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Magnetbahn ins Neckartal: Lautlos an der S-Bahn vorbei?

Nahverkehr Die CDU im Kreistag will die festgefahrene Debatte über eine Schienenverbindung zwischen Filder und Neckar neu ins Rollen bringen – mit einer Magnetschwebebahn. Von Bernd Köble

Wie schafft man eine Schienenverbindung von den Fildern hinab ins Neckartal? Der weiße Fleck im S-Bahn-Netz zwischen den beiden gewichtigen Wirtschaftsräumen beschäftigt Experten und Politik im Kreis Esslingen und in der Region Stuttgart seit einem Vierteljahrhundert. Eine ganze Reihe möglicher Trassen für einen S-Bahn-Ringschluss wurden seitdem untersucht, mit dem immer gleichen Ergebnis: technisch schwierig und viel zu teuer. Der Hauptgrund: zwischen Tal und Ebene müssen Steigungen überwunden werden, die enge Kurvenradien erfordern. Außerdem wären aufwändige Tunnelbauten nötig, um im Ballungsraum Siedlungsgebiete und Straßen zu unterqueren. Keine der untersuchten Varianten kam bisher auch nur in die Nähe eines Kosten-Nutzen-Faktors, der eine Förderung in Aussicht stellte.

Die CDU im Esslinger Kreistag hat nun genug von jahrzehntelangen Planspielen und deshalb schon im November vorigen Jahres eine neue Idee auf den Tisch gebracht: eine Magnetschwebebahn auf Stelzen. Das Unternehmen Transport System Bögl aus der Oberpfalz hat die Technik schlüsselfertig entwickelt. Teile der CDU-Fraktion haben den Experten für alternative Antriebssysteme deshalb einen Besuch abgestattet und ermöglicht, das Projekt im Finanzausschuss des Kreistags vorzustellen.

Die Vorteile des Systems, das nach dem Aus der Transrapid-Teststrecke 2006 im Emsland eigentlich schon beerdigt schien: Die Züge verkehren lautlos, energieschonend, verschleißfrei und völlig autonom. Fahrpersonal wird nicht benötigt, gleichzeitig schafft die Bahn Steigungen bis zehn Prozent, enge Kurvenradien und kommt dank der Führung auf Stelzen ohne
 

„Sollen wir bei der S-Bahn weiter auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten?
Sieghart Friz
Fraktionschef der CDU im Kreistag
 

Tunnelbauten aus. In anderen Worten: Verglichen mit der S-Bahn, der Verkehrsexperten gerne das Etikett „Gold-Standard“ aufkleben, ist die Magnet-Variante ein Schnäppchen. „Wir arbeiten mit sehr einfachen Mitteln“, sagt Bögl-Sprecher Andreas Rau. Größtenteils kämen bei der Magnetbahn Straßenbahn-Komponenten zum Einsatz. Durch das kontaktlose Schweben hinterlässt das System keine Verschleißspuren, weder an den Zügen selbst, noch am Untergrund. Größter Nachteil: Weil es sich im Nahverkehr um eine Insellösung handelt, müsste zwischen den S-Bahn-Knoten auf den Fildern und im Neckartal umgestiegen werden. Laut Rau kein Problem: „Das wäre passgenau mit gegenüberliegenden Bahnsteigen möglich“.

 Für CDU-Fraktionschef Sieghart Friz steht mit Blick auf die S-Bahn fest: „Die Planungszeiträume in der Region bringen uns nicht weiter. Wir brauchen Mut, neue Wege zu gehen.“ Das sehen inzwischen auch die Grünen so. Man dürfe nichts mehr ausschließen, müsse offen sein für neue Systeme, betont Fraktionssprecherin Stephanie Reinhold, die darauf verweist, dass auf der Strecke hohe Fahrgastzahlen zu erwarten seien. „Die Leute wollen auf den Nahverkehr umsteigen“, ist sie überzeugt. Auch für SPD und Freie Wähler wäre die Alternative eine Überlegung wert. „Solange man die gesetzlichen Vorgaben so entschlackt, dass es einen Zeitvorteil bringt“, meint der FW-Vorsitzende Bernhard Richter. Für Steffen Weigel (SPD) ist entscheidend, wo die Anknüpfungspunkte lägen und wie solche baulich gestaltet wären. „Es ginge hier schließlich nur um die Ergänzung eines bestehenden Systems“, sagt Wendlingens Bürgermeister.

Stefan Tritschler, Geschäftsführer des Verkehrswissenschaftlichen Instituts Stuttgart (VWI) hat sich beide Systeme angeschaut und auf fünf der bisher untersuchten Trassen-Korridore miteinander verglichen. Sein Fazit: Eine Magnetbahn könnte in einer Bewertung  tatsächlich besser abschneiden als die S-Bahn. Der Unterschied wäre aber wohl zu gering, um einen Indikator zu erreichen, der für eine Förderung am Ende nötig wäre. Den Zwang zum Umstieg hält Tritschler für einen gravierenden Nachteil. „Die Stärke liegt klar bei den Betriebs- und Investitionskosten“, unterstreicht er. Gleichzeitig müsste das System erst als Nahverkehrsmittel in den Katalog des Berliner Ministeriums aufgenommen und geklärt werden, wer als Aufgabenträger eigentlich zuständig wäre.

„StuKiX“ nicht gefährden

Die Gefahr, sich zu verzetteln, sieht nicht nur der Esslinger Landrat Heinz Eininger, der an die laufenden Gespräche über einen Stuttgart-Kirchheim-Express (StuKiX) erinnert, als weitere Variante einer möglichen Tangential-Verbindung, die Abschnitte der ICE-Neubaustrecke nutzen könnte. „Diese Verhandlungen dürfen wir nicht gefährden“, betont Eininger. Man müsse das Thema weiter politisch bespielen. „Entschieden wird auf anderer Ebene.“

Unternehmen mit 6500 Mitarbeitern

Transport System Bögl zählt mit 6500 Mitarbeitern zu den größten deutschen Baufirmen im Bereich nachhaltige Infrastruktur. Das Unternehmen ist weltweit im Gleis- und Brückenbau tätig und hat im Auftrag der Bahn unter anderem die neue Filstalbrücke gebaut. Das selbst entwickelte Magnetbahnsystem wird auf einer 3,5 Kilometer langen Strecke in China erprobt. Pläne gibt es für den Münchner Flughafen und im Kreis Böblingen für eine Trasse zwischen Herrenberg und Nagold.  bk