Der Tecktower 400, wie der Raumluftreiniger heißt, stand am Anfang gar nicht auf dem Plan der beiden Spezialisten in der UV-Technologie. „Die Idee dazu lieferte meine Schwester – Ärztin und Psychotherapeutin –, als sie mich um eine Empfehlung für einen geeigneten Luftreiniger für ihre Praxisräume bat“, erinnert sich Dr. Peter Schwarz-Kiene. Weil es auf dem Markt kein leises und effizientes Gerät für einen Raum mit bis zu 15 Personen gab, beschloss er pragmatisch: „Dann entwickle ich eben einen eigenen.“
Damit war die neue Geschäftsidee geboren. „Die Anforderungen waren klar und wir beantragten beim Land finanzielle Förderung“, erklärt der UV-Experte. Rund fünf Monate lang dauerte die Entwicklung und Zertifizierung des Tecktowers. „Wir haben alles darangesetzt, um die Wirksamkeit des Luftreinigers nachzuweisen“, präzisiert Dr. Hartwig Wiesmann, Geschäftsführer bei ExiTeck, dem neu gegründeten Start-up in der Bohnau. An der Stuttgarter Universität wurde der Luftraumreiniger dann auf Herz und Nieren geprüft. „Das Resultat war fantastisch“, freut sich Peter Schwarz-Kiene, „über 99 Prozent der Bakterien und Keime konnten an der Replikation gehindert werden.“ Auch der größten Anforderung, der Geräuschreduktion, war man bei der Entwicklung gerecht geworden. „Im Schalllabor wurden 35 Dezibel gemessen“, bestätigt Hartwig Wiesmann.
Wirksam gegen Keime und Viren
Die Funktionsweise des 1,87 Meter hohen Tecktowers ist einfach: „Unten wird die Raumluft durch einen Feinstaubfilter vom Lüfter angezogen, strömt durch den UV-Filter in die Belichtungskammer mit der UVC-Lampe und kommt oben gereinigt wieder raus.“ Der Feinstaubfilter verhindert, dass Staubpartikel in die Belichtungskammer dringen und unerwünschte Gerüche verursachen. „In der Kammer mit der UVC-Lampe werden die Erbinformationen (RNA/DNA) der Keime und Bakterien inaktiviert. Damit ist der Luftreiniger nicht nur in der Bekämpfung des Coronavirus zuverlässig, sondern bekämpft auch Krankheitserreger wie etwa Influenza oder Hepatitis A. „Damit entfällt das Lüften zwar größtenteils“, sagt Peter Schwarz-Kiene, „aber trotzdem muss man Räumen zwischendurch frische Luft zuführen.“ Der UV-Experte kennt die häufigste Kritik an Raumluftreinigern. Er ist überzeugt: „Das Fensterlüften ist bei der Zufuhr von Frischluft nicht geeignet, weil entweder heiße oder eisig kalte Luft in den Raum gelangt.“ Peter Schwarz-Kiene empfiehlt daher: „Dezentrale Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung wären eine ideale Ergänzung zu Luftraumreinigern.“ In der Region haben bereits mehrere Einrichtungen den Tecktower in Betrieb. „Neben den Praxisräumen meiner Schwester läuft ein Gerät testweise in der Kirchheimer Freihof-Realschule und der Club Bastion in Kirchheim hat fünf Geräte in Betrieb.“ Bisher habe es nur positive Rückmeldungen gegeben.
Die kürzlich getroffenen Entscheidungen der Landesregierungen in Bayern und Baden-Württemberg, die Raumluftreinigung an Schulen finanziell zu fördern, bringen nun zusätzlichen Schwung. Schwarz-Kiene freut sich: „Wir sind startklar und können 200 Geräte sofort zusammenbauen.“ Kritisch wird es, wenn größere Bestellungen kommen, wie der UV-Experte bestätigt: „Die Lieferzeit für die Lüfter beträgt derzeit rund 40 Wochen.“
Trotz dem eher zufälligen Geschäftszweig mit dem Raumluftreiniger halten Schwarz-Kiene und Wiesmann an ihren persönlichen Zielen in der Excimer-Technologie fest (siehe Kasten) und wollen weiter kreativ sein.
Einmal Amsterdam und zurück
Vor 23 Jahren promovierten Dr. Peter Schwarz-Kiene und Dr. Hartwig Wiesmann gemeinsam an der Universität in Karlsruhe. Danach trennten sich die Wege der beiden Studienkollegen: Hartwig Wiesmann zog es nach Amsterdam, wo er als Geschäftsführer in einer Firma für Speziallampen angestellt war, und Peter Schwarz-Kiene verdiente seine Brötchen als Geschäftsführer in einem Nürtinger Unternehmen, ebenfalls auf die Excimer-Technologie spezialisiert.
Als Schwarz-Kiene sich 2019 selbstständig machte, nahm er Kontakt mit Hartwig Wiesmann auf und gründete ein gemeinsames Unternehmen. „Ursprünglich hatte das nichts mit der Pandemie zu tun. Wir wollten in der Excimer-Technologie ein Start-up-Unternehmen gründen“, erklärt Schwarz-Kiene. Das Ziel war es, UV-Strahler für die Oberflächenbehandlung zu entwickeln, wobei Excimer einen vorübergehenden atomaren Zustand bezeichnet, in dem Atome bei elektronischer Anregung kurzlebige Molekülpaare bilden. „Diese finden in der Industrie Anwendung, wenn es um ultrahochreine Oberflächen geht“, ergänzt Wiesmann.
Ein weiteres Segment sei die UV-Desinfektion, wie sie beim Luftreiniger zum Einsatz kommt. „UV-Licht ist hochenergetisch und zerlegt die Substanzen“, erklärt Peter Schwarz-Kiene die Faszination für das physikalische Verfahren. Hartwig Wiesmann ist Anfang dieses Jahres von Amsterdam nach Kirchheim gezogen, wo Peter Schwarz-Kiene mit seiner Familie seit über 20 Jahren wohnt. kry