Laute Musik dringt aus der Schlossberghalle. Eine Gruppe von Frauen läuft im Kreis, mit schwungvollen Armbewegungen im Rhythmus. „130 Beats müssen es schon sein“, nennt Ursula Schipfer ihren Anspruch zur obligatorischen Aufwärmrunde. Ein unverzichtbarer Einstieg in die nachfolgenden Übungen, bei denen es schon etwas deftiger zugeht. „Wichtig ist das Koordinationstraining, wo rechte und linke Synapsen gezielt zusammenspielen“, erklärt die Kursleiterin und findet: „Nicht jeder muss alles können. Es geht nicht um Leistung, man macht es für sich und nicht immer mit Vergnügen.“
Ein Mensch besteht aus 656 Muskeln und egal, ob glatte oder quergestreifte Muskulatur, Ursula Schipfer scheint sie alle zu kennen. Zumindest versteht sie es mit dynamischer Leichtigkeit, auch die Körperteile zu fordern, mobilisieren und zu kräftigen, die sich bis dato im Tiefschlaf befanden und sich nun brennend und zwickend bemerkbar machen.
Und das macht sie auch an ihrem letzten Tag mit einer professionellen Leidenschaft. „Gerade stehen, immer nach vorne, Hände an die Hosennaht, Schultern zurück. Es isch nix g’wonna, wenn man die Luft anhält und die Hände anklemmt. Also, atmen und lockerlassen“, kommentiert Ursula Schipfer die Bewegungsabläufe, die sie natürlich alle vormacht.
Die letzte Stunde von „Fit und Aktiv“ in der Dettinger Schlossberghalle neigt sich dem Ende zu – ein Hauch von Wehmut macht sich breit. 32 Jahre lang brachte die Kursleiterin ihre im Schnitt um die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – es waren auch schon drei Männer dabei – an ihre „persönlichen Bewegungsgrenzen“. Aus gutem Grund sind rund 80 Prozent der Frauen, darunter viele 70 plus, von Beginn an dabei.
Ursula Schipfer aus Dettingen kennt man als Tochter der Bäckersleute Blankenhorn, die lange Zeit den einzigen Lebensmittelladen auf dem Guckenrain betrieben haben. Und natürlich als Lehrerin der örtlichen Grundschule, wo sie 1988 nach der Geburt ihrer Kinder Stefan und Melanie wieder einstieg, um die Jüngsten in Sport, Kunst und Werken zu unterrichten.
Nach mehreren Fortbildungen kam sie 1991 mit 33 Jahren zur Volkshochschule als Fitnesstrainerin, brachte ihre treuen Kursdamen und -herren anfangs noch mit „Stepps und Seilen“ Jahr für Jahr ins Schwitzen. Parallel dazu gab sie bei den Dettinger Sportfreunden jahrelang Karate.
Und nun wandert die 65-Jährige mit ihrem Mann Dieter und ihren drei Hunde-Mischlingen aus. Nach Ungarn. Genauer gesagt nach Buzsák, einem kleinen Ort, etwa zehn Kilometer vom Plattensee entfernt.
Die Idee, auszuwandern, hatten sie schon im Jahr 2018. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, schwärmt Ursula Schipfer von ihrem kleinen Häusle, das sie sich bereits im Januar gekauft haben. „Hier leben viele Deutschsprachige, darunter welche aus Bissingen, die schon vor 30 Jahren kamen.“ Glücklich ist sie über die netten Nachbarn, die dem Ehepaar bei einigen bürokratischen Dingen geholfen haben. Der Großteil der persönlichen Sachen sei schon in ihrem neuen Zuhause, auch habe man „die allernötigsten Sätze auf Ungarisch gelernt“, verrät die Auswanderin und betont: „Natürlich bin ich auch traurig, weil ich vieles wie Familie, Freunde sowie den Kurs vermissen werde.“
Als schöne Geste zum Abschied überreichte Ursula Schipfer unter anderem Martina Kurfiß, Edith Wanner, Erna Ulrich, Elke Dettinger, Irene Schwahn und Ute Klein ein Übungsvideo über „Fit und Aktiv“.