Kreis. Die Kooperation der Schuldnerberatungen im Landkreis Esslingen ist besorgt über die stetig wachsende Zahl finanziell überforderter Menschen im Kreis. Ihr Jahresbericht 2023 stellt fest, dass zwar rein statistisch die Überschuldungsquote für den Landkreis gesunken ist, dies aber zu keinem Rückgang der Nachfrage nach Schuldnerberatung geführt hat. Zudem dürfte der Rückgang der Überschuldungsquote auf eine Änderung bei der Dauer der Speicherung der Verfahren im Schuldnerverzeichnis für abgeschlossene Insolvenzverfahren zurückgehen. Mit den bisherigen Speichermodalitäten würde sich für 2023 eine Erhöhung der Überschuldungsquote ergeben.
Hinzu kommt für 2023 laut Creditreform eine zunehmende Nachfrage nach Klein- und Kleinstkrediten für Zahlungen, die aus „laufender Kasse“ nicht mehr möglich sind, wie Nachzahlungen von Energie- oder Nebenkosten. Ebenfalls stark gestiegen ist die Nachfrage nach so genannten „Buy now, pay later“-Angeboten, mit denen Käufe ohne direkte Bezahlung getätigt werden können. 2023 konnten Arbeitnehmer Dank der Wirtschaftskraft Baden-Württembergs beispielsweise noch durch Mehrarbeit die Haushaltskasse aufbessern. In welchem Umfang dies auch künftig möglich sein wird ist in Anbetracht der sich eintrübenden Wirtschaftsprognosen fraglich.
Nachfrage gestiegen
Im vergangenen Jahr wurden an den fünf Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen im Landkreis 973 Kurzberatungen durchgeführt, acht Prozent mehr als im Vorjahr. In langfristiger Beratung befanden sich 688 Haushalte, in denen 543 Kinder leben, die von der Überschuldungsproblematik mitbetroffen sind. 293 Fälle in der langfristigen Beratung konnten im Jahr 2023 abgeschlossen werden, 395 Fälle wurden über den Jahreswechsel weitergeführt. Eine sofortige Aufnahme in die langfristige Schuldenberatung war auch 2023 nicht möglich, die Wartezeit betrug sechs bis 18 Monate.
Erneut stieg 2023 die Zahl derjenigen, die durch die Schuldnerberatungsstellen in ein Verbraucherinsolvenzverfahren gehen, und zwar auf 150 Personen. Seit Verkürzung des Insolvenzverfahrens 2020 von sechs auf drei Jahre ist die Inanspruchnahme dieser oft einzig verbleibenden Lösung zur Schuldenregulierung konstant hoch.
Eine weitere gesetzliche Änderung im Jahr 2021 führt zu einem deutlichen Anstieg der erteilten Bescheinigungen für ein Pfändungsschutzkonto, das P-Konto auf 215 P-Konto-Bescheinigungen. Die Schuldnerberatungsstellen können mit der Gesetzesänderung mehr unpfändbare Leistungen, die auf gepfändete Konten eingehen, prüfen und bescheinigen. Betroffene können so schnell und kostenfrei einen umfassenderen Pfändungsschutz für das Konto erhalten und den bisherigen Gang zum Vollstreckungsgericht dadurch häufig sparen.
Auffallend stark ist die Zahl überschuldeter Arbeitnehmer von 238 auf 280 Personen gestiegen, ein Plus von 18 Prozent gegenüber 2022. Ein starker Anstieg wurde ebenfalls für Personen registriert, die zwar arbeiten, aber aufgrund prekärer Arbeitsbedingungen aufstockend Sozialleistungen beziehen. Ihre Zahl stieg 2023 gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent. Bei der Altersstruktur der Beratungssuchenden setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort, wonach mehr überschuldete ältere Menschen über 60 Jahre die Schuldnerberatungsstellen im Landkreis aufsuchen. Im Jahr 2023 waren dies 128 Personen, 21 Prozent mehr als 2022. Zudem fragten 13 Prozent mehr Personen im Ruhestand eine Schuldnerberatung nach.
Die Hauptauslöser für Überschuldung sind wie in den vergangenen Jahren Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut, Krankheit, Scheidung oder Trennung, fehlende finanzielle Allgemeinbildung und Konsumverhalten in der genannten Reihenfolge.
Erfolgreiche Projekte
2023 gab es das vom Landratsamt Esslingen durchgeführte Projekt „Schulden-Los“ sowie das Projekt des Kreisdiakonieverbandes im Landkreis Esslingen „Wende-punkt – Hin zu einem schuldenfreien Leben“. Beide Projekte werden durch das Land Baden-Württemberg finanziell gefördert und sind für Familien mit kleinen Kindern und Alleinerziehende. Durch eine intensive Vernetzung mit anderen sozialen Diensten des Landkreises und anderen Fachbereichen des Kreisdiakonieverbandes gab es ganzheitliche Beratungen. Dank der von Schuldnerberaterinnen und -beratern durchgeführten Schulungen der anderen Dienste wurde ein schneller und erleichterter Zugang zur Schuldnerberatung gesichert. Des Weiteren wurden Präventionsschulungen für Betroffene angeboten.
Das Angebot der Schuldnerberatung für junge Menschen „Benefit“ richtete sich auch im Jahr 2023 an junge Menschen unter 27 Jahren. Auch hier war wieder ein schneller und erleichterter Zugang zur Schuldnerberatung durch Sprechstunden in verschiedenen Einrichtungen, zu welchen die Betroffenen jederzeit kommen konnten. pm