Existenz
„Man überlegt, ob man weitermacht“

Ein Hochwasser hat Anfang Juni bei der Hochdorfer Zinßer Mühle und dem „Caféle“ von Barbara Dobler-Miller große Schäden angerichtet. Wie sieht es dort ein halbes Jahr später aus? 

Jürgen Zinßer richtet im ehemaligen Versandlager einen neuen Mühlenladen ein. Von der Lage her ist er dort bei künftigen Hochwasserereignissen geschützt. Foto: Carsten Riedl

Jürgen Zinßer steht in seinem ehemaligen Mühlenladen beziehungsweise dem, was davon noch übrig ist. Fort sind der heimelige Charme, die prall gefüllten Holzregale mit den eigenen Mühlen-Produkten, mit Backzubehör und -literatur. Der tief gelegene Raum auf dem Hochdorfer Areal der Zinßer Mühle befindet sich heute im Zustand eines Rohbaus. Ein Laden wird darin nicht mehr entstehen, denn: „Das nächste Hochwasser kommt bestimmt“, sagt Jürgen Zinßer. Seit Anfang Dezember ist er dabei, einen neuen, derzeit flächenmäßig noch kleineren Mühlenladen im ehemaligen Versandlager einzurichten. Geöffnet ist dieser wieder zu den gewohnten Zeiten. 

Rund 400.000 Euro Schaden

In der Nacht auf den 3. Juni ging plötzlich alles ganz schnell. Nach anhaltenden Regenfällen über mehrere Tage war man im Hochwasser-erprobten Ortskern, durch den unter anderem neben der Mühle und dem ein paar hundert Meter entfernten „Caféle“ von Barbara Dobler-Miller der Talbach verläuft, in Habachtstellung. „Am Samstag war der Bach schon etwas über die Ufer getreten und wir haben vorsorglich die Spundwände aufgestellt, extra noch eine Pumpe besorgt und aktiviert und auch ansonsten soweit möglich alles gesichert“, erinnert sich Jürgen Zinßer, „wir dachten, es reguliert sich wieder.“ Auf dem Breitwiesenparkplatz wenige Meter entfernt feierte der Musikverein sein Fest. Am Sonntagabend sorgte eine Gewitterzelle allerdings für ein Jahrhunderthochwasser in dessen Folge der Ortskern überflutet wurde. So auch der Mühlenladen samt dem Maschinenraum der Mühle und ein großer Teil des Lagers. „Wir hatten 1978, 1986 und 2018 schon Hochwasser. Aber so schlimm war es noch nie“, sagt Jürgen Zinßer. In den 60er-Jahren habe es im Gebiet zum Beispiel noch Schwemmwiesen gegeben. Der Gesamtschaden des Juni-Hochwassers liegt in der Mühle bei rund 400.000 Euro. 

„So hoch wie der Griff der Eingangstüre stand das Wasser“, berichtet Jürgen Zinßer, „wenn man das Ausmaß der Schäden sieht, überlegt man in so einem Moment schon, ob man weitermacht.“ Bereits am nächsten Tag hätten sich allerdings zahlreiche Helferinnen und Helfer aus dem Ort eingefunden. „Das hat mich wirklich umgehauen, die Solidarität war riesig“, erinnert sich Jürgen Zinßer. 

Dann der nächste Schock: „Zwei Tage nach dem Hochwasser kündigte uns unsere Versicherung. Sie hatte alle Mühlen rausgenommen.“ Zwar zähle der Schaden noch als Versicherungsfall, doch die üblichen 90 Prozent der Kosten würden nicht übernommen, sondern nur rund 60 bis 70 Prozent. „Um den vollen Betrag zu erhalten, müsste ich ‘in gleicher Art und Güte’ wieder alles aufbauen. Also unter anderem an der selben Stelle wie vor dem Schaden. Das macht allerdings angesichts der weiterhin bestehenden Hochwassergefahr keinen Sinn“, so Jürgen Zinßer. Daher muss er einen größeren Teil der Kosten selbst tragen. Per Crowdfunding, das für die Mühle gestartet wurde, kamen immerhin 30.000 Euro zusammen, eine große Hilfe. 

Juni, Juli und August blieb die Mühle geschlossen, die umfassenden Aufräum-, Sanierungs- und Umbauarbeiten kosten bis heute Zeit und Energie. Die Produktion startet Jürgen Zinßer im Januar wieder. Im alten Mühlenladen überlegt er, einen Veranstaltungsraum einzurichten: „Da ist dann deutlich weniger drin, um die Gefahr neuer Schäden zu minimieren.“ 

„Caféle“ wieder voll in Betrieb

Im Hochdorfer „Caféle“ von Barbara Dobler-Miller herrscht dagegen seit 12. Oktober wieder Normalbetrieb. „Seither ist es fast jeden Tag voll. Das ist wirklich schön“, freut sich die Café-Betreiberin. Einen Schaden von rund 40.000 Euro hat das Hochwasser bei ihr angerichtet, „kniehoch stand das Wasser“. Manche der alten Möbel, die dem Café im früheren Bauernhaus seinen besonderen Charme verleihen, konnten gerettet und gerichtet werden. Für andere gab es Ersatz, darunter viele gespendete Möbel. „Auch bei uns war die Hilfe groß, von Hochdorfern und auch unserem Vermieter. Anders hätten wir dieses Jahr nicht mehr öffnen können“, sagt Dobler-Miller, „als ich das Ausmaß des Schadens gesehen habe, habe ich erstmal geheult.“

Nach der aufwändigen Trocknung musste unter anderem die Küchenzeile erneuert werden. Eine weitere Sitzecke kam während der Sanierung über den Sommer dazu. Heute hat das über die Ortsgrenzen hinaus beliebte Café optisch wieder den selben Stil wie zuvor. „Das Hochwasser war dieses Mal sehr schlimm. Gerade auch für alle Anwohner in den gefährdeten Gebieten, die es wieder getroffen hat“, sagt Dobler-Miller. „Man muss nun nach vorne schauen. Ich bin froh, dass es für das Café weitergehen kann.“