Lisa (Name geändert) fällt es schwer, die Wirkung von Marihuana zu beschreiben. Die Esslingerin wird ruhiger, wenn sie Gras raucht. Besonders in Stresssituationen helfe ihr das Kraut, um herunterzukommen, sagt die 20-Jährige. Sie sei in ihrer eigenen Welt, völlig entspannt, fühle sich gestärkt. Diese Wirkung entdecken offenbar immer mehr junge Menschen im Kreis Esslingen und in der ganzen Bundesrepublik für sich. Das geht aus einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von Anfang Juli hervor. Demnach rauchen zwar immer weniger Menschen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren Zigaretten, konsumierten dafür aber immer häufiger Cannabis. Laut BZgA-Studie haben 10,4 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen und 46,4 Prozent der 18- bis 25-Jährigen schon einmal in ihrem Leben Cannabis ausprobiert, Tendenz steigend.
Cannabis ist aber nicht nur ein Rauschmittel. Auch in der Medizin wird es wegen seiner Wirkung verwendet, beispielsweise in der Schmerztherapie. In Internetforen wird Gras als natürliche, „weiche“ Droge bezeichnet. Die Bezeichnung kommt aus den Niederlanden, wo Cannabis gesetzlich toleriert wird. In manchen Ländern, etwa in Kanada, ist es sogar legal.
Was die Gefährlichkeit angeht, so wird die Droge von Legalisierungsbefürwortern häufig mit Alkohol verglichen; es gibt auch Stimmen, die Cannabis harmloser einstufen. Eine britische Studie zeigte, dass sich der THC-Gehalt des Cannabis in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt hat - hochgezüchtet, um die Wirkung zu verstärken.
Aber Marihuana und Haschisch haben doch nur psychische und keine körperlichen Auswirkungen? Dieses Argument wird oft angeführt. Wie sehr der Drogenkonsum der Psyche schadet, weiß die 20-jährige Lisa nur zu gut. Jahrelang war sie abhängig. „Gefährlich ist es, wenn dir der Rausch gefällt“, sagt sie. „Viele sagen: Boah, das passiert mir nicht, ich kenne mein Limit.“ Das habe auch sie gedacht. Doch dann sei der Drang immer größer geworden. Bis zu 30 Joints am Tag hat Lisa in ihrer Hochphase geraucht. „Ich konnte nicht in die Schule gehen, ohne davor zu kiffen.“ Sie bekam psychische Probleme, wurde antriebslos und verlor zunehmend die Kontrolle über ihr Leben.
„Das Gehirn von Jugendlichen ist viel sensibler, weil es noch heranreifen muss. Es kommt häufig zu Psychosen, das ist schockierend“, sagt Sabine Breitenbach von der Beratungsstelle Sucht und Prävention Nürtingen. Mit ihren Kolleginnen Carolin Konrad und Verena Weiss berät sie Menschen jeden Alters. „Wir sehen, dass Kiffen in ist“, sagt Breitenbach. Cannabis sei nach Alkohol das zweithäufigste Suchtmittel, mit dem die Klienten zu ihnen kämen. „Bei Jugendlichen ist es ein Mittel, um sich abzugrenzen“, sagt Carolin Konrad.
Die Konsumenten spielten mit ihrer Gesundheit, hinzu komme das Risiko durch die Illegalität. „Mit dem regelmäßigen Konsum kommen auch die Probleme mit der Polizei“, erklärt die stellvertretende Leiterin Carolin Konrad. Die meisten Klienten besuchten die Beratungsstelle, weil sie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen seien. „Mittlerweile gibt es extrem viele Sorten“, ergänzt Weiss. „Manche puschen sogar auf anstatt zu entspannen.“
Dass die Droge gesellschaftlich immer weiter verharmlost wird, erfüllt die Expertinnen mit Sorge. Verena Weiss: „Man sieht Cannabis auch dauernd in den Medien. Wenn in einem Film die Hauptfigur zum Beispiel einen Joint raucht, sei das mittlerweile normal.“ Die Beraterinnen sprechen von „Dauerkiffern“, wie es im Jargon heißt, von regelmäßigen Konsumenten. Jedoch sei das beste Mittel, um sich vor Sucht und Krankheit zu schützen, es gar nicht erst auszuprobieren. Lisa ist seit einiger Zeit clean. Sie hat es mit Hilfe der Beratungsstelle in Nürtingen den Weg in die Normalität geschafft.