Stadtverwaltung
Mehr Bürgermeister trotz knapper Kassen

Viele Widersprüche in Esslingens Rathaus: Einerseits wird über Finanznot geklagt, andererseits soll neben dem OB und drei Bürgermeistern noch eine fünfte Spitzenstelle dazukommen.

Die derzeitige Bürgermeisterriege in Esslingen: Georg Sigel (links), Matthias Klopfer (Mitte), Ingo Rust (2. von rechts) und Yalcin Bayraktar (rechts). Kein Bürgermeister ist der Leiter der Geschäftsstelle Gemeinderat, Yannic Neldert (2. von links). Foto: Ines Rudel

Obwohl die finanzielle Lage in Esslingen nach Angaben der Stadtverwaltung angespannt ist, will sich das Rathaus einen fünften Bürgermeister leisten. Diese Pläne wurden in den vergangenen Tagen wohl hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreis besprochen, drangen aber in dieser Woche an die Öffentlichkeit. Eine Bestätigung durch das Rathaus gab es inzwischen auch.

Dem Vernehmen nach waren einige Fraktionen bereits informiert, andere nicht, als jetzt in einer Sondersitzung des Ältestenrats des Gemeinderats die Pläne bekannt gemacht wurden. Profitieren könnte von einer fünften Bürgermeisterstelle die CDU, die nach der Kommunalwahl im Juni 2024 zur stärksten Fraktion wurde, aber keinen Bürgermeister stellt.

Warum soll es eine neueBürgermeisterstelle geben?

Oberbürgermeister Matthias Klopfer und der Erste Bürgermeister Ingo Rust haben ein SPD-Parteibuch (drittstärkste Fraktion), Yalcin Bayraktar, unter anderem zuständig für Ordnung und Soziales, kommt von den Grünen (zweitstärkste Fraktion) und Hans-Georg Sigel, unter anderem verantwortlich für Bauen und Stadtentwicklung, kam auf Vorschlag der Freien Wähler (viertstärkste Fraktion) ins Amt.

In einer Mitteilung der Stadt heißt es, der Oberbürgermeister und die Fraktionen der CDU, der Grünen, der SPD und der Freien Wähler schlügen dem Gemeinderat die Schaffung eines fünften Dezernats vor. Wenig konkret ist die Aufgabenbeschreibung: Ziel sei es, „mit der Einführung eines zusätzlichen Dezernats zukunftsweisende Impulse für eine leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung zu setzen“. Es wird angedeutet, dass das Amt an die CDU gehen soll: „Gleichzeitig wollen wir mit der neuen Struktur auch darstellen, dass nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr die CDU die stärkste Fraktion ist, aktuell jedoch keinen Beigeordneten hat.“

Wie zu hören ist, wird die Notwendigkeit einer fünften Stelle zumindest inoffiziell auch damit begründet, dass aus dem milliardenschweren Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes viele Millionen Euro für Esslingen abfallen könnten. Der Geldsegen brächte allerdings bürokratischen Aufwand mit sich: Gelder müssten wohlbegründet beantragt, Co-Finanzierungen der Stadt und des Landes austariert werden. Dazu käme aber vor allem die Planung der etwaigen Infrastruktur-Projekte selbst. Möglicherweise traut man sich im Rathaus nicht zu, dass die bestehenden Dezernate für Finanzen und Bauen diese Arbeit bewältigen können.

FDP und Linke sind gegen einen weiteren Bürgermeister

Die Stelle soll nach der Vorstellung der Stadtverwaltung womöglich noch vor der Sommerpause eingerichtet werden, heißt es aus sicherer Quelle. Im Mai soll öffentlich darüber beraten werden. Wie hoch die Stelle dotiert sein wird, ist noch unklar. Das Gehalt könnte bei mehr als 10 000 Euro pro Monat liegen. Der Mitteilung der Stadt zufolge wird die Einführung des fünften Dezernats kostenneutral umgesetzt, indem zurzeit nicht besetzte Stellen aus dem Stellenplan gestrichen werden.

Scharfe Kritik kam bislang von der FDP, der Linken und von Volt. Sie gehören zu Fraktionsgemeinschaften, die zu den Vorabsprachen nicht eingeladen worden waren. Die Einrichtung einer fünften Bürgermeisterstelle stünde im Widerspruch zu den Prinzipien der Haushaltsdisziplin und einer effizienten Verwaltungsstruktur, findet die FDP. Sie führe zu erheblichen Mehrkosten für die Stadt. Angesichts der aktuellen finanziellen Herausforderungen und der drohenden wirtschaftlichen Entwicklung sei die Schaffung dieser Stelle ein absolutes „No Go“.

FDP prüft Bürgerbegehren

Die FDP überlegt, ein Bürgerbegehren zu starten. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen auf jeden Fall mitentscheiden“, sagt Rena Farquhar, die Fraktionschefin von FDP/Volt im Gemeinderat. Vorgemacht habe dies die 12 000-Einwohnerstadt Teningen. Erst im Dezember 2024 hätten dort 75 Prozent der Bürger bei einem Bürgerentscheid eine neue Beigeordnetenstelle abgelehnt.

Dieser Vorgang gehe mit einem erheblichen Vertrauensverlust einher, sagt Farquhar. „Man hat das Gefühl, dass die Stadtverwaltung in einer anderen Welt lebt. Erst Kita- und Kiga-Gebühren erhöhen und sich jetzt einen fünften Bürgermeister gönnen. Das passt nicht zusammen.“

Farquhar weist darauf hin, dass Städte wie Freiburg mit etwa 240 000 Einwohnern fünf Bürgermeister haben, während Esslingen mit rund 95 000 Einwohnern durch die zusätzliche Stelle eine unverhältnismäßige Verwaltungsstruktur erhalten würde. „Das unterstreicht noch einmal, wie absurd diese Idee ist“, betont Farquhar. „Im Hinterzimmer ausgetüftelt. Das ist der Grund, warum sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden.“

Die Linke spricht von Selbstbedienungsmentalität

Auch die Linke lehnt die Pläne entschieden ab, wie der Fraktionschef von Linke/FÜR, Martin Auerbach, erklärte. „Wir werden keinem fünften Bürgermeister zustimmen. Und: Wir werden gemeinsam mit den Bürgern und Bürgerinnen dieser Operation Abendsonne den Kampf ansagen.“ Auerbach erkennt hier den Versuch, dass die Verwaltungsspitze eine Art Eigenversorgung betreibe. „Solches Gebaren nährt nur die Politikerverdrossenheit. Selbstbedienungsmentalität vor der Hintergrundmusik von Zukunftsangst geplagten Kollegen und Kolleginnen aus der Autoindustrie, der Wirtschaft und dem Handel – wie schäbig.“