Frauen, noch dazu Abiturientinnen, in Handwerksberufen? In Lenningen gibt es sie mit Franziska und Elena Dangel gleich im Doppelpack. Der Instagram-Kanal der „Handwerkschwestern“ ist ein Selbstläufer. „Letzte Woche hatten wir noch 5500 Follower. Jetzt sind es schon fast 6000“, sagt Franziska und wundert sich über die Resonanz. „Das ist voll die Community“, ergänzt die jüngere Schwester Elena. Dabei würden sie ihren Account gar nicht besonders häufig mit Beiträgen füttern. „Wir sind ja zum Arbeiten auf der Baustelle und nicht, um Filme zu drehen“, meint Franziska lachend. Bei dem Interview geht es munter zu. Spürbar ist: Da sitzen zwei, die nicht nur die Familie zusammenschweißt.
Einig sind sich die Schwestern, die schon mal für Zwillinge gehalten werden, auch bei der Berufswahl. Sie wollen als Klempnerinnen arbeiten. Die 24-jährige Franziska hat nach ihrem BWL-Studium mit dem Zweig Immobilienwirtschaft ihre Ausbildung bereits hinter sich. Die drei Jahre jüngere Elena absolviert momentan das duale Studium BWL Handwerk im elterlichen Betrieb. Vom ersten Tag an drängte sie raus auf die Baustellen. Derzeit schreibt sie ihre Bachelorarbeit zum Thema „Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie“. Ein Anliegen ist ihr das Verbessern von Prozessen im Betrieb. Ab Herbst will sie die Ausbildung zur Klempnerin draufsatteln. Die hat nichts mit Sanitär und Heizung zu tun. Das Vorurteil müssen die Handwerkschwestern immer wieder ausräumen.
In ihrem Alltag arbeiten sie mit Blech in allen Facetten. Mal müssen Fallrohre angebracht werden, mal Einfassungen von Dachfenstern, mal Verwahrungen von Gauben, Kaminen oder Mauern. „Gestern haben wir die Unterkonstruktion für Fassadenpaneele gemacht. Davon habe ich heute einen richtigen Muskelkater“, sagt Franziska schmunzelnd. „Wir sehen viel. Jede Baustelle ist anders.“ Danach gefragt, was sie an dem Beruf fasziniert, sprudelt es aus den beiden heraus: Kreativität, Selbstentfaltung, Eigenverantwortung und das Arbeiten an der frischen Luft, sind Schlagworte, die fallen. „Mit gefällt es super. Vom ersten Tag geht es immer so“, meint die 24-Jährige und untermauert ihre Aussage mit ihrem nach oben zeigenden Arm. Strahlend erzählt sie vom Glück, mit dem Blick über die Dächer zu arbeiten. „Der Sonnenaufgang ist das Schönste“, ergänzt Elena. „Dann ist es fast wie Urlaub.“ Dass im Winter die Finger auch mal steif vor Kälte werden, weil es aus einer Rinne tropft und im Sommer der Schweiß rinnt, daran gewöhne man sich. Genauso daran, auf Schminke zu verzichten. „Einmal ist mir die Wimperntusche runtergelaufen. Ich habe ausgesehen wie ein Monster“, sagt Elena und schüttelt sich vor Lachen.
Auf welchen Baustellen die Schwestern mit anpacken, bestimmt das Orga-Team der 40-köpfigen Mannschaft von Dangel-Metall. „Unserem technischen Leiter ist es wichtig, dass wir die Zusammenhänge verstehen und den gesamten Ablauf auf der Baustelle erleben“, erzählt Elena. Eine Sonderstellung käme den Töchtern des Firmenchefs Frank Dangel komisch vor. „Die wollen wir nicht“, sagt die 21-Jährige und schüttelt wie ihre Schwester den Kopf.
Drei Klassen und nur ein Mädchen
Exotinnen sind die beiden jungen Frauen in ihrer Domäne allemal: Während ihrer Ausbildung war Franziska das einzige Mädchen und das bei drei Klassen. Das entspricht dem Durchschnitt. Elena freut sich, dass es in ihrem Jahrgang in der Berufsschule neben ihr voraussichtlich zwei weitere Mädchen geben wird. Die Schwestern fänden es toll, wenn mehr Frauen in Männerdomänen wie dem Klempnerhandwerk arbeiten würden. Das sei auch der Gedanke ihres Instagram-Kanals. Es geht ihnen darum zu zeigen, dass Handwerk cool ist, man sich nicht nur die Hände dreckig macht, man sich auf der Baustelle gegenseitig hilft und es dort keinen Unterschied gibt zwischen Frauen und Männern gibt. Ob Junge oder Mädchen: An Nachwuchs mangelt es seit Corona noch mehr als bisher. Ein Grund seien ausgefallene Ausbildungsmessen, erklärt Elena. Während Dangel-Metall in den verschiedenen Jahrgängen sonst bis zu sechs Klempner gleichzeitig ausbildet, sind es derzeit lediglich zwei.
Druck, in die Fußstapfen des Vaters zu treten, haben die Schwestern nie gespürt. Im Gegenteil: „Unsere Eltern haben immer gesagt, ihr müsst das nicht machen“, sagt Franziska. Dass sie dennoch auf den Trichter kamen, habe auch mit ihrem Opa zu tun. Gottlieb Dangel gründete die Firma 1969. Mit seinen besonderen Arbeiten wie den „Albhörnern“ aus Kupfer und dem hauseigenen Museum sprang der Funke der Begeisterung auf die Enkelinnen über. Franziska holt eine kleine Bettflasche und eine Vase aus einer Vitrine: „Das ist alles von Hand geschmiedet“, sagt sie bewundernd, während sie auf den gehämmerten Boden zeigt. „Wenn ich früher gelebt hätte, hätte ich Kupferschmied gelernt. Super sind doch zum Beispiel Riesenkessel für Brauereien“, sagt sie und ihre Augen leuchten noch einen Tick mehr als ohnehin.
Die Meisterin haben beide Handwerkschwestern im Blick
Ob die Handwerkschwestern den Betrieb jemals übernehmen, steht in den Sternen. „Man muss langfristig planen, wo man mit der Firma hin will“, meint Elena. Im Alltag bleibt kaum Zeit, um über die Zukunft zu sprechen. Doch wollen die Schwestern überlegen, wo sie sich in fünf oder zehn Jahren sehen. Jetzt steht schon fest, dass sie Meisterinnen werden wollen.
Momentan jedenfalls drücken die sympathischen Dangel-Schwestern mit den blonden langen Haaren dem Handwerk, das seit jeher „goldenen Boden“ verspricht, ihren Stempel auf. So gibt es nicht nur Anfragen für Werbefilme etwa für Arbeitsklamotten und von einem Maschinenhersteller. Die beiden waren auch mit einer Präsentation bei der Ehrung der Kammersieger der Handwerkskammer in Stuttgart mit von der Partie, auf Youtube gibt es einen Film über sie, und der SWR strahlte 2021 zum Weltfrauentag Beiträge im Fernsehen und Radio über sie aus. Zu sehen und zu hören sein wird von den erfrischend unkomplizierten Handwerkschwestern sicher noch eine Menge.