Die Nachricht kam überraschend, aber eine wirkliche Überraschung war es dann doch nicht, als Aichwalds Bürgermeister Nicolas Fink vor zweieinhalb Wochen ankündigte, er werde zum 31. Dezember das Landtagsmandat von Wolfgang Drexler (SPD) übernehmen. Denn dieser Karrieresprung hatte sich längst angedeutet. Was ist die Motivation des 42-Jährigen, der von 2002 bis 2006 Ortsvorsteher von Nabern war und deshalb in Kirchheim kein Unbekannter ist? Wie sieht er seine Zukunft? Und wie geht es nach seinem Weggang in der Schurwaldgemeinde weiter? Diesen Fragen stellte sich der Rathauschef im Interview.
Wie wurde Ihre Entscheidung für den Landtag in Aichwald aufgenommen?
Nicolas Fink: Die vergangenen Tage seit meiner Bekanntgabe waren sehr spannend. Es gab viele Reaktionen, Reaktionen, die mich sehr gefreut haben. Denn im Prinzip hat jeder gesagt: „Es ist so schade, dass Sie gehen“, aber auch „Herzlichen Glückwunsch. Wir können es verstehen. Aber es waren wirklich zwölf tolle Jahre mit Ihnen.“ Das war überall der Grundtenor.
Mancher wird sich doch geärgert haben, denn Sie haben noch 2015 in einem Interview gesagt: „Ich habe nicht vor, mich in den nächsten Jahren zu verändern.“
Fink: Das stimmt ja auch. Ich werde mein soziales Umfeld nicht ändern. Das war einer der Gründe, dass ich jetzt diesen Schritt gehe. Denn meine Familie und ich sind hier so heimisch geworden, dass für mich schon länger klar war: Es kommt kein anderes kommunales Amt für mich in Frage. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, irgendwo als Oberbürgermeister zu kandidieren. Dann hätte ich alles aufgeben müssen, was ich hier schätzen gelernt habe. Insofern ist der Satz immer noch gültig. Ich habe nicht vor, mein soziales Umfeld zu verändern. Für die berufliche Seite gilt ein bisschen was anderes.
Eine mutige Entscheidung von Ihnen. Wäre es nicht sicherer gewesen, sich irgendwo in einer größeren Stadt als Oberbürgermeister zu bewerben?
Was ist schon sicher in der Politik? Ich finde, man sollte politische Entscheidungen nicht nach Sicherheitsaspekten treffen, sondern eher nach persönlichen Neigungen und nach der Frage: Welche Chancen ergeben sich? Kein politisches Amt ist wirklich sicher. Deshalb hat sich für mich die Frage nicht gestellt. Das ist eine Chance, die man ergreifen muss. Wir leben in so spannenden Zeiten, in denen man für die Demokratie einstehen muss, wo man Farbe bekennen muss. Ich habe das Gefühl, dass ich das in der neuen Stelle gut einbringen kann. Natürlich muss ich sagen: Mein kommunales „Komfortzönchen“ hier in Aichwald verlasse ich schon.
Und wenn Ihre SPD noch weiter absackt und Sie Ihr Mandat bei der nächsten Landtagswahl verlieren?
Daran denke ich nicht einmal. Es liegt jetzt auch an mir, dafür zu sorgen, dass wir nicht noch weiter absacken. Auf der anderen Seite glaube ich, dass es der SPD gut tut, wieder mehr Selbstbewusstsein und Optimismus, aber auch mehr Freude an der Arbeit an den Tag zu legen. Das passt ganz gut zu mir. Wenn wir das alles hinbekommen, können wir optimistisch auf die nächste Wahl schauen. Aber da liegt noch viel harte Arbeit vor der SPD und natürlich auch vor mir.
Als Bürgermeister konnten Sie unmittelbar gestalten und Dinge umsetzen. Das wird nun in der Landespolitik schwieriger werden. Was reizt Sie am neuen Aufgabenfeld?
Es ist tatsächlich eine andere Liga. Genau so kann man es beschreiben: etwas ganz anderes, ein deutlich größeres Themenfeld. Es sind ganz neue Herausforderungen, für mich eine komplette Horizonterweiterung, weil man mit ganz anderen Themen und Menschen zu tun hat. Mich reizt es, dieses andere Niveau zu haben und rhetorisch auch anders gefordert zu sein und tatsächlich einzustehen für eine breite Themenpalette und zu schauen, wie sich das auf die kommunale Ebene auswirkt. Das zu wissen, dieses Unmittelbare, das ich in den vergangenen zwölf Jahren und davor in Nabern erlebt habe, wird sicher sehr helfen, es auf Landesebene besser beeinflussen und einschätzen zu können.
In sechs Wochen werden Sie schon ihren Schreibtisch im Rathaus räumen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, zu warten, bis ein Nachfolger für Sie gewählt ist?
Es wäre mir auch lieber gewesen, wenn es eine Übergangsfrist gegeben hätte. Aber das Abgeordnetenrecht lässt da keine Übergangszeit zu. Bürgermeisteramt und Landtagsmandat sind unvereinbar. Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, diesen klaren Schnitt zu machen.
Wann wird die Wahl des neuen Bürgermeisters sein?
Der Gemeinderat entscheidet in der nächsten Sitzung über den Fahrplan. Ich gehe davon aus, dass die Wahl spätestens im März 2019 stattfindet.
Also noch vor der Kommunalwahl im Mai?
Ja, das ist mir wichtig. Der neue Bürgermeister soll in Amt und Würden sein, bevor der neue Gemeinderat verpflichtet wird. Das wird ein Stück weit parallel laufen. Es wird eine Bürgermeisterwahl geben, dann kommt die Kommunalwahl. Und bevor alle zu arbeiten beginnen, sind die entsprechenden Verpflichtungen da. Das ist auch eine Chance, in Aichwald gemeinsam einen Neustart hinzulegen. Damit meine ich nicht, dass es notwendig ist, alles anders zu machen, sondern einfach eine neue gemeinsame Basis zu haben, die durchaus aufbaut auf dem, was in den vergangenen Jahren geschaffen wurde.
Wer wird für die Übergangszeit die Amtsgeschäfte im Rathaus übernehmen?
Es gibt drei ehrenamtliche Stellvertreter des Bürgermeisters, Volker Haug, Albert Kamm und Michael Neumann. Als ehrenamtliche Vertreter sind sie vor allem für das gefragt und gefordert, was eine Außenwirkung hat. Zudem haben wir das große Glück, dass die Gemeinde eine sehr gut funktionierende Verwaltung hat. Natürlich werden vor allem die Amtsleiter in den nächsten Monaten besonders gefordert sein.
Geht das, die Aufgaben so lange von den Amtsleitern und ehrenamtlichen Bürgermeistern bewältigen zu lassen?
Ich sehe keinen Grund, dass das nicht funktionieren könnte. Denn wir sind in Aichwald wirklich gut aufgestellt.
Die finanziellen Verhältnisse in Aichwald sind nach wir vor gut. Das ist doch ein attraktives Spielfeld für einen neuen Bürgermeister.
Absolut. Aichwald ist eine tolle Gemeinde in vielerlei Hinsicht. Eine kerngesunde Gemeinde, finanziell und auch was das ehrenamtliche Engagement angeht.
Sie wollen wegziehen aus dem schönen Aichwald?
Ja. Ich glaube, es macht bei unserer Wahlkreis-Konstellation einen gewissen Sinn, dass der Landtagsabgeordnete in der mit Abstand größten Stadt, und damit in Esslingen, wohnt.
Die Familie spielt da mit?
Ohne Familie geht gar nichts. Natürlich ist sie zu jeder Zeit in alle Entscheidungen eingebunden worden. Da sind wir wieder beim Ausgangspunkt: Das soziale Umfeld bleibt. Das macht mir die Entscheidung ein Stück weit leichter. Aichwald bleibt in meinem Wahlkreis. Ich bleibe den Menschen hier verbunden. Und Familie, Freundeskreis, Schule, alles, was damit zusammenhängt, bleibt ebenfalls. Deshalb schaue ich mit einer gewissen Vorfreude auf die Zukunft.