Ob Hunde, Katzen, Fische oder Vögel: Haustiere sind aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile hat beinahe die Hälfte der Haushalte in Deutschland mindestens einen nicht-menschlichen Mitbewohner. Dennoch warten viele Tiere noch immer sehnsüchtig auf eine Familie. Fast 400.000 Tiere müssen jährlich in den deutschen Tierheimen versorgt werden. Viele sind überfüllt und in finanzieller Not.
Auch das Tierheim Kirchheim hält sich nur mit Mühe über Wasser. Die Fixkosten werden durch Fundtierbeiträge von den Gemeinden gerade so gedeckt, meint Sandra Nebe, die 8 Jahre lang ehrenamtlich im Tierschutz beschäftigt war, bevor sie 2018 die Leitung des Heims übernahm. Der große Rest wird über Spenden und Erbschaften finanziert. Langfristig genügt das jedoch nicht, um über die Runden zu kommen.
Auch der Platz reicht dem Team hinten und vorne nicht. Jährlich werden nach Angaben der Leiterin im Schnitt zwischen 150 und 250 Katzen aufgenommen. Aktuell zählt das Tierheim über 45 flauschige Bewohner. Sandra Nebe erklärt, dass das Heim eigentlich rein für Fundtiere zuständig ist; Ausnahmen werden nur in dringenden Notfällen gemacht. Da es für Abgabetiere schlichtweg keinen Raum mehr gibt, sieht sich das Tierheim oft mehrmals in der Woche gezwungen, Tiere abzulehnen. „Es ist egal, in welcher Größe man das Tierheim baut. Es wird immer zu klein sein.“
Helfende Hände sind für das Heim unverzichtbar. So nutzen mehrere Ehrenamtliche ihre freie Zeit, um den Katzen Gesellschaft zu leisten und mit ihnen zu spielen. Für die Sozialisierung besonders scheuer Kätzchen sind Pflegestellen zuständig. „Bei erwachsenen Katzen ist das aber sehr schwierig“, setzt Sandra Nebe hinzu. Manche Tiere tun sich dementsprechend schwerer, einen Abnehmer zu finden. Zwei Katzen im Kirchheimer Tierheim mussten ganze drei Jahre lang auf ihre künftige Familie warten.
Hinzu kommt, dass nicht alle vermittelten Tiere bei ihrer Adoptivfamilie bleiben können. Dass Tiere zurückgegeben werden, komme zwar selten vor, könne aber passieren, sagt Sandra Nebe. So kann ein Familienmitglied beispielsweise eine Allergie entwickeln oder ein vorhandenes Haustier nicht mit dem Neuzugang klarkommen. Viel häufiger stünden Menschen jedoch mit Tieren aus anderen Heimen an der Türschwelle. „Die haben ihren Hund einen Tag, vielleicht zwei, dann kommen sie zu uns und sagen, dass es nicht so funktioniert, wie sie sich das vorgestellt haben und sie den Hund abgeben wollen“, ärgert sich die Leiterin.
Dass die Tierheime überlastet sind, hängt nicht mit einem Mangel an Menschen zusammen, die ein Tier adoptieren möchten: „Es ist nicht mehr wie früher, wo man entweder ins Tierheim oder zum Bauern ging“, erzählt Sandra Nebe. Es gebe einfach zu viele Katzen und zu viele Plattformen im Internet, auf denen Tiere angeboten werden. „Somit bleiben die Tiere in den Heimen auf der Strecke.“
Maine Coon Zucht in Esslingen
Mit Verkäufern, die ihre Tiere über das Internet verscherbeln, möchte die Katzenzüchterin Petra Steinberger nicht in einen Topf geworfen werden. „Das sind dann keine Züchter mehr, sondern Vermehrer“, korrigiert sie. Neben ihrer Arbeit als Ingenieurin bei Mercedes züchtet sie in ihrem ruhig gelegenen Haus am Waldrand im Esslinger Stadtteil Weil seit 20 Jahren leidenschaftlich Maine Coon Katzen.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Petra Steinberger. „Man sagt: Maine Coon macht süchtig. Wer einmal eine hat, will nie wieder etwas anderes.“ Besonders schätze sie die Anhänglichkeit, Gelassenheit und Gesprächigkeit der Rasse. „Wenn ich nachhause komme, laufen sie mir auf der Treppe entgegen und erzählen mir, was hier den ganzen Tag gelaufen ist. Das glaube ich zumindest“, meint die Züchterin lachend.
Momentan zählen zu Petra Steinbergers Mitbewohnern ganze sieben Zuchtkatzen sowie deren Nachwuchs. Ihren Tieren möchte die Züchterin so viel Freiraum wie nur möglich geben: Die Tiere können sich sowohl im ganzen Haus als auch im eingezäunten Teil des Gartens frei bewegen; die Kastraten dürfen das Grundstück auch verlassen. Anders als viele andere Züchter behält Petra Steinberger die Zuchtkatzen, auch wenn diese keine Babys mehr bekommen: „Ich finde, wenn eine Katze hier lange war, hat sie sich auch ein schönes Rentnerleben verdient.“
Für ihre Zucht hat Petra Steinberger klare Vorgehensweisen. Nach der Auswahl von Kater und Katze werden zahlreiche medizinische Untersuchungen, wie etwa auf Herz- oder Lungenprobleme und Gendefekte, durchgeführt. „Wenn die Dame und der Herr bereit sind, lässt man sie zusammen, sie finden sich und dann gibt es ziemlich genau 65 Tage später Babys“, erklärt die Züchterin. Dass Kater und Katze die Chance für etwas Zweisamkeit nicht nutzen, könne vorkommen, sei jedoch selten. „Das ist einfach Natur.“
Drei bis vier Monate nach der Geburt können die Kätzchen von Käufern adoptiert werden. Es gibt durchaus „Wiederholungstäter“, die schon mehrere Katzen aufgenommen haben, erzählt Petra Steinberger. Sie betont, dass die Optik natürlich relevant sei, sie jedoch genauso auf den Charakter achte: „Jede Katze ist ein bisschen anders. Ich schaue immer, welches Tier zu welchem Menschen passt.“
Ihre Katzen vermittelt Petra Steinberger ausschließlich in Haushalte, die den Tieren Freigang erlauben oder mindestens eine weitere Katze haben. Außerdem, erklärt sie, bringe sie alle Babys in ihr neues Zuhause, um sicherzustellen, dass das Kätzchen in einem guten Umfeld aufwächst. Ähnlich wird es auch im Tierheim gehandhabt: Um eine Katze adoptieren zu dürfen, sind mehrere Gespräche und ein Hausbesuch notwendig. Wird der Adoptionsantrag abgelehnt, liegt das oft an der Wohnlage, meint Sandra Nebe: „Da sehen die Leute nicht, was das Problem ist, da sie ja eine tolle Terrasse haben, aber wenn die Katze einmal um die Ecke geht, steht sie bei Lidl auf dem Parkplatz.“
Aktuell kostet eine Katze im Kirchheimer Tierheim genau 150 Euro. Im Vergleich: Für eine Maine Coon Katze aus Petra Steinbergers Zucht „Kampfschnurrer“ zahlen Käufer pauschal 950 Euro. „Leute behaupten oft, wir Züchter machen das für Geld, aber mit meinem Preis kommt man mit den Kosten geradeso hin. Das läppert sich ganz schön“, meint die Esslingerin. Von den sogenannten Ebay-Züchtern und Vermehrern grenzt sie sich klar ab. Leider, so die Züchterin, landen oft Kätzchen aus ungeplanten Würfen im Internet. Gleichermaßen gibt es Vermehrer, die so viele Würfe wie möglich möchten. „Meine Katzen kriegen vielleicht einmal im Jahr oder sogar nur alle zwei Jahre einen Wurf“, stellt Petra Steinberger klar.
Zwei Perspektiven
Den wesentlichen Vorteil von Zuchtkatzen sieht Petra Steinberger in deren Verhalten: „Oft sind Katzen aus dem Tierheim leider nicht so gut sozialisiert, weil sie viel mitmachen mussten. Ich hatte selbst schon Katzen aus dem Tierschutz, und das ist eine andere Nummer.“ Ein Mythos, wie Sandra Nebe findet. „Die dankbarsten Katzen findet man im Tierheim“, äußert die Leiterin. Zudem, argumentiert sie, seien Zuchtkatzen eher durch Krankheiten vorbelastet. Dem stimmt Petra Steinberger nicht ohne Wenn und Aber zu: „Natürlich gibt es schlechte Züchter, die nicht auf die Gesundheit achten“, bedauert sie. „Aber wenn man es richtig macht, ist an diesen Dingen nicht viel dran.“
Dass die Tierheime weniger gefüllt wären, wenn es keine Züchter gäbe, glaubt sie nicht. Es seien zwei völlig verschiedene Herangehensweisen, denen eine bewusste Entscheidung zugrunde liege. „Man darf auch nicht vergessen: Es sind meistens nicht die Zuchtkatzen, die im Tierheim landen“, meint Petra Steinberger. „Wer sich entscheidet, vom Züchter zu kaufen, behält die Katze in der Regel auch.“
Sandra Nebe stellt klar: „Für mich braucht es die Zucht nicht mehr zu geben.“ Gute Züchter sind in ihren Augen leider rar. Stattdessen hat für die Leiterin des Tierheims die ethische Sicht Priorität: „Man gibt Tieren eine Chance, die es schwerer haben und schenkt den armen Seelen, die von der Gesellschaft im Stich gelassen wurden, ein Zuhause.“
Petra Steinberger will den Menschen die Entscheidung offenlassen: „Ich finde es sehr schön, wenn Katzen aus dem Tierschutz geholt werden. Wichtig ist für mich am Ende, dass sich jeder ausreichend informiert und da hingeht, wo er möchte.“