Noch vor 20 Jahren ärgerten sich viele Bürger über die hohen Müllgebühren im Kreis Esslingen. Jetzt landete Esslingen beim bundesweiten Vergleich der 100 größten Städte auf Rang zehn.
Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) sei mit diesem guten Platz „nicht auf Werbetour gegangen“, sagt Geschäftsführer Manfred Kopp. Er schränkt den Wert der Untersuchung ein. Bei diesen Vergleichen würden manchmal Äpfel mit Birnen verglichen. „Aber für unsere Kunden ist das sehr positiv, wenn sie vergleichsweise wenig zahlen und eine gute Dienstleistung erhalten“, meint Kopp. Auf jährliche Kosten von 158 Euro kommt eine vierköpfige Familie aus dem Kreis Esslingen laut einer Untersuchung, die der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland in Auftrag gegeben hatte. Eingerechnet wurden beim Vergleich die Kosten für Restmülltonne, Biomüll, Sperrmüll und Altpapier. Eine Stuttgarter Familie muss für die 14-tägige Leerung 250,80 Euro bezahlen, die Stadt landet auf Rang 27 - noch ganz gut, weil sie Vollservice bietet. In Ludwigsburg (Rang 82) zahlt Familie Mustermann mit ihren zwei Kindern 254 Euro, in Reutlingen (Rang 93) gar 342 Euro.
Dass die Stuttgarter Familie 92 Euro mehr bezahlen muss, liegt auch am Abfuhrservice: Der Mülleimer wird vom Hinterhof oder aus dem Keller geholt. Tonnen auf dem Gehweg sind in der Großstadt wenig praktikabel. Im Ranking ist dieser Unterschied aber berücksichtigt.
Rechtzeitige Deponienachsorge
Manche Städte und der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) haben sich über die Studie von IW Consult beschwert. Auf die Kalkulation würden Faktoren einwirken, die schwer beeinflussbar seien, wie Abschreibungen oder Fahrstrecken der Müllautos. Das trifft auch für den Kreis Esslingen zu, wirkt sich aber eher positiv auf die Gebührenhöhe aus. Der Landkreis habe schon frühzeitig beschlossen, Rücklagen für die Deponienachsorge zu bilden, berichtet Kopp. Die Mülldeponien sind schon lange geschlossen, aber man muss 50 Jahre ihre Gasentwicklung kontrollieren und das Abwasser reinigen. Das Finanzpolster sei dafür noch groß genug, sagt Kopp. Inzwischen sei die Gasproduktion so schwach, dass die EnBW den Gasmotor auf dem Esslinger Katzenbühl abgeschaltet habe. Für das Abfackeln des Restgases setze der AWB moderne Niedertemperatur-Technik ein, für die man Forschungsgelder locker gemacht habe. Die Photovoltaikanlage auf der Deponie bringe gut drei Prozent Rendite, läge das Nachsorge-Geld auf der Bank, bekäme man nichts, sagt Kopp.
Ebenfalls positiv wirke sich aus, dass der Kreis frühzeitig die Papiertonne in Eigenregie eingeführt habe, ohne die Vereinssammlungen aufzugeben. Wenn mit dem Altpapier drei bis vier Millionen Euro erlöst werden, komme das den Gebührenzahlern zugute. Gleiches trifft auf das Altmetall zu, wenn auch in geringerem Umfang. Die Wertstoff-Erfassung sei im Landkreis breit aufgestellt, so Geschäftsführer Kopp, in jedem Ort gebe es Recyclinghöfe und Grünschnittplätze. Seit mehr als 20 Jahren schickt der Landkreis Esslingen seinen Hausmüll in die Verbrennungsanlage nach Stuttgart-Münster. Um diesen Kostenblock zu reduzieren, trenne man seit zehn Jahren das Holz vom Sperrmüll ab, das mache etwa 60 Prozent aus, erklärt Manfred Kopp.
Der Landkreis Esslingen hat noch einen weiteren Vorteil: Hier sitzen mittelständische Entsorgungs- und Abfuhrunternehmen wie Scherrieble und Heilemann sowie einige der großen Entsorgungs-Player wie Remondis, Rhenus und Alba. Konkurrenz belebt das Geschäft. Über das Ergebnis der Ausschreibungen kann sich Kopp deshalb nicht beklagen.
Von 2020 bis 2023 - die Gebühren werden dreijährig kalkuliert - wird der AWB seinen Kunden aber wieder tiefer in die Tasche greifen. Das hat Landrat Heinz Eininger bereits angekündigt. Der Papierpreis ist auf dem Weltmarkt gesunken, unter anderem weil andere europäische Länder beim Recycling nachgezogen haben. Auch für Altmetall gibt es weniger. Gleichzeitig wird die Verbrennung in Stuttgart teurer, weil der Vertrag Anpassungsklauseln vorsieht. Der Bau einer größeren Vergärungsanlage in Leonberg sei dafür nicht verantwortlich, betonte Eininger. Kopp bestätigt das. Das Kompostwerk in Kirchheim sei jetzt abgeschrieben, das passe genau mit dieser Investition zusammen.
Ob der Kreis Esslingen nun im Ranking abrutscht? Vermutlich nicht oder nur wenig, denn die geringeren Erlöse auf dem Recyclingmarkt treffen andere Städte und Kreise ebenfalls. Vermutlich wird deshalb im Herbst nicht nur im Esslinger Kreistag über neue Gebühren gesprochen.