Bashir strahlt, als er seinen selbst gekochten Chai - Gewürztee mit Milch und Zucker - in die Tassen schenkt. Der junge Afghane freut sich über Gäste, ebenso wie seine Mitbewohner Assadullah, Ramin und Nahom. Seit gut einem Jahr leben die Jugendlichen nun schon im Rathaus in Hepsisau. Ende 2016 hat die Jugendhilfeeinrichtung Michaelshof dort eine Wohngruppe für bis zu sechs unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingerichtet. Die Räume oben in dem denkmalgeschützten Haus hat die Stadt Weilheim eigens dafür umgebaut und an den Michaelshof vermietet.
Skepsis gab es anfangs durchaus, als bekannt wurde, dass junge Flüchtlinge ins Dort ziehen. „Der eine oder andere hat sich damals gefragt, ob das wohl gut gehen kann“, weiß Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle, der die Gruppe an diesem Tag besucht. Gut ein Jahr später steht fest: Es klappt - und zwar bestens. „Die Hespsiauer sind sehr zufrieden, es gab noch keine einzige Beschwere“, freut sich Züfle über ein Beispiel gelungener Integration. „Wir haben aber auch wirklich tolle Jugendliche in der Gruppe hier“, betont Jens Binder-Frisch, Einrichtungsleiter des Michaelshofs. „Sie sind sehr selbstständig und bewältigen ihren Alltag gut.“
Zur Schule gehen die vier in Weilheim. Assadullah und Ramin, die ebenfalls aus Afghanistan stammen, machen gerade ihren Hauptschulabschluss. Nahom aus Eritrea und Bashir besuchen die Vorbereitungsklasse. Alle haben schon genaue Vorstellungen davon, was sie einmal beruflich machen wollen.
Bashir konnte weder lesen noch schreiben, als er nach Deutschland kam. „Ich habe in Afghanistan keine Schule besucht“, erzählt er. Er kann sich gut vorstellen, als Handwerker zu arbeiten: „Fliesenleger oder Maurer - das wäre gut.“
Assadullah kann lesen und schreiben. Dennoch bereitet ihm die Sprache noch Probleme. „Ich möchte Krankenpflegehelfer werden“, sagt er. Er ist Sanitäter beim Roten Kreuz und absolviert zurzeit ein Praktikum im Kirchheimer Krankenhaus. Auf seine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz beim Klinikum Nürtingen kam jedoch eine Absage. „Mein Deutsch ist noch zu schlecht“, bedauert er. Jetzt nimmt er zusätzliche Nachhilfestunden und paukt für die mittlere Reife.
Ramin spricht fast fließend Deutsch. „Das verdanke ich auch meiner Freundin“, sagt der 18-Jährige schmunzelnd. Seit einem Jahr ist er mit einer Mitschülerin aus Holzmaden zusammen: „Sie hat mir viel geholfen.“ In punkto Beruf hat Ramin schon klare Vorstellungen: Sein Ziel ist es, als Industriemechaniker zu arbeiten.
Nesthäkchen Nahom dagegen zieht es in den sozialen Bereich. „Ich möchte Altenpfleger werden“, verrät der 17-Jährige. Ein Praktikum hat er bereits in der Tasche.
In der liebevoll eingerichteten Wohnung in Hepsisau fühlen sich die Jugendlichen wohl. Kontakte haben sie sowohl im Ort als auch außerhalb geknüpft. „Wir haben zum Beispiel dem Obst- und Gartenbauverein Hepsisau beim Bäumeschneiden geholfen“, erzählt Bashir. Dank einer Nachbarin hat er auch schwimmen gelernt: „Sie hat mich immer mitgenommen, wenn sie mit ihren vier Kindern ins Hallenbad gegangen ist“, freut sich der 18-Jährige. Bashir und Nahom spielen außerdem zwei Mal die Woche in Neidlingen Fußball. Ramin geht regelmäßig ins Taekwondo nach Esslingen, Assadullah zum Badminton nach Kirchheim.
Weniger junge Flüchtlinge
Im Moment leben die Jugendlichen noch zu fünft in der Wohnung. Ramin jedoch möchte bald ausziehen. „Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nimmt ständig ab“, sagt Jens Binder-Frisch. Längst kommen nicht mehr so viele Jugendliche ins Land - und diejenigen, die in Deutschland leben, werden nach und nach erwachsen. Dieser Entwicklung trägt auch der Michaelshof Rechnung. „Im Mai wird die Wohngruppe Hepsisau in eine Jugendwohngemeinschaft umgewandelt“, kündigt Jens Binder-Frisch an. Das heißt, die Jugendlichen werden nicht mehr rund um die Uhr betreut. Angedacht ist darüber hinaus, die Gruppe für deutsche Jugendliche zu öffnen.