Die Menschen hinter den dicken Glasscheiben sind fast vollständig verhüllt: Hochgeschlossene blaue Ganzkörperanzüge, Kopfhauben, Mundschutz, grüne Handschuhe – gerade mal die Augen schauen zwischen den diversen Lagen heraus. Diese sogenannte Reinraumkleidung hat einen Grund: In den Labors im Untergeschoss der Zentralapotheke des Landkreises Esslingen entstehen hochsensible Medikamente.
Beispielsweise werden hier unten Zytostatika hergestellt – das sind Zellgifte, die bei einer Chemotherapie eingesetzt werden. Sie werden in einer sterilen Umgebung hinter Schleusen gemischt. Überhaupt läuft hier alles unter strengen Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen in Reinräumen mit besonderen Lüftungsanlagen. „Wir als Apotheker stehen dafür gerade“, sagt Jürgen Baumann, der Chefapotheker. Das geht so weit, dass Behältnisse von Wirkstoffen vor der Weiterverarbeitung in einem Vorraum speziell abgewischt werden, damit auf keinen Fall Partikel oder Bakterien daran haften und die Stabilität und Reinheit des späteren Produkts gefährden.
Die Zentralapotheke des Landkreises Esslingen ist an das Krankenhaus in Ostfildern-Ruit angedockt. Von hier aus werden die drei Medius-Kliniken in Nürtingen, Kirchheim und eben in Ruit mit Medikamenten vorsorgt. „Kein Krankenhaus kann ohne eine ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln funktionieren“, sagt Jürgen Baumann.
In dem unscheinbaren Flachbau wird vorgehalten, was in den Kliniken für stationäre und ambulante Patienten gebraucht wird – vom Schmerzmittel bis zum Blutdrucksenker. 1200 unterschiedliche Fertigarzneimittel lagern in Regalen und Kühlschränken, per Scancode können sie minutiös vom Hersteller bis zum Patienten nachverfolgt werden. Außerdem werden im Labor eigene Präparate hergestellt, beispielsweise Infusionslösungen für die Krebstherapie oder Antikörper, die etwa in der Rheumatologie zum Einsatz kommen. Alles wird individuell gemischt, „speziell nach Milligramm für jede Person“, sagt der Fachapotheker für klinische Pharmazie und Arzneimittelinformation. Größte Sorgfalt sei dabei geboten, deshalb werde nach dem Vier-Augen-Prinzip gearbeitet und alles penibel dokumentiert. Zudem ist das Ganze mitunter zeitkritisch: Viele Medikamente sind kurzlebig und müssen binnen Stunden verabreicht werden.
Ein 20-köpfiges Team aus Apothekern, pharmazeutisch-technischen Assistenten und pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten ist in der Zentralapotheke beschäftigt. Kleine und große Päckchen fahren zwischen den Regalen über grüne Förderbänder, bis sie an der richtigen Lieferbox ankommen. Die Kommissionierung läuft halbautomatisch. „Wir schlagen pro Jahr 480 000 Packungen um“, sagt Baumann. Gekauft werde direkt bei der pharmazeutischen Industrie, man sei privilegiert. Dennoch ist auch die Zentralapotheke von den aktuellen Lieferproblemen am Markt betroffen. Etwa 30 Prozent der Bestellungen kämen verzögert oder unvollständig an. So seien etwa Penicilline, Augentropfen und -salben derzeit Mangelware, „und ganz aktuell fehlt uns eine Vollelektrolytlösung“. Flexibilität sei da gefordert, grundsätzlich spricht Baumann von einer „ernsten Situation“.
Neben der Belieferung der drei Medius-Häuser – das Klinikum in Esslingen und die Filderklinik in Filderstadt teilen sich laut Baumann eine eigene Apotheke – übernimmt die Einrichtung in Ruit weitere Funktionen. Sie ist das regionale Arzneimittelinformationszentrum und steht den Apotheken im Landkreis Esslingen beratend zur Seite, etwa wenn es um Fragen zu seltenen Wechselwirkungen geht, erklärt er. Außerdem seien er und seine Kolleginnen und Kollegen punktuell auch zur Antibiotikavisite auf den Stationen vor Ort, um für eine möglichst optimale Medikation zu sorgen. Jürgen Baumann betont: „Wir haben eine ganz gute Resistenzsituation.“
Medius-Kliniken im Landkreis
Standorte Der Medius-Klinikverbund hat drei Standorte im Landkreis Esslingen: Ostfildern-Ruit, Nürtingen und Kirchheim. Insgesamt sind dort mehr als 3400 Mitarbeitende tätig.
Patienten In den drei Häusern im Landkreis Esslingen, unter deren Dächern sich 31 medizinische Fachkliniken und 22 Zentren befinden, werden nach Angaben des Unternehmens jährlich mehr als 46 000 Menschen stationär und mehr als 125 000 Personen ambulant behandelt. Gemeinsam verfügen die drei Krankenhäuser über 1040 Betten. car