Weilheim und Umgebung
Marquard war als Patriarch der große „Star“ der Familie

Neuerscheinung Bernhard Niemela hat die Geschichte der Randecker akribisch erforscht und seine Ergebnisse in einem lesenswerten Buch zusammengetragen. Von Andreas Volz

Randeck - das klingt nicht gerade nach der großen weiten Welt, eher nach einem Eck am Rand der Welt. Trotzdem konnten sich die Ritter von Randeck, die aus einer kleinen, eigentlich unbedeutenden Adelsfamilie am Rand der Schwäbischen Alb stammten, schon frühzeitig einen großen Namen machen. Das lag am „Star der Familie“. Sein Name war Marquard. Aber der Name als solcher tut wenig zur Sache, denn in den sechs Generationen, die die Familie hervorgebracht hat, gab es fast immer einen, der Marquard hieß. Andere wiederkehrende Namen sind Heinrich, Konrad und Eberhard. Zur Unterscheidung dient deshalb die jeweilige Position, die einer dieser Randecker erreicht hat. Beim „Star“ Marquard war das im 14. Jahrhundert keine geringere Position als die eines Patriarchen von Aquileia - in der damaligen Zeit einer der höchs­ten kirchlichen Posten.

Das Verdienst, Licht ins Dunkel der Geschichte derer von Randeck gebracht zu haben, gebührt dem Historiker Bernhard Niemela: Mehr als sein halbes Leben hat der 55-jährige Verlagsleiter mittlerweile in Ochsenwang verbracht. Als 2013 die 900-Jahr-Feier seines Wahlheimatdorfs anstand, hatte er die Redaktionsleitung des Heimatbuchs inne. „Da habe ich schon das Kapitel über die Randecker geschrieben. Das Thema hat mich anschließend noch weitere sieben Jahre beschäftigt.“ Das Ergebnis seiner Forschungen liegt nun in einem Buch vor, mit dem Titel „Bekannt bis an die Enden der Welt - Die Geschichte der Ritter von Randeck“.

Das Buch ist gut lesbar geschrieben. Fachbegriffe werden immer wieder in eigens ausge­glie­derten „Kästen“ erklärt. Ein Beispiel für seinen Schreibstil gibt Bernhard Niemela auch im Gespräch über sein Buch: „Dass der Patriarch eine große Nummer war, wusste man schon immer. Aber über den Rest der Familie hat man nicht so viel gewusst.“ Das hat er nun geändert, indem er Archive aufgesucht und angeschrieben hat, wenn er nicht im Internet fündig wurde: „Württembergische Archive sind sehr gut ausgestattet, auch die in der Schweiz. Da lässt sich fast alles digital lesen.“

Dass Marquard der „Star“ der Randecker ist, geht ebenfalls auf Bernhard Niemela zurück, der immer wieder aktuelle Bezüge herstellt. Einer dieser Bezüge ist die Reisefreudigkeit, die keinesfalls eine moderne Erfindung zu sein scheint: „Überrascht hat mich, wie viel die unterwegs waren - zu allen Jahreszeiten.“ Allen voran reitet wieder einmal der „Star“, der Patriarch: „Marquard war häufig in Avignon - wo damals der Papst residiert hat. Für die Strecke von Augsburg nach Avignon brauchte er 14 Tage.“ Noch beachtlicher werden solche Angaben, wenn man bedenkt, wie strapaziös das Reisen war: „Mit 78 ist Marquard noch von Udine nach Augsburg geritten, und wieder zurück!“

Augsburg ist - neben der Stammburg in der Nähe des Randecker Maars, das seinen Namen von den alten Rittern hat - ein wichtiger Ort für die Familie. Vor seinem Amtsantritt in Aquileia war der Patriarch Bischof von Augs­burg. Viele andere Familienmitglieder hatten ebenfalls hohe Positionen in der Stadt am Lech. Noch einen weiteren Bischof hat die Familie hervorgebracht: Marquards gleichnamiger Neffe war zunächst unter anderem der erste gewählte Rektor der Universität in Wien und Geldeintreiber für die Diözese Salzburg, bevor er Bischof in Minden und dann in Konstanz wurde. In beiden Bischofsämtern wurde er nicht recht glücklich. Ihm fehlte die Hausmacht, er wurde angefeindet. Von Minden wechselte er deshalb schnell an den Bodensee, was ihm noch weniger bekam: „Dort wurde er vergiftet, das soll er auf dem Sterbebett selbst gesagt haben. Sein Nachfolger war sein Erzfeind.“

Mordgeschichten gibt es auch kurz später, am Rand des Konstanzer Konzils: Heinrich von Randeck, ein Großneffe des Patriarchen, ist im August 1417 in Gaienhofen auf einem Fest eingeladen. In der Nacht erschlägt er gemeinsam mit seinem Nachbarn Hans von Stuben den Sohn des Gastgebers. Die Gründe dafür sind bis heute nicht genau bekannt - im Gegensatz zu den Folgen: Heinrich flieht nach Südtirol, mit zwei seiner sechs Kinder: „Als Erwachsene sind die dann alle heillos zerstritten“, sagt Bernhard Niemela und fügt hinzu: „Also gibt es da unheimlich viele Gerichtsakten. Für den Historiker ist das eine tolle Sache. Deswegen kenne ich diese sechste und letzte Generation so gut wie keine andere.“

Es ging aber auch friedlicher zu. Die Randecker, die spätestens 1497 ausgestorben sind, waren nicht nur in Mord- und Kriegshändel verstrickt: In der fünften Generation haben Barbara und Michael von Wolkenstein in die Familie eingeheiratet, Geschwister des spätmittelalterlichen Minnesängers Oswald von Wolkenstein. Der war allerdings nicht nur Dichter und Sänger, sondern auch seinerseits ein ritterlicher Draufgänger. Die Verbindung zu Dichtern hat aber Tradition in der Familie: Der Patriarch - wer sonst? - war mit keinem Geringeren als Francesco Petrarca bekannt, seit gemeinsamen Studienzeiten in Bologna. Auch das spricht für die Mobilität im 14. Jahrhundert.