Viel Licht, viel Sicherheit: Das ist die landläufige Meinung, stimmt aber nur auf den ersten Blick. „Je mehr Licht irgendwo ist, desto dunkler ist das, was dahinter liegt“, sagt Rudi Seibt. Der Ingenieur sprach als Vertreter der Organisation „Paten der Nacht“ beim Fachtag in Plochingen über Lichtverschmutzung und über rechtliche und praktische Aspekte von Straßenbeleuchtung. Dabei ging es insbesondere um den Schutz von Insekten, aber auch anderen nachtaktiven Tieren. Angesichts der aktuellen Energiekrise ist zudem das Stromsparen ein zentrales Anliegen.
Hell-Dunkel-Kontraste sind für das menschliche Auge ein Problem. Denn dieses passt sich an die Lichtverhältnisse an, richtet sich aber an der hellsten Lichtquelle aus und sieht deshalb in dunkleren Bereichen schlechter. Man kennt das, wenn man aus der prallen Sonne in einen schattigen Raum kommt, es gilt aber auch für dunklere Hauseingänge oder Durchgänge. Hinzu kommt, dass das Auge relativ lange benötigt, um sich auf weniger Licht einzustellen. Bei schwächerer Beleuchtung nimmt es also insgesamt mehr von der Umwelt wahr.
Blauanteile schaden Insekten
Paten der Nacht haben Empfehlungen für Straßen- und andere Beleuchtung herausgegeben. So sollten Straßenlampen das Licht gezielt waagrecht nach unten werfen und in alle anderen Richtungen abgeschirmt sein, also auch kein gewölbtes, überstehendes Glas aufweisen. Meist reiche eine Höhe von vier Metern für eine gleichmäßige Ausleuchtung aus, so Seibt. Fotos, die er dabei hatte, zeigten Negativbeispiele wie hohe Leuchten, deren Licht größtenteils in den darunter liegenden Baumkronen hängen bleibt. Oder von Sportplätzen, deren schräg ausgerichtete Lampen mehr die Umwelt als das Spielfeld beleuchten. Auch die Lichtfarbe spielt eine Rolle: „Je gelber, desto besser“, sagte der Fachmann, empfohlen würden maximal 3000 Kelvin. Blauanteile im Licht schaden nicht nur Insekten und anderen Tieren, sondern auch dem Schlaf des Menschen.
Die Frage ist: Wie viel Licht wird an welcher Stelle und um welche Zeit gebraucht? Hier sieht der Ingenieur Spielraum für die Kommunen. Die DIN EN 13201 regle zwar, welche Beleuchtung bei welcher Straßenklasse die Norm ist, aber es gebe keine Verpflichtung, das umzusetzen. Die Gemeinden hätten lediglich die allgemeine Verkehrssicherungspflicht. Und selbst wenn sie die Norm einhalten wollen, empfiehlt er dringend, ein einfaches Messgerät (Luxmeter) anzuschaffen und nachzumessen, wie viel Licht tatsächlich ankommt: Das sei oft weit mehr als zuvor berechnet wurde, vor allem nach einer Umstellung auf LED.
Künstliche Intelligenz regelt die Straßenbeleuchtung
Mischa Allgaier, der als Kommunalberater von der Netze BW ein Pilotprojekt der Gemeinde Heiningen im Kreis Göppingen vorstellte, bestätigte das: Auch dort wurde zunächst die tatsächliche Lichtstärke gemessen. „Das Erste, was wir festgestellt haben: Wir sind viel zu hell“, so Allgaier. Es folgte eine erste Anpassung, die schon eine Menge Energie eingespart habe. Doch die Gemeinde tut noch mehr: Sie regelt mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz ihre Straßenbeleuchtung, was ihr beim bundesweiten „Innovationspreis Reallabore“ einen Sonderpreis – gleich hinter der Esslinger Weststadt – eingebracht hat. Allgaier leuchtete bei seinem Vortrag buchstäblich vor Begeisterung, obwohl er selbst zunächst zu den Zweiflern gezählt habe, wie er gestand.
Heiningen hatte an der Ortsdurchfahrt bereits Straßenleuchten installiert, die mit Konnektoren versehen werden können. Das ist im Frühjahr geschehen: diese Geräte vernetzen die Lampen miteinander und ermöglichen, sie zu dimmen. Was die Gemeinde nicht nur zu später Nachtstunde tut, sondern zusätzlich auch dann, wenn wenig Verkehr ist. Für dessen Erhebung werden mehrere Systeme – Infrarotkameras, Bluetooth-Messung, Mikrofone für Abrollgeräusche – parallel genutzt, um sie vergleichen zu können.
Heiningen ist ein „Reallabor“
Gleichzeitig zeichnen spezielle Kameras an drei Stellen sowohl die Zahl als auch die Art der an den Leuchten vorbeifliegenden Insekten auf. Daraus möchte man Schlüsse ziehen, wie sich unterschiedliche Lichtstärken auf das Verhalten der Tiere auswirken.
Allgaier bezifferte die Kosten des Projekts auf 90 000 Euro, mehr als 80 Prozent trage das Land. Als „Reallabor“ darf Heiningen zudem experimentieren. So werde ab dem 1. November die Beleuchtung sogar auf zehn Prozent der ursprünglichen Lichtstärke gesenkt und das Verhalten der Insekten wie auch die Reaktion der Menschen beobachtet. Schließlich ist die Beleuchtung an der Heininger Hauptstraße schon jetzt, je nach Uhrzeit und Verkehr, auf 25 bis 37 Prozent reduziert. Und, sagt Allgaier, „es hat sich noch kein Bürger und keine Bürgerin in irgendeiner Weise beschwert, dass es zu dunkel ist“.
Schonende Beleuchtung
Sternenpark: Die Initiative Sternenpark Schwäbische Alb gibt Tipps für verschiedene Beleuchtungssituationen, wie Straße, Sportplatz, Fassade oder auch Leuchtwerbung (www.sternenpark-schwaebische-alb.de). Auch die Paten der Nacht haben auf ihrer Website entsprechendes Material, unter anderem auch zur Weihnachtsbeleuchtung und zu Außenlicht allgemein (www.paten-der-nacht.de).
Norm: Welche Straßen beleuchtet werden, ist europaweit nach wie vor unterschiedlich. Hier gibt es noch keine übergreifende Norm und erhebliche Abweichungen. So werden in den Niederlanden, in Belgien und Luxemburg die meisten Autobahnen beleuchtet, in Deutschland dagegen nicht. In Südeuropa trifft man teilweise auch auf unbeleuchtete Tunnel und Kreuzungen.