Die Auswertung der rund 6700 Stellungnahmen zu Windkraft- und PV-Anlagen in der Region Stuttgart hat zu wesentlichen Änderungen der Planentwürfe geführt. Mit dem Ergebnis kann das landesweite Flächenziel weiterhin erreicht werden, so das Fazit des Verbands Region Stuttgart (VRS). Die Regionalversammlung hat die zweite „Offenlage des Regionalplans zur Teilfortschreibung“ für erneuerbare Energien beschlossen. Änderungen an den Planentwürfen – aufgrund von Stellungnahmen, geänderten Bestimmungen und zusätzlich gemeldeten Gebieten – waren dafür der Auslöser. Die Entwürfe der Verwaltung sahen 91 Vorranggebiete (1,9 Prozent) für Windkraft und 82 Vorranggebiete (0,7 Prozent) für Freiflächen-Photovoltaikanlagen vor.
Uns ist eine Standortsteuerung bei Windrädern wichtig.
Michael Schlecht, Bürgermeister in Lenningen
„Ich bin nicht überrascht, dass sich der Verband Region Stuttgart einer nachhaltigen Befassung der Flächenanmeldung der Gemeinde Lenningen vor allem mit dem Hinweis auf die ,Überlagerung mit Ausschlusskriterien nach Kriterienliste‘ verweigert. Das ist einfach und bequem“, findet Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht klare Worte. In der vom VRS aufgestellten Kriterienliste seien unter anderem auch die Pflegezone des Biosphärengebiets Schwäbische Alb sowie das Vogelschutzgebiet aufgenommen. „In der VRS-Wertung wird der Eindruck erweckt, als ob dadurch die Errichtung von Windenergieanlagen nicht möglich wäre, in jedem Fall aber nicht vorausgesetzt werden könne“, sagt Michael Schlecht. Es sei aber keinesfalls ausgeschlossen, dass raumordnerische Festlegungen zur Zulässigkeit von Vorranggebieten auch für Schutzgebiete getroffen werden können. „Dem entzieht sich der VRS bei unserer Flächenanmeldung vollständig. Im Gegensatz zum Regionalverband Neckar-Alb, in dessen entsprechendem Entwurf auch Vorranggebiete für Windenergieanlagen ausgewiesen sind, die unter Schutzgebietscharakter stehen“, erklärt er.
Die Gemeinde Lenningen habe ihren Flächenvorschlag nicht ohne den verantwortungsbewussten Blick in die Zukunft aufgestellt. 1,8 Prozent lautet das vorgegebene Flächenziel, 1,9 Prozent sind es jetzt im Regionalplan. „Es ist wohl nicht auszuschließen, dass noch einige der aktuell aufgenommenen Flächen keinen Bestand haben werden, auch weil davon betroffene Kommunen eine solche Ausweisung teilweise vehement ablehnen“, ist Michael Schlecht überzeugt. Würden die vorgegebenen 1,8 Prozent aber nicht erreicht, werde die sogenannte „Super-Privilegierung“ eintreten. „Damit wäre dem Wildwuchs von Windenergieanlagen auf unserer Markung, die laut Windatlas zu den windhöffigsten Gebieten in der Region Stuttgart gehört und damit für den Markt besonders attraktiv ist, Tür und Tor geöffnet“, befürchtet Michael Schlecht. Der Gemeinde Lenningen sei es mit der Ausweisung des vorgeschlagenen und nun vom VRS abgelehnten Vorranggebietes aber wichtig, dass eine landschafts- und artenschutzgerechte Standortsteuerung bei der Errichtung von Windrädern erreicht werden kann. „Das können wir nun im Falle einer etwaigen künftigen Super-Privilegierung vergessen“, findet er klare Worte.
Flächen noch im Vorbehalt
Nach Anträgen aus allen Fraktionen der Regionalversammlung des VRS wurden die Entwürfe angepasst. In der Sitzung wurden 87 Vorranggebiete (1,8 Prozent) für Windkraft beschlossen, während die Gebiete für Freiflächen-Photovoltaikanlagen unverändert blieben. 26 Flächen stehen noch unter Vorbehalt, da hier Arten- und Wasserschutzthematiken im Raum stehen, die geklärt werden müssen. Deshalb sind sie noch nicht im Planentwurf enthalten. Mit dem neuen Planentwurf kann das landesweite Flächenziel weiterhin erreicht werden. Dieses sieht vor, mindestens 1,8 Prozent der Regionsfläche für Windkraft und mindestens 0,2 Prozent für Freiflächen-Photovoltaikanlagen auszuweisen.
Der Hungerberg wird zur PV-Hochburg
Das Käppele in Dettingen ist aus Sicht von Michael Christ, Klimaschutz- und Energiemanager in Dettingen, für Windenergieanlagen ein geeigneter Standort. „Da es in einem Schutzgebiet liegt, macht es die Sache schwieriger – es schließt sich aber nicht aus“, erklärt er. Dettingens Kämmerer zeigte er die Vorteile auf, die aus seiner Sicht nicht nur in der Emissionsreduktion liegen: „Wenn der Gemeinde die Flächen gehören, auf denen die Windräder stehen, bringt das Pacht ein. Das können mehrere 100.000 Euro pro Jahr und Windrad sein – man muss auch die wirtschaftliche Seite betrachten.“
Der Hungerberg ist dagegen eine völlig andere Hausnummer in Sachen Photovoltaikanlagen. Das Gebiet liegt entlang der Autobahn im sogenannten Grünzug und war lange Zeit als mögliches Gewerbegebiet im Gespräch, ehe ein Bürgerentscheid das Projekt stoppte. „Durch die Fortschreibung des Regionalplans ist es erlaubt, dass man dort PV-Anlagen bauen darf, ohne einen Antrag zu stellen. Das verkürzt das Verfahren, man spart ein halbes Jahr für Planung ein. Wir reden aber trotzdem von 2027, bis die Anlage steht“, erläutert Energiemanager Michael Christ.
„Mit zehn Hektar ist die Fläche etwa halb so groß wie das einstmals geplante Gewerbegebiet“, so der Klimaschutzmanager. Der Bereich liegt neben der Autobahn und wird Richtung Süden grob von der Stromleitung begrenzt. Die überwältigende Mehrheit der Eigentümer sei für den Bau der Anlage. „Es gibt die Idee, Schafe unter den Anlagen weiden zu lassen – oder dass man mit Kleingeräten mäht.“
Die Fläche soll an eine Projektgesellschaft verpachtet werden. Ein Bürgersolarpark ist im Gespräch. „Bürger und Landwirte können Anteile zeichnen und bekommen einen Bonus“, führt Michael Christ aus. Zudem gebe es 3500 Euro Pacht pro Hektar und Jahr.
Wo die Leitung verlaufen soll – auf Kirchheimer oder Dettinger Markung – ist noch nicht klar. Eine weitere Möglichkeit wäre der Anschluss an die Trafo-Station der Deutschen Bahn beim Albvorlandtunnel. Die Detailplanung muss noch erfolgen. Auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan muss aufgestellt werden. ih