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Linke setzen nicht auf Obergrenzen

Wahlkampf Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel aus Tübingen und Heinrich Brinker, Bundestagskandidat von Die Linke, stellen sich in der Kirchheimer Fußgängerzone den Fragen der Wähler. Von Daniela Haußmann

Samstag, 11 Uhr. In Kirchheims Parkhäusern sind Stellflächen zum knappen Gut geworden. Überall bevölkern Passanten die Plätze und Gassen. Mitten drin verteilt Heinrich Brinker Handzettel. Der Mann, der für die Linkspartei als Bundestagskandidat im Wahlkreis Nürtingen ins Rennen geht, lädt die Menschen ein, sich an seinem Infostand vor dem Rathaus zu informieren. Viele kommen mit Brinker ins Gespräch. Ein großes Thema ist die Alterssicherung.

Heinrich Brinker und seine Parteikollegin, die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, kennen Fälle, in denen Senioren ihre schmale Alterssicherung aufbessern, indem sie weiter arbeiten gehen oder Pfandflaschen auf der Straße einsammeln, um über die Runden zu kommen. Die Zuzahlung bei Medikamenten, die Kosten beim Zahnersatz oder beim Kauf einer Brille sind Beispiele für Ausgaben, die so manchem Rentner Kopfzerbrechen bereiten, wie Heike Hänsel bemerkt. „Heute zeigt sich, dass es selbst für Durchschnittsverdiener immer schwieriger wird, sich eine Rente deutlich über der Grundsicherung zu erarbeiten“, betont die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. „Bis 2030 wird das Rentenniveau bei geltendem Recht voraussichtlich um weitere acht Prozent sinken.“

„Wir fordern eine solidarische Mindestrente von 1 050 Euro netto pro Monat, die bei Bedarf ausgezahlt wird“, so der Bundestagskandidat, der dafür plädiert, dass nach österreichischem Vorbild alle Erwerbseinkommen in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden, um Senioren ein gutes Auskommen im Ruhestand zu ermöglichen. „Ein Rentner in Österreich erhält pro Jahr 10 000 Euro mehr als ein deutscher Rentner“, gibt Heinrich Brinker zu bedenken. Gleichzeitig bricht er eine Lanze für eine solidarische Bürgerversicherung, die allen Menschen eine umfassende Gesundheitsversorgung garantiert und einer Zwei-Klassen-Medizin entgegenwirkt. Wer viel verdient, soll laut Heike Hänsel entsprechend mehr ins Gesundheitssystem einbezahlen. Solidarität darf ihrer Ansicht nach nicht bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 4 050 Euro haltmachen.

„Jeder muss prozentual das Gleiche einzahlen. Wer keine Einkünfte hat, wird beitragsfrei gestellt“, fordert die Politikerin. „Zuzahlungen, beispielsweise für Krankenhausaufenthalte, Medikamente und Therapien, werden abgeschafft.“ Dafür will Die Linke alle Einkommensarten zur Finanzierung der Krankenversicherung heranziehen, also neben Löhnen und Gehältern beispielsweise auch Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit sowie Miet-, Pacht- und Kapitalerträgen. Gleichzeitig sollen laut Heinrich Brinker Arbeitgeber wieder die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge ihrer Beschäftigten tragen.

Auch das Thema Flüchtlinge wird angesprochen. Obergrenzen soll es aus Sicht der Linken nicht geben. Stattdessen müssen laut Heike Hänsel Fluchtgründe wie Hunger, Krieg, Umweltzerstörung oder Perspektivlosigkeit an der Wurzel bekämpft werden. „Lokale Kleinproduzenten müssen gestärkt werden“, findet Hänsel. Als Beispiel nennt sie den Export von europäischem Geflügelfleisch nach Afrika. Die Kleinbauern können mit den europäischen Dumpingpreisen nicht konkurrieren und rutschen in Perspektivlosigkeit ab. Handelsbeziehungen, die die Ungleichheit der Partner anerkennen und nicht auf Verdrängungswettbewerb abzielen, sind nach Meinung beider Wahlkämpfer ein wichtiger Baustein, um Fluchtursachen zu bekämpfen.

Aber genauso müssen nach ihrem Befinden auch bezahlbare Wohnräume geschaffen werden. Der soziale Wohnungsbau wurde nach Ansicht von Brinker viel zu lange vernachlässigt, auch in Kirchheim. Zwar nimmt die Schaffung von Sozialwohnungen allmählich Fahrt auf, doch zu den Armen, Studierenden und Rentnern, die dringend auf erschwingliche Unterkünfte angewiesen sind, kommen nun noch Geflüchtete und deren nachziehende Angehörige hinzu, gibt der Bundestagskandidat zu bedenken. Deshalb fordert die Linkspartei laut Heike Hänsel, die Mittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau auf fünf Milliarden Euro jährlich zu erhöhen und in Zukunft jedes Jahr etwa 250 000 Sozialwohnungen zu schaffen, für die eine unbefristete Mitpreisbindung gilt.

Ingo Wiesenfahrt ist einer der Bürger, die die Chance genutzt haben, mit Heinrich Brinker ins Gespräch zu kommen. Der Kirchheimer findet es wichtig, dass Wähler solche Angebote wahrnehmen und bei den Kandidaten nachhaken, denn aus Unkenntnis oder Frust nicht zur Wahl zu gehen, ist für ihn keine Lösung.