auch sehr viele freundliche, feine und liebenswerte Menschen.“ Besonders beeindruckt war sie von Klaus Maria Brandauer, Bruno Ganz, Lex Barker und Günter Lamprecht, für dessen Hauptrolle Franz Biberkopf in „Berlin Alexanderplatz“ sie die Anzüge schneiderte. Und wenn die geborene Leipzigerin von einer Begegnung mit dem großen Mimen Gert Fröbe erzählt, muss sie bis heute lachen. Fröbe -ebenfalls aus Sachsen stammend - habe sie damals ermuntert, zu ihrer Muttersprache zu stehen: „Meine Kleene, ich hab’s mit dem sächsischen Dialekt bis nach Hollywood geschafft.“