Die Räume der Bestatterin liegen nicht an einer Hauptstraße, sondern mitten im Wohngebiet auf dem Dettinger Guckenrain. Leonie Vogt empfängt ihre Gäste in einem hellen Beratungsraum, an den Wänden goldene Regale mit Urnen darauf. Keine Särge, dafür ein Klavier, und selbst gemalte Bilder an den Wänden, die die Bestatterin selbst anfertigt. Einen Kühlraum hat Vogt nicht. Das brauche man heutzutage auch nicht mehr, sagt sie. Sie nutzt die Kühlräume in Krankenhäusern und auf Friedhöfen, je nachdem, wo ein Mensch verstorben ist.
Vogt ist ein bisschen im Stress. Gerade mal vier Wochen ist ihr kleines Unternehmen zum Zeitpunkt des Gesprächs alt, aber die Wahl-Dettingerin hat jetzt schon alle Hände voll zu tun. Ihr Mitarbeiter holt gerade mit dem Leichenwagen einen Verstorbenen aus Reutlingen ab und bringt ihn zum Friedhof. Für zwei weitere Familien kümmern sie und ihre drei Mitarbeiter sich parallel um die Beisetzung. Später wird Vogt zum Friedhof fahren und eine der Verstorbenen, die zuletzt im Pflegeheim lebte, versorgen. „Wir waschen sie, kleiden sie an, lackieren ihr die Fingernägel“, sagt sie. Die Tochter der Frau wird ihr dabei helfen. Anschließend erhält sie den Schlüssel, sodass sie und die anderen Angehörigen sich in dem gekühlten Raum verabschieden können. Vogts pinker Koffer, in dem sich alles befindet, was sie für die Versorgung der Verstorbenen braucht, steht griffbereit im Flur.
Dass die 30-Jährige, die ursprünglich aus Markgröningen stammt, jetzt schon so gut zu tun hat, ist für Vogt fast zu schön, um wahr zu sein. Ein eigenes Bestattungsunternehmen zu haben, sei seit ihren Teenager-Tagen ihr Traum gewesen, sagt die junge Frau, die ihr FSJ in einem Hospiz gemacht hat und vor der Unternehmensgründung bei verschiedenen Bestattern gearbeitet hat. In die Branche ist sie als Schülerin mit 15 Jahren eher zufällig reingestolpert, aber seitdem hat das Thema Tod sie nicht mehr losgelassen.
Als „Neue“ habe sie es nicht so leicht in dieser Branche, sagt Vogt. Die großen Unternehmen hätten ihre Büros in der Regel in den Hauptstraßen der Gemeinden, seien gut sichtbar und bekannt. Vogt will darauf hinweisen, dass Angehörige frei wählen dürfen, auch über Ortsgrenzen hinaus. „Man muss nicht zu dem Bestatter gehen, der im Dorf das größte Unternehmen hat“, sagt sie. Oft sei in den Köpfen verankert, dass es einen „Ortsbestatter“ gibt, was aber gar nicht der Fall sei.
Die junge Frau will anders sein, persönlicher. „Bestatterin mit Herz“ nennt sie sich. Auf ihrem Instagram-Kanal „seelenklang_worte“ postet sie persönliche, sehr emotionale Texte rund ums Thema Trauer, gewährt aber auch Einblicke in ihre Arbeit. Und sie zeigt sich gerne, manchmal auch auf provokante Art und Weise. „Die tanzende Bestatterin“, so ist eines ihrer Videos überschrieben. Sie habe es aufgenommen, weil ein Kollege sich darüber aufgeregt habe, dass sie tanze und „Bestatter-Fashion“ auf ihrem Kanal zeige. Vogt trennt auf ihrem Insta-Kanal nicht zwischen Beruflichem und Privatem. „Ich bin halt, wie ich bin“, sagt sie. Die junge Bestatterin hat pinke lange Fingernägel, liebt hohe Schuhe. Auf Beerdigungen trage sie selten durchgängig schwarz, sagt sie. „Ich will nicht so schwer daherkommen.“
Weibliche Bestatter sind immer noch die absolute Ausnahme. In der unmittelbaren Umgebung ist Leonie Vogt die einzige. In Geislingen gibt es eine Kollegin, mit der sie sich regelmäßig austauscht. Es fällt ihr schwer, zu sagen, wie sie sich von männlichen Kollegen unterscheidet. „Mir wurde gesagt, dass es bei mir persönlicher ist“, sagt sie. Wichtig ist ihr beispielsweise, dass das Bild des Verstorbenen, das häufig während der Trauerfeier aufgestellt wird, nicht dort bleibt, sondern zum Leichenschmaus mitgenommen wird. Häufig werde sie im Anschluss an die Trauerfeier dazu eingeladen. Für Vogt ein großes Kompliment.
Die junge Bestatterin möchte über den Tod hinaus für Angehörige da sein und bietet deshalb ab April ein Trauercafé in Dettingen an. Auch ein Kurs für Eltern mit dem Titel „Kinder trauern anders“ ist in Planung. Vogt könnte sich auch vorstellen, gemeinsam mit der Autorin Anja von Kampen, die Verfasserin des Kinderbuchs „Knietzsche und der Tod“ ist, Grundschulklassen zu besuchen. Mit Kindern über den Tod zu sprechen, findet sie unglaublich wichtig. „Sie wollen beteiligt werden, wenn es ums Sterben geht“, sagt sie. Es gebe viele Möglichkeiten, Kinder bei Beerdigungen einzubinden. „Sie können das Blumenkörbchen halten. Oder helfen, Erde auf das Grab zu schütten“, sagt Vogt. Niemals dürfe man sie anlügen, wenn es um den Tod geht. „Oma ist nicht eingeschlafen. Sie ist gestorben.“
InfoDas Trauercafé „Herzlicht“ findet erstmals am 12. April um 15.30 Uhr im „Leihen & Feiern“ in Dettingen statt. Gemeinsam mit der Künstlerin Rayanna Tiederle von Songbird Academy kann der Trauerprozess mit einer Aquarellreise bewusst durchlebt werden. Anmeldungen für das kostenpflichtige Angebot werden bis zum 8. April entgegengenommen, und zwar per Mail an info@vogtbestattung.de oder unter der Nummer 0155/66866603. Dort gibt es auch nähere Informationen.