Lenningen. Mit einem beeindruckenden Abend bei vollem Haus erinnerten Gemeindebücherei und Förderkreis Schlössle an die Bücherverbrennung im Dritten Reich vor 90 Jahren. „Schön“ kann man einen Abend zu diesem Thema nicht gut nennen, aber vielleicht „berührend, stimmig, gut ausgewählt und präsentiert, nachdenklich machend“. Anlass war zum einen das erinnerungswürdige Datum 10. Mai 1933, zum anderen die aktuelle Ausstellung im Schlössle: Max G. Bailly zeigt Brandobjekte, darunter etliche Kunstwerke, bei denen er sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und Bücherverbrennung auseinandergesetzt hat.
Der erste Vorsitzende des Förderkreises, Martin Wünsche, stellte in seiner Begrüßung die Bücherverbrennung 1933 in Bezug zu einer unseligen langen Reihe von Bücherverboten, Zensur, Publikationsverboten, „undeutschem Geist“ bis in die Gegenwart. Man müsse sich bewusst sein, was freiheitliche Grundordnung trägt, dürfe sich nötigenfalls nicht wegducken, sondern müsse auch die Stimme erheben.
Aus der Bahn geworfen
Bernd Löffler hatte Texte ausgewählt von Schriftstellern und Dichterinnen, deren literarische Karriere durch die Bücherverbrennung aus der Bahn geworfen oder beendet wurde, sei es durch die Ermordung im KZ, Selbstmord oder nachfolgende Schreibblockaden. Darunter waren Texte von Klaus Mann, Gertrud Kolmar, Selma Meerbaum-Eisinger, Erich Knauf, Alfred Kerr, Walter Mehring, Franz Carl Weiskopf, Irmgard Keun und Walter Hasenclever. Gemeinsam mit Büchereileiterin Ev Dörsam trug er wortgewaltige, melancholische, anklagende und verachtende Werkauszüge, Gedichte und Texte vor: flüsternd, berlinernd, dröhnend. Mit Auszügen aus der Gedenkrede von Walter Jens ordneten sie die Geschehnisse ein.
Musikalisch begleitet wurde dieser Abend durch ein klanglich bemerkenswertes Trio: zwei Celli und Klavier. André Bleicher, Johann Riepe und Stefan Lipka spielten ruhige gesangliche Musik von Georg Friedrich Händel und Dimitri Schostakowitsch. Den todtraurigen gefühlvollen Mittelpunkt bildete ein Air von Gian Carlo Menotti, das er 1976 im Gedenken an Gregor Piatigorsky komponiert hat, als wäre mit dem legendären russischen Cellisten auch der gesangliche Instrumentalklang gestorben. Ein flotter Schostakowitsch und das launige „Salut d’amour“ von Edward Elgar entließen das Publikum versöhnt in den Abend.
Die Ausstellung von Max G. Bailly ist noch bis Samstag in der Bücherei zu sehen, die Installation im Museum für Papier- und Buchkunst zur Bücherverbrennung und zu Mutlangen bis Ende August. pm