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Massenware Fleisch: Es geht auch anders

Direktvermarktung Immer mehr Landwirte bestimmen selbst, was mit ihren Tieren geschieht. Neue Wege des Schlachtens und bewusstere Kunden tragen dazu bei, dass sich das Geschäft lohnt. Von Bernd Köble

David Rothfuß und Katrin Fischer vom Reußensteinhof ermöglichen ihren Galloways ein Leben in der Natur. Rothfuß ist einer der Wenigen, die schlachtreifen Tieren durch einen Gewehrschuss ein schnelles Ende auf der Weide bereiten. Foto: Carsten Riedl

Wissen, wo das Stück Fleisch auf dem Teller herkommt. Sichergehen, dass die Tiere, von denen es stammt, keine qualvolle Existenz führten. Für immer mehr Menschen, die nicht auf Fleisch verzichten wollen, ist das wichtig. Entsprechend wächst die Zahl der Viehbetriebe, die auf Selbstvermarktung setzen und sich dadurch mehr Freiraum und Kontrolle verschaffen. In der Frage, wie ihre Tiere leben und wie dieses Leben enden soll.

Rinder oder Schweine eingepfercht in riesigen Ställen, bis der Lkw vorfährt, in den sie verladen und nicht selten quälend lange bis zum Schlachthof gekarrt werden: So sieht in vielen Viehbetrieben der Alltag aus. David Rothfuß und seine Frau haben sich für einen anderen Weg entschieden. Auf dem Reußensteinhof hoch über Neidlingen kommt der Tod am Tag X aus dem Nichts. Keine instinktgeleitete Panik, keine Fixierung, kein Stress. Rothfuß ist der einzige Landwirt in der Region, der auf den sogenannten Weideschuss setzt. Gezielt abgefeuert aus mittlerer Distanz mit dem Jagdgewehr verspricht er ein schnelles und unvermitteltes Ende. Dort, wo seine Tiere ihr gesamtes Leben verbracht haben: auf der Weide.

Seit 2013 züchtet Rothfuß schottische Galloway-Rinder in Muttertierhaltung. 75 Tiere umfasst seine Herde. Die extensive Fleischrasse gilt als äußerst gutmütig, robust, kann dadurch fast ganzjährig im Freien bleiben. Eine Milch-Infrastruktur braucht es nicht, weil die Kühe gerade so viel Milch produzieren, wie sie für den Nachwuchs benötigen. Bis zu 25 Tiere schlachtet der Betrieb pro Jahr. Der Weideschuss ist aufwändig, weil die Auflagen streng sind und die Genehmigung dafür jährlich neu beantragt
 

„Wir müssen anfangen, diese Art zu wirtschaften als Standard zu sehen.
Susanna Lindeke
Diplom-Agraringenieurin und Viehhalterin auf dem Hof Ziegelhütte
 

werden muss. „Dafür ersparen wir unseren Tieren eine Menge Leid“, sagt der Landwirt. „Wenn man von der Geburt bis zum letzten Atemzug dabei ist, will man auch das Ende selbst steuern.“ In einem speziellen Schlachtanhänger bringt er das ausgeblutete Tier anschließend zum Metzger nach Weilheim, wo es fachgerecht zerlegt und küchenfertig portioniert wird. Verkauft wird das Fleisch dann ab Hof. Vom Hackfleisch über schwäbische Salsiccia und Innereien bis zum Dry Aged Special Cut – in den riesigen Gefriertruhen zur Selbstbedienung gibt es für Fleischliebhaber kaum etwas, was es nicht gibt. Die Preise sind erwartungsgemäß höher als bei konventioneller Ware, doch „beim Standardsortiment liegen wir höchstens zehn Prozent darüber“, sagt Rothfuß.

Ein Teil des Galloway-Fleisches kommt – meist als Wurst – in der hofeigenen Vesperstube auf den Tisch, ein geringer Anteil edlerer Stücke wird an Gastronomen wie das „Burgmann’s“ in Weilheim verkauft. Dadurch gelingt es, das ganze Tier zu verwerten, denn wie fast alle Direktvermarkter kämpft auch der Reußensteinhof mit einem verbreiteten Problem: Entrecote oder Filet will jeder, unedlere Teile oder Innereien finden deutlich schwerer Abnehmer. Dass der Betrieb kein Bio-Siegel trägt, obwohl das Vieh auf artenreichen, naturbelassenen Wiesen weidet, hat einen einzigen Grund: Der Reußensteinhof betreibt auf 35 Hektar Ackerbau auf steinigen Böden mit wenig Tiefenreserve, wie Rothfuß erklärt. Das geht nicht völlig ohne Düngung. Irgendwann soll sich dieses Verhältnis ändern, denn der Fleischverkauf läuft gut. Dann überlegt auch Rothfuß, seinen Betrieb auf ökologisches Wirtschaften umzustellen. „Bisher bekämen wir kaum mehr Förderung, dafür umso mehr Hürden“, sagt er.

Ökologisch oder nicht – auf dem Hof Ziegelhütte am Randecker Maar ist das längst keine Frage mehr. Der als Hofgemeinschaft geführte Pachtbetrieb in gemeinnütziger Trägerschaft ist Demeter-zertifiziert und unterliegt damit einigen der strengsten Auflagen, die es am Markt gibt. Hier kam man auf Umwegen über die Milch zum Fleisch. Die Ziegelhütte stellt seit mehr als zwei Jahrzehnten Käse her. Im erweiterten Freiluftstall, der erst im März in Betrieb genommen und vorwiegend aus Spenden finanziert wurde, stehen deshalb vorwiegend Milchviehrassen. Wie der Reußensteinhof betreibt auch die Ziegelhütte Muttertierhaltung, das heißt die Kälber werden nach der Geburt nicht von ihren Müttern getrennt, was sich positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Bis vor wenigen Jahren noch wurden schlachtreife männliche Tiere an konventionelle Mastbetriebe verkauft, sozusagen als „Nebenprodukt“ der Käserei. „Irgendwann wollten wir das nicht mehr,“ erzählt Susanna Lindeke, die auf dem Hof inzwischen für die Viehhaltung und Fleischvermarktung zuständig ist. Irgendwann habe man die Tiere auch nicht mehr enthornen wollen, sagt die gelernte Landwirtin und Diplom-Agraringenieurin – eine Grundvoraussetzung beim Verkauf. Seit vergangenem Jahr gibt es deshalb im Hofladen in der Maarstube direkt gegenüber dem Stall neben Käse und anderen Milchprodukten auch Rindfleisch in Demeter-Qualität. Geschlachtet wird im Moment noch im Schlachthof in Göppingen. Ein Bio-Metzger in Bad Boll zerlegt und portioniert die Ware für den Hofverkauf. Die Nachricht von der neu gegründeten Schlachtgemeinschaft in Westerheim, die ab kommendem Jahr kleinere Betriebe bei der Rückkehr zur Hofschlachtung unterstützen will, nimmt man auf der Ziegelhütte mit Interesse auf. Mitglied im Verein ist man bereits. Den Tieren den Lebendtransport zu ersparen, wäre der nächste logische Schritt.

„Wir müssen anfangen, diese Art zu wirtschaften als Standard zu sehen“, sagt Susanna Lindeke. Auch wenn das seinen Preis hat. Ein Beispiel: Durch die Muttertierhaltung gehen pro Kalb etwa 700 Liter Milch verloren, die ansonsten zur Käseherstellung verwendet werden könnten. Ein Faktor, der bei der Fleisch-Kalkulation berücksichtigt werden muss. Rund 30 Kälber pro Jahr kommen auf dem Hof zur Welt. Die Hälfte der männlichen Tiere ist später für die Schlachtung vorgesehen. Davon wiederum die Hälfte geht an Partnerbetriebe wie das Hofgut Uhenfels, ein Biolandbetrieb über dem Seeburger Tal.

Keine echten Preise beim Discounter

Eine Preisdiskussion gibt es auf der Ziegelhütte nicht. „Wer Fleisch beim Discounter kauft“, meint Lindeke, „der bezahlt ja keine echten Preise“, weil Schäden an Umwelt und Gesundheit nirgends berücksichtigt seien. Die Kunden der Ziegelhütte akzeptieren das, auch dass das Fleisch bis auf wenige Ausnahmen nur auf Vorbestellung erhältlich ist. „Wir brauchen Verlässlichkeit, damit das System, wie es im Moment anläuft, funktioniert“, sagt Lindeke. Ein Problem jedoch bleibt, dass alle auf der Ziegelhütte teilen: Wenn Schlachttag ist und der Anhänger vom Hof rollt, ist die Stimmung gedrückt. „Unsere Tiere kennen Menschen, aber keine Gefangenschaft“, sagt die Landwirtin. „Deshalb ist dieses Ende nicht das, was man sich wünscht.“

Hier gibt es Fleisch direkt vom Erzeuger

Reußensteinhof Wiesensteig Katrin Fischer und David Rothfuß, Zehn- und Vier-Kilo-Pakete vom Galloway-Rind auf Vorbestellung, reiche Auswahl an Einzelportionen, auch Wurstwaren, zur Selbstbedienung, gekühlt oder tiefgefroren (www.galloway-reussenstein.de).
Hofgut Ziegelhütte Ochsenwang Susanna Lindeke, Fünf-Kilo-Pakete und Einzelstücke vom Fleckvieh in Demeter-Qualität auf Vorbestellung. Kleineres Sortiment, auch Wurstwaren, auf Anfrage im Hofladen in der Maarstube (www.hof-ziegelhütte.de).
Rauberhof Bissingen Karl und Dagmar Ederle zählen zu den Pionieren in der Galloway-Zucht. Zehn-Kilo-Pakete auf Vorbestellung, auch Wurstwaren, Bioland-Betrieb (www.rauberhof.de).
Schäferei Schmid Owen Jörg und Bettina Schmid, Lammfleisch auf Bestellung, küchenfertiges Gulasch und Wurst in Dosen auch am Schafstall unterhalb des Bölles (Bestell-Telefon 01 77/5 92 75 21).
ParadiesVogel Oberlenningen Familie Gökeler, Bio-Putenfleisch von der Streuobstwiese, Fünf-Kilo-Pakete auf Vorbestellung, Schlachttermine online (www.paradiesle.com). bk